Der schlaflose Intendant
Tanzen geht Karl Regensburger selten. Talent hätte er ja, aber Regensburger ist täglich mit Bewegungskünstlern von Weltformat konfrontiert – da muss man sich nicht messen. Karl beobachtet lieber mit Kennerblick. Er schult ihn seit 30 Jahren. 1984 hat er gemeinsam mit Ismael Ivo das ImpulsTanz-Festival ins Leben gerufen.
Karl Regensburger will ein Treffen im „Café Anzengruber“ im vierten Bezirk arrangieren. Der Grund für seine Wahl: Es gehört Kroaten. „Wir sollten mit ihnen auf den EU-Beitritt anstoßen“, sagt Regensburger am Telefon. Gute Idee, hätten die Besitzer nicht schon am Vorabend zu lange gefeiert. Das Restaurant „Wiener“ im 7. Bezirk soll die Szenerie für das Gespräch am Montag, 22 Uhr, bieten.
Regensburger schläft nie viel, wenige Tage vorm Start des größten Tanz- und Performancefestivals Europas (Anm.: Eröffnung am 9. Juli im MQ) schläft der Intendant fast gar nicht mehr. Nach unserem Treffen um ein Uhr Früh wird er bis sieben Uhr weiter arbeiten. „In der Nacht habe ich Ruhe“, sagt er. Nichts, das der Körper dauerhaft verzeiht, vor zwei Jahren kam die Warnung in Form eines Bandscheibenvorfalls. „Dann hab ich wieder zum Rauchen angefangen, seither geht’s besser.“ Regensburger ist keiner, der sich gern aufspart. Das pralle Leben ist sein liebster Spielort.
Durch diese Lebenseinstellung kam er auch zum Tanz: Gerade an seiner Dissertation in Betriebswirtschaft schreibend (das Thema: „Bilanzierungsverhalten europäischer Großbanken im Vergleich, unter besonderer Berücksichtigung der stillen Reserven“), flatterte ihm auf der Uni eine Ausschreibung zu. „Arbeitszeit nach freier Vereinbarung, Arbeitsentgelt nach freier Vereinbarung“, stand drauf – genau das richtige für den 26-jährigen Studenten. So kam Regensburger 1982 zum ersten Mal in ein Tanzstudio. „Es war ein schöner Ort mit schönen Mädchen, das hat mir gut gefallen“, sagt er. Den Job in der Wertpapierabteilung der Creditanstalt Bankverein lehnte er damals ab. Bald machte Regensburger nicht nur die Buchhaltung, sondern organisierte Stundenpläne, holte Künstler aus dem Ausland. Darunter den Brasilianer Ismael Ivo. Das war zu viel Engagement für den damaligen Chef. Regensburger wurde Ivos Manager, gemeinsam mieteten sie das Universitätssportzentrum auf der Schmelz – der Anfang des ImpulsTanz-Festivals war getan.
Wir sind nicht alleine am Tisch im „Wiener“. Die Gesellschaft scherzt und schwatzt. Karl dreht sich um, beugt sich vor, zieht die Augenbrauen hoch: „Müsst’s ihr so schreien?“. Kurze Unsicherheit. „Wenn es Sie stört, setzen wir uns weg.“ „Nein, mir g’fallt das ja“, sagt der Karl. So einer ist Regensburger, er packt Kritik in einen Schmäh und niemand kann dem Schelm mit runder Brille böse sein. Dieser Regensburger, er tänzelt verbal, mit leichtem Schmäh wirbelt er die Menschen herum und erreicht so sein Ziel.
KURIER: Welchen Beruf hätten Sie gerne als Kind ergriffen?
Karl Regensburger: Ich wär’ am liebsten Komponist. So trage ich mich im Hotel bei Beruf immer ein als: Compositeur.
Wie ist Ihr Managementstil?
Beinhart. Cholerisch. Ich fühle mich ständig verfolgt.
Kann ich mir nicht vorstellen.
(Regensburger schmunzelt). Ich habe das Glück, ein fantastisches Team zu haben.
Das Festival dauert ein Monat. Was machen Sie eigentlich die restlichen elf Monate als Intendant?
Ich organisiere das Programm, muss Geld aufstellen, Einreichungen machen, Förderungen ansuchen, Buchhaltung. Mein Glück ist, dass viele meiner Mitarbeiter zwar deutlich jünger sind als ich, aber bereits lange dabei sind. Ich habe zum Beispiel einen 29-Jährigen, der seit zwölf Jahren hier arbeitet. Da muss ich nicht mehr delegieren.
Wer könnte den Intendanten-Job übernehmen?
Da gibt es Einige.
Denken Sie schon an einen Exit-Plan?
Nein.
Gibt es eine Tanzrichtung, die Ihnen fremd ist?
Keine. Wir haben dieses Jahr zum ersten Mal Schuhplatteln im Programm – ein alpiner Tanz erster Güte: Anstrengend, Technik erfordernd, man braucht Kondition.
Gab es jemals den Gedanken, dass Sie scheitern könnten?
Ich habe viele schlaflose Nächte. Ich trage die Letztverantwortung. Wenn es schiefgeht, geht es wegen mir schief. So sehe ich das. Auch wenn es mal enger wird, tu’ ich mir extrem schwer, Mitarbeiter zu reduzieren. Das kann ich nicht. Nicht, dass wir zu viele wären. Im Gegenteil. Dieser vorschnelle Abbau von Humankapital in der Wirtschaft ist bedrückend.
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