Den Schwund an Chefs beobachte man vor allem im mittleren Management (das sind etwa Teamleiter oder Abteilungsleiter). Entgegen der landläufigen Annahme ist es aber kein „Jugend-Phänomen“, berichtet Karrierecoachin Diana Huber. Es sei vielmehr generationsübergreifend zu finden.
Stärker bemerke sie es allerdings bei Frauen: „Vor allem bei Frauen mit Kindern, die bereits Chefin waren und wissen, was es bedeutet. Sie möchten nicht mehr am Wochenende arbeiten, 24 Stunden am Tag erreichbar sein und abends Überstunden machen. Ihre Prioritäten haben sich verlagert und sie wollen sich nicht mehr für die Firma ausbrennen.“ Experten-Rollen gefallen Mitarbeitern deswegen besser – und man verdiene in diesen nicht unbedingt wenig. „Heute stehen die persönliche Zeit und ein gesundes Wohlbefinden über der Karriere und dem Geld“, erklärt Lammert-Hejl.
Diana Huber spricht auch aus eigener Erfahrung, denn sie war Chefin und meint nun, dass sich einiges ändern müsste, bevor sie wieder in so einer Position antreten würde: „Ich habe ein Privatleben, das ich nicht mehr hinten anstellen möchte. Das heißt nicht, dass ich weniger ambitioniert bin. Ich würde wieder eine Führungsposition annehmen, aber nicht unter den gleichen Bedingungen wie früher.“
Führungskultur vorleben
Auch ein veraltetes Bild eines Chefs wirke laut Experten abschreckend. Es würden gute Vorbilder fehlen, die eine andere, moderne Führungskultur vorleben, sagt Olympia Blanck. „Bei manchen Unternehmen wird sich die gesamte Organisation ändern müssen. Das klassische Bild vom Allzeitbereit-Chef verschwindet“, sagt Diana Huber.
Bedeutet im Umkehrschluss auch: Unternehmen, die flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Work-Life-Balance anbieten, finden leichter Führungskräfte. Das Problem ist jedoch: Selbst, wenn man Chef werden will, stellt sich die Frage, ob man auch Chef sein kann: „Die Geschäftswelt ist komplexer geworden. Man muss in der Lage sein, schwierige Entscheidungen schnell zu treffen. Es werden vielfältigere Kompetenzen verlangt. Fachliches Wissen reicht längst nicht aus.“ Es braucht hohe soziale und interkulturelle Kompetenzen und Innovationsfähigkeit, so Blanck. Die Erwartungen sind stark gestiegen.
Um in Firmen künftig gute Chefs zu finden, braucht es ein internes „Führungskräfte-Mentoring“, sagt Blanck. Zusätzlich würde eine sinnstiftende Unternehmenskultur jüngere Mitarbeiter dazu inspirieren, die Karriereleiter erklimmen zu wollen. Der Trend der flachen Hierarchien und kollaborativer Arbeitsumgebungen wird nämlich bleiben, sagt Anna Lammert-Hejl: „Die Jugend sucht nach einem Job, der ihnen bedeutungsvolle Aufgaben und direkten Einfluss auf ihre Arbeit ermöglicht, anstatt in einer traditionellen Managerrolle eingesetzt zu werden.“
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