Das Glück ist eine Schwalbe
Der Großvater hat die Schwalben geliebt. Im Dachboden hatten sie sich eingenistet, damals, in den 1950ern. Als er sein Gasthaus-Hotel Vanecek an die einzige Tochter übergeben sollte, benannte er es in „Hotel Schwalbe“ um. Denn man wusste nicht, wen die Tochter einst heiraten würde.
Schwalben gibt es schon lange nicht mehr unter dem Dachboden des Alt-Wiener Hotels mitten in Ottakring. „Aber wir versuchen, sie wieder einzunisten“, sagt Patricia Tomek, Enkelin von Herrn Vanecek. Geblieben ist das rustikale, leicht abgenutzte und gemütliche Interieur – alte Holzpaneele und Gemälde von Wiener Künstlern an den Wänden, achtzig Jahre alte Stühle im Esszimmer. In den Vitrinen sind damenhafte Puppen ausgestellt, Lampen von Augarten, ein alter Wurlitzer spielt im Hintergrund Wiener Hadern. Alles Wiener Waren, die von guten, längst vergangenen Zeiten erzählen. Geblieben ist auch der Charme des Großvaters, den auch die 41-Jährige versprüht. Als Gast lässt man sich gern im braunen Ledersessel von Wittmann nieder, plaudert bei einer Melange, Petit Fours und Omas Guglhupf, lauscht den Anekdoten der Seniorchefin Anna, die mit leuchtenden Augen von noblen Gästen erzählt. Vom „Herrn Tötschinger“, von Zirkusdirektor Bernhard Paul. Und vielen Geschäftsgästen. „Sie schicken dann ihre Mütter und Großmütter zu uns“, lacht Patricia Tomek.
Dass sie den Familienbetrieb übernimmt, war ihr in jungen Jahren nicht immer klar. Nach der Matura führte sie der Weg erst in eine kleine Werbeagentur, dann in große Konzerne. Patricia Tomek lernte als Marketingleiterin die Welt von Pepsi kennen, wechselte zum Coca-Cola-Konzern ins Marketing, jonglierte dort schon als 26-Jährige in der Abteilung Gastronomie Millionenbeträge. „Ich kenne die kleine und die große Konzernwelt“, sagt sie.
Anders als in diesen Welten sei die Führung eines kleinen Familienbetriebs, sagt Patricia Tomek: „Das muss man mit viel Herzblut machen, mit der Seele. Sonst macht man es nicht gut.“ 2003 stieg sie dann doch ins Hotel ein, als der Großvater bettlägrig wurde. Sie pflegte ihn, war für Gäste, Sales und Marketing zuständig. Die Identifikation mit dem Hotel sei eine andere als in den Positionen davor: „Einmal habe ich eine Einladung bekommen, mit der Anrede, Frau Schwalbe‘, das hat mich wahnsinnig gefreut“, lacht sie.
Wert legt die Juniorchefin auf die Kultur. Früher wurden auf der Bühne hinterm Esszimmer Stegreifstücke aufgeführt. Heute organisiert Tomek im „Kultursalon“ mit Größen wie Erwin Steinhauer, Gerhard Tötschinger und Ulli Bäer.
Was die Einstellung zum Erfolg betrifft, hält sie es mit dem Großvater. Jeden Morgen sagte er stets mit einem Augenzwinkern: „Wird’s heut’ eine Komödie oder eine Tragödie?“ Am Ende wird’s doch hoffentlich die Komödie sein, denkt man als Gast und stibitzt noch ein Stück Guglhupf.
KURIER: Was ist der größte Unterschied zwischen dem Führen eines Familienbetriebs und dem Managen im Konzern?Patricia Tomek: Die Identifikation und die Verantwortung sind hier stärker. Hier bin ich für alles zuständig – vom Klopapier bis zum Marketing. Ich arbeite hundert Stunden pro Woche. Manchmal gibt mir die Mama am Sonntag frei (lacht).
Wo nehmen Sie die Kraft her?
Wenn ich ehrlich bin, ich habe keinen Ausgleich. Aber manchmal brauch’ ich eine Ruh’. Dann geh’ ich auf Reisen. Andere Kulturen bringen einen weiter.
Was machen Sie anders als Ihre Mutter ?
Meine Mutter sagt, ich bin eher die Chefin von uns beiden – ich finde allerdings, sie ist es (lacht). Mein Ziel ist es, den Kultcharakter des Hauses stärker herauszuarbeiten. Ich glaube, ich denke unternehmerischer, grenze mich mehr ab vom Betrieb. Meine Mutter wohnt im Hotel, das würde ich nicht tun.
Wie ist es, ein kleines Hotel in nicht zentraler Lage zu führen? Die Hoteldichte in Wien ist groß.
Es ist schwierig, sich gegen die Großen zu behaupten. Wir spielen nicht mit dem Preis. Der Gast findet uns, nicht wir finden den Gast. Wir machen aber aktuell eine Social-Media-Kampagne gemeinsam mit Schülern der Werbeakademie.
Sie haben 2012 den „Verein Familienbetriebe“gegründet – warum?Die Familienbetriebe haben keine Lobby, wir Familienbetriebe haben aber alle dieselben Probleme. Ich wollte, dass sie Gelegenheit haben, einander auszutauschen, kennenzulernen. Und ich wollte, dass die Bevölkerung erkennt, wie viel Wirtschaftsleistung in den Familienbetrieben steckt. Darum habe ich die Plattform www.familienbetriebe.biz gegründet.
Lebenslauf
Nach dem Universitätslehrgang Werbung und Verkauf arbeitete Patricia Tomek von 1993 bis 1995 in der Tell Werbeagentur als Assistent der Geschäftsführung. Von 2000 bis 2001 war sie Marketing Manager für Softdrinks bei Vöslauer, von 2001 bis 2002 bei Coca-Cola für den Bereich Gastronomie zuständig. 2003 wechselte Tomek zu Gourmet Menü, stieg aber bald ins Familien-„Hotel Schwalbe“ ein.
Parallel dazu war Tomek von 2010 bis 2012 Partner in der CP2 Werbeagentur tätig. Ab 2008 war sie Landesvorstand Junge Wirtschaft, seit 2012 Landesvorstand Frau in der Wirtschaft Wien.
Aktuelles in Zahlen
1902 gründete der Urgroßvater von Patricia Tomek das Gasthaus, es wurde in 1950ern zum Hotel.15 Hotelzimmer hat die „Schwalbe“.
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