David gegen Goliath: Wie Windhager gegen Wärmepumpen aus China gewinnen will
Wärmepumpen sind begehrt, der Bedarf ist groß. Stichwort: Energiewende. Die traditionellen europäischen Hersteller von Heizungsanlagen rüsten um, müssen schnell produzieren – und kämpfen mit einer bedrohenden Konkurrenz aus Asien. Der heimische Heizungsbauer Windhager investiert indes 100 Millionen Euro in eine neue Produktion. Und will so der Konkurrenz trotzen. Kann das gelingen?
KURIER: Herr Gubi, wir sitzen hier auf einer riesigen Baustelle. Was entsteht hier?
Stefan Gubi: Das modernste Wärmepumpenwerk Österreichs, wahrscheinlich sogar Mitteleuropas. Wir bauen eine Fabrik, die in der maximalen Auslastung ab 2026 ungefähr 300 Mitarbeiter beschäftigen wird.
Produktionsstart soll aber schon 2024 sein.
Ja, dementsprechend hoch ist der Druck auf der Baustelle. Die Witterung hat uns einige Wochen gekostet.
Sie bauen hier völlig neu, auf der grünen Wiese?
Auf 50.000 Quadratmetern wird eine Halle mit 27.500 Quadratmetern errichtet. Mit Solardach, möglichst energieautark. Wir denken auch an Windenergie.
Sie wollen hier Windräder aufstellen?
Das wäre der Wunsch des Eigentümers. Aber es ist sehr schwierig mit den Genehmigungen. Mal sehen.
Wie viele Wärmepumpen wollen Sie hier erzeugen?
Im ersten Jahr knapp 10.000, dann bis 20.000 pro Jahr. Unsere Strategie ist es, in einer vernünftigen Menge zu produzieren, die unsere Marktstrategie unterstreicht. Wir wollen eine Dienstleistung anbieten, gut beraten hybride Lösungen ermöglichen. Da geht es nicht so sehr um die schiere Menge, sondern um andere Qualitäten.
Wie wollen Sie 300 Mitarbeiter finden?
Das ist die große Frage. Es ist alles sehr herausfordernd geworden, wir sind heute eigentlich in einer Situation, in der die unternehmerische Planbarkeit kaum mehr möglich ist. Eigentlich müsste man sagen, das ist alles zu viel Risiko, müsste die Notbremse ziehen. Aber das wäre nicht Unternehmertum, wie wir es verstehen. Unternehmertum sind nachhaltige, langfristige strategische Entscheidungen.
Wenn die Planbarkeit kaum mehr möglich ist, wie kann man sich dann über so ein Großprojekt trauen?
Die Frage beschäftigt mich sehr. Es geht um ein Investitionsvolumen von 100 Millionen Euro – eine erschreckend große Zahl. Aber wenn uns dieser Mut der mittelständischen Unternehmer verloren geht, dann haben wir wirklich ein Problem.
Ich glaube aber auch, dass die politische Großwetterlage es immer schwieriger macht, diesen Mut zu haben. Deshalb entscheiden sich andere Unternehmen für spektakuläre Exitszenarien, denn dann ist man das Risiko los. Die Problematik ist aber: Was passiert dann mit den Arbeitskräften, mit dem Standort?
Die asiatische Konkurrenz überschwemmt mit billigen Produkten den Markt. So sehr, dass große Traditionsbetriebe Firmenteile verkaufen. Warum hat Windhager keine Angst?
Angst wäre das falsche Wort. Wir haben hohen Respekt. Faszinierend ist natürlich deren Fähigkeit, in kurzer Zeit unfassbare Mengen zu produzieren. Aber unter welchen Bedingungen? Ich war beruflich viele Jahre in Asien, habe die Fabriken dort gesehen. Manche wecken das nackte Grauen, weil die Arbeitsbedingungen so schrecklich sind.
