Netflix habe in Sachen Sehzeit bereits die führende Position eingenommen – und zwar nicht nur am Streaming-Markt. Laut Studie widmet das Gesamtpublikum 10,3 Prozent seines Fernseh-Zeitbudgets Netflix. Auf den Plätzen danach folgen mit ihren linearen und nichtlinearen Angeboten RTL, ZDF und ARD vor Amazon mit 8,7 Prozent.
Steigende Ausgaben
„Netflix ist schon lange da und hat sich mit selbstproduzierten Inhalten etabliert“, sagt Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria. „Netflix ist der Streaming-Anbieter schlechthin, er hat die Möglichkeit des neuen Fernsehens bekannt gemacht“, ergänzt Mohr. Der Anbieter habe maßgeblich dazu beigetragen, dass Menschen - vor allem in den USA - ihre Kabelanschlüsse kündigen. Netflix verfolge eine internationale Wachstumsstrategie. Da es dabei sinnvoll sei, auch Inhalte für lokale Märkte zu produzieren, müssen auch die Ausgaben weiter steigen – dieses Jahr von 12 auf 15 Milliarden Dollar.
Hohe Kosten, die verdient werden müssen. Nicht leicht, zumal die Konkurrenz härter wird. Neben Apple steigt am 12. November auch Unterhaltungsgigant Disney in den Ring. Dieser will mit seinem großen Archiv sowie neuen Produktionen wie etwa zur Star-Wars-Welt in Kino-Qualität punkten. „Disney ist ein wesentlicher Gegner, weil er ein Entertainmentkonzern vor allem für Familien ist und sich großer Beliebtheit erfreut“, sagt Rosen.
Kursentwicklung
„Netflix ist großen Herausforderungen ausgesetzt, weil es nur auf Streaming fokussiert ist“, so Mohr. Die neuen Anbieter, aber auch Amazon, hätten weitere Einkommensmöglichkeiten. Das hat sich auch an der Börse herumgesprochen. Im vergangenen Quartal zeigte sich die Kursentwicklung mit einem Minus von 30 Prozent so schlecht wie seit sieben Jahren nicht mehr. Im Gegenzug goutierten Börsianer die Ankündigung Disneys, auch mit Streaming zu starten.
Hinzu kommt, dass die Zahl der Abonnenten in den USA mit 60 Millionen von insgesamt 150 Millionen Nutzern weltweit ihren Höhepunkt erreicht hat. Immerhin hat schon jeder zweite US-Haushalt ein Abo. Auch der Zuwachs bei den gestreamten Inhalten nahm zuletzt deutlich ab. Dennoch sind Aktienanalysten zuversichtlich: Die Mehrheit empfiehlt den Titel zum Kauf.
Gratis-Abo
„Das Motto lautet nun, alle gegen Netflix“, sagt Rosen. Apple hat dabei die Hardware auf seiner Seite. Jeder Käufer eines Apple-Produkts erhält ein 12-Monats-Abo gratis dazu. Insgesamt werden 1,4 Milliarden Apple-Produkte genutzt. Disney wiederum glänzt mit seinen populären Inhalten. „Netflix investiert weiterhin massiv in Content“, ist laut Rosen die Strategie. Das glaubt auch Medienexperte Mohr. „Exklusiver Content ist wichtig für die Differenzierung und hier hat Netflix noch die Nase vorn."
Das wird auch nötig sein, denn Disney zieht wichtige Lizenzrechte, etwa für Star Wars oder Marvel, für seinen eigenen Dienst ab. „Das ist definitiv eine Herausforderung für Netflix.“ Die Absicht, weiterhin werbefrei zu bleiben, sei umsetzbar. Dass Netflix Sportrechte kaufen werde, glaubt er hingegen nicht. „Diese sind extrem teuer.“
Disney und Apple setzen übrigens laut Mohr auf eine neue Serien-Strategie. Laut ersten Ankündigungen wollen sie nicht alle Folgen einer Staffel auf einmal online stellen, sondern wie bei Fernsehsendern üblich nur eine neue Folge in der Woche online stellen. „Damit gibt es laufend neue Inhalte. Sonst haben Nutzer in zwei Wochen alles angeschaut“, sagt Mohr.