Wir machen es anders, gehen nicht in die Menge, sondern in die Qualität und in die Dienstleistung. Wir besetzen eine Nische und wollen da die Besten sein. Das Thema ist zudem: Alle wollen raus aus der Abhängigkeit von Russland, weg vom Gas. Und wir begeben uns gerade in die nächste Abhängigkeit – in die asiatischer Produkte.
In Deutschland hat Viessman gerade das beste Jahr der Firmengeschichte gehabt – und verkauft sich jetzt an ein US-Unternehmen.
Ich kenne die Details zu wenig, aber es kommt mir so vor, als hätten hier noch andere Faktoren, die Grundlage für diesen Verkauf gebildet. Weil an der Kapitalkraft des Betriebes besteht ja kein Zweifel. Ich bin mir sicher, dass Viessmann trotz neuem Eigentümer nicht vom Markt verschwinden wird.
Durch den amerikanischen Käufer will Viessmann mehr Marktkraft erreichen. In einem sehr heiß umkämpften Markt.
Da ist wahnsinnig viel Tradition und gleichzeitig unglaublich viel Wettbewerb und Kampfgeist dabei. Auch in Österreich haben wir viele Marktteilnehmer. Es ist schon auffällig, wie österreichische und deutsche Betriebe hier vorne dabei sind. Hoffentlich bleibt das so.
Kann man mit mehr Qualität und höheren Preisen die heimischen Kunden abholen? Wo es doch stark um Preise und Kosten geht?
Ich hoffe es sehr. Aber schauen Sie sich um: Für uns gibt es kein Zurück mehr. Wir haben den Point of no Return erreicht.
Sie hätten ja auch sagen können, wir machen es nicht hier in Oberösterreich, wo die Personalkosten hoch sind. Sondern gehen ins Ausland, in den Osten.
Windhager sagt seit 100 Jahren: Wir sind ein österreichisches, mittelständisches Unternehmen und unser Standort ist Österreich. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Familie, die ihre Entscheidungen für die nächsten hundert Jahre ausrichtet.
So kam die Idee von einer Wärmepumpenfabrik. Das ziehen wir jetzt durch. Ich werde hier bis zur letzten Sekunde kämpfen, dass wir durch diese extremen Herausforderungen durchtauchen.
Wenn die Energiewende mehr ist, als nur ein Lippenbekenntnis, dann wird es auf dem Sektor ein nachhaltiges Wachstum gebe
Wir haben heute noch ein Meeting mit allen Mitarbeitern. Die machen sich Sorgen, hören in den Medien von der mächtigen Konkurrenz und fragen zurecht: Wie lange wird es Windhager noch geben? Wir haben eine Vision und die Mitarbeiter müssen sie verstehen.
Sie bauen auf die Wettbewerbsfähigkeit und den Standort Österreich.
Ja. Aber mit einer kritischen Stimme. Wir kommunizieren unsere Sorgen, weil wir der Meinung sind, wir müssen uns wieder darauf besinnen, was Österreich für uns alle so stark macht. Es ist der Mittelstand, der die Wirtschaft stützt.
Es gibt Gott sei Dank viele herausragende Betriebe in diesem Land. Sie haben Stabilität und Wohlstand gebracht und arbeiten nachhaltig. Darum müssen wir kämpfen. Damit die Industrie im Land nicht verschwindet.
Wird die große Nachfrage nach Wärmepumpen bleiben bzw. werden Sie rechtzeitig liefern können?
Die Frage ist berechtigt und man muss sie sich stellen. Unter normalen Umständen wird sich die Wärmepumpe, genauso wie andere energieeffiziente, nachhaltige Heizsysteme durchsetzen, weil wir alle wollen, dass wir aus den fossilen Energieträgern rauskommen. Wenn die Energiewende mehr ist, als nur ein Lippenbekenntnis, dann wird es auf dem Sektor ein nachhaltiges Wachstum geben.
1921 als kleine Schlosserei gegründet, zählt Windhager mit 500 Mitarbeitern zu Österreichs großen Heizkesselherstellern.