Aber auch Disney und Apple gehen bereits auf Distanz zueinander. Disney-Chef Robert Iger trat am 10. September aus dem Apple-Verwaltungsrat aus. Damit erfolgte der Rücktritt just an dem Tag, an dem Apple seinen Videostreaming-Dienst vorstellte. Iger war ein enger Freund von Apple-Gründer Steve Jobs gewesen, der exakt heute vor acht Jahren an Krebs verstorben ist.
Pay-TV unter Druck
Nicht einfacher dürfte es auch für die langjährigen Pay-TV-Anbieter HBO (USA) und Sky (Europa) werden. Nicht nur, dass Sky erst spät ein eigenes Streamingangebot (Sky X, seit März des Jahres) geschnürt hat. Auch preislich können die beiden Anbieter mit der Konkurrenz nicht mit (siehe Seite 8). „Es wird für HBO schwierig werden, Kunden an der Stange zu halten, weil die Mitbewerber weniger verlangen“, stellt Rosen fest.
Ein Vorteil sei aber, dass HBO für höchste Qualität stehe („Game of Thrones“) und bereits angekündigt habe, weiterhin viel in eigene Ware zu investieren. Und auch Sky kämpft mit dem Abzug von Rechten durch Disney. So verschwinden zwei Disney-TV-Sender aus dem Sky-Angebot. Und wie sich die Übernahme des Filmstudios 20th Century Fox durch Disney auf das Angebot der Konkurrenten auswirken wird, ist noch offen. Möglich ist durchaus, dass Blockbuster aus dem Hause Fox künftig zuerst bei Disney+ laufen werden.
Übernahme
Der Kampf um die Zuschauer beginnt also ab November so richtig. Bei Disney zuerst in den USA und in einigen ausgewählten Ländern, im Rest der Welt und Österreich dann im nächsten Jahr. Bei Apple sofort in rund 100 Ländern. Zwar wächst wie erwähnt der Markt noch, doch ist das Budget der Haushalte begrenzt – auch das zeitliche. Umfragen haben ergeben, dass ein Haushalt nur maximal drei Abos zu einem Gesamtpreis von 30 bis 40 Euro bezieht.
Wer bleibt also auf der Strecke? Netflix, das bereits seit 2007 Streamingdienste anbietet und mehrheitlich im Besitz von US-Investmentfonds steht, und Apple haben laut Rosen eine starke Position. Auch eine Übernahme von Netflix schien zumindest bisher kein Thema gewesen zu sein. „Es war offenbar zu teuer und Apple und Disney meinen, sie können es selbst auch.“
Viele Nischenanbieter
Mohr rechnet ebenfalls nicht damit, dass Netflix übernommen wird. „Es gibt viele Nischenanbieter. Hier stellen wir eher die Frage, wie diese überleben werden.“ Er rechnet in Europa mit Zusammenschlüssen, auch grenzüberschreitend, um eine europäische Konkurrenz zu den US-Anbietern zu schaffen. „Wenn man mithalten will, ist das unabdingbar.“
Einen Vorteil haben die europäischen Anbieter, aber auch Netflix, gegenüber den anderen Playern. Laut EU-Beschluss müssen bei Streamingdiensten ab 2021 zumindest 30 Prozent der Inhalte aus europäischer Produktion stammen. Ist dies nicht der Fall, drohen Strafzahlungen. Vor allem für Apple und Disney könnte das in der kurzen Zeit zum Problem werden.
Für die Zuschauer hingegen ist es letztlich weitgehend uninteressant, woher Produktionen stammen. Ihnen geht es um gute, verfolgenswerte Inhalte. „Das Schwierige im Film- und Seriengeschäft ist, vorherzusagen, was der nächste Hit wird“, sagt Rosen. „Game of Thrones“ war jahrelang die Nummer eins schlechthin und brachte HBO und Sky großen Zulauf. Ob Apple’s „The Morning Show“ daran anschließen kann, entscheiden die Streamer ab 1. November.
Die Anbieter im Überblick
Sky: Die Ursprünge des Bezahlsenders gehen bis in die 80-er Jahre zurück (Teleclub, später Premiere). Die Besitzer wechselten mehrmals (u.a. Leo Kirch, Georg Kofler, Rupert Murdoch). Aktuell hält der US-Kabelkonzern Comcast die Mehrheit. In Österreich werden zahlreiche Kanäle über Sat und Kabel ausgestrahlt, seit März gibt es auch ein Streaming-Abo (Sky X ab 20 Euro). Den fünf Mio. Kunden werden neben Lizenzware („Game of Thrones“) auch Eigenproduktionen („Das Boot“) geboten.
Amazon: Seit fünf Jahren wird Amazon-Prime-Kunden (schnellerer und günstiger Versand) auch ein Streaming-Paket offeriert. Ein Jahresabo kostet monatlich 5,75 Euro. Mehr als 100 Millionen Menschen verfügen über ein solches Abo. Neben den im Prime inkludierten Videos gibt es auch eine Vielzahl an gegen Extragebühren abrufbaren Filmen und Serien. Zu den Eigenproduktionen zählen u.a. „The Boys“, „Jack Ryan“ oder für den deutschsprachigen Raum „Pastewka“.
Netflix: Als Netflix 1997 gegründet wurde, war von Streaming noch keine Rede. Immerhin wurden die Filme damals online bestellt, aber noch per Post in Form einer DVD oder Blue Ray versandt. Zehn Jahre später war die Technik so weit, dass auf Streaming umgestellt werden konnte. 2010 begann die internationale Expansion, seit 2014 ist Netflix auch in Österreich verfügbar. Seit dem Börsegang 2002 werden regelmäßig Gewinne geschrieben, zuletzt 1,2 Mrd. Dollar bei 15,7 Mrd. Umsatz. Die Kosten für ein Abo wurden laufend angehoben, aktuell kostet die Basisversion 7,99 Euro pro Monat, die mittlere Tarifstufe mit HD-Auflösung 11,99 Euro. Netflix bietet dafür die größte Auswahl bei Serien (rund 1.100, bei Amazon ist es die Hälfte). Bei Filmen liegt Amazon mit 3.400 zu 2.700 voran. Netflix kann die meisten Eigenproduktionen aufweisen, wie etwa House of Cards, Orange is the New Black, Narcos, Stranger Things, Dark oder Haus des Geldes.
Apple: Wer seit 10. September ein Apple-Produkt wie iPhone oder iPad erwirbt, kann das neue Angebot Apple TV+ ein Jahr lang gratis nutzen (statt 4,99 Euro im Monat). Über Inhalte ist noch relativ wenig bekannt, unter www.apple.com/at/apple-tv-plus/ sind Trailer zu zehn Eigenproduktionen abrufbar. Zudem wird die Sendung „Oprah's Book Club“ abrufbar sein, in der Talkkönigin Oprah Winfrey mit Gästen aktuelle Bücher bespricht.
Disney: Die Ursprünge des von Walt Disney gegründeten Unternehmens reichen bis in die 1920er-Jahre zurück. Entsprechend groß ist der Schatz an Film- und Fernsehproduktionen, der durch Zukäufe (wie Pixar) noch erweitert wurde. Vieles davon wird ab November in den USA (2020 in Österreich) abrufbar sein. Der Preis steht mit 6,99 Euro im Monat bzw. 69,99 Euro für ein Jahresabo bereits fest.
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