Nun wird umgebaut: Bio- masse-Heizkessel und Wärmepumpen sind die Zukunft. Dafür werden 100 Millionen Euro investiert.
- Die Firma übernahm 2013 Gründerenkel Gernot Windhager
- Der Geschäftsführer: Stefan Gubi
Wie kompliziert ist so eine Wärmepumpe eigentlich?
Die Komplexität der Wärmepumpe ist überschaubar. Das ist keine Raketenwissenschaft. Vielmehr geht es um die Koppelung des Geräts mit anderen Systemen, um Energieeffizienz, um den Lärmpegel und um die Materialien, die verbaut werden. Wir reden jetzt auch über die Kältetechnik, also die Flüssigkeit, die darin erlaubt ist. Aller Voraussicht nach wird das Propan sein.
Früher haben die Chinesen unsere Produkte auseinandergenommen und geschaut, was drin ist. Schauen Sie sich heute umgekehrt chinesische Wärmepumpen an?
Ich glaube, wir schauen uns alle an, was in anderen Produkten steckt. Aber wir werden niemals kopieren. Wo Windhager draufsteht, ist Windhager drin. Wir sind und bleiben Premiumanbieter. Und ein österreichisches Produkt.
Der Kampf um den Weltmarkt
Wärmepumpen- und Heizungsbauer werden von Kunden überrannt – viele Hauseigentümer wollen umrüsten, jetzt gleich. Wollen raus aus fossilen Energieträgern, hin zu erneuerbaren Energien. Dafür brauchen sie Solarpaneele, Wärmepumpen und Installateure. Alles rar, alles schwierig zu kriegen.
Die Hersteller sind gefordert: viele europäische Familienbetriebe, klingende Namen wie Vaillant, Viessmann, Stiebel Eltron oder auch Windhager, haben jahrelang Gasverbrenner gefertigt und montiert, jetzt müssen sie die Wende schnell schaffen. Ein finanzieller Kraftakt, der Hunderte Millionen Euro verschlingt.
Allein Deutschlands größte Gasthermenhersteller Viessmann, Vaillant und Bosch mit der Marke Buderus wollen bis 2025 zusammen 2,7 Milliarden Euro in Europa investieren, meldet DER SPIEGEL.
Asia-Konkurrenz
Das Investment ist riskant. Weil Konkurrenten aus dem fernen Ausland längst auf die Wärmepumpe setzen. Allen voran koreanische, chinesische und japanische Hersteller wie Samsung, LG und Midea. Aufgrund ihrer Größe und den enormen Stückzahlen, die sie produzieren, können sie mit Billigpreisen den europäischen Markt bedrängen.
Der Produktion in Europa droht das gleiche Schicksal wie der Solarindustrie: am Weltmarkt dominieren hier die Chinesen mit 80 Prozent Marktanteil.
Das war nicht immer so: „Vor zehn Jahren kamen noch 50 Prozent der Weltproduktion aus Deutschland“, sagt Helmut Burtscher vom Photovoltaik-Spezialisten Doma vkw. „Man merkt, dass die Chinesen rund zehnmal so viel Geld investiert haben wie die Europäer“, so Burtscher.
Viessmann gibt w. o.
Der große Deutsche Heizungshersteller Viessmann handelt. Der Konzern ist so erfolgreich wie nie, erlebt das beste Jahr in der 105-jährigen Geschichte: vier Milliarden Euro Umsatz, fast 20 Prozent Umsatzplus.
Trotzdem verkauft man jetzt die Klimasparte einschließlich der lukrativen Wärmepumpen für zwölf Milliarden Euro an den US-Konkurrenten Carrier Global. Firmenchef Max Viessmann tat dies vergangene Woche unter Tränen.
Mit dem Verkauf will man sich größer, konkurrenzfähig und damit überlebensfähig machen. Gegen die asiatische Macht auf dem Weltmarkt eine Chance haben.
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