Österreichs Saisonniers: Sie arbeiten, wenn andere urlauben
Wenn Badegäste Seen und Freibäder stürmen, die Kühe auf hoch liegenden Almen grasen und die Menschen Lust auf kühle Erfrischungen haben, mag das nach Entspannung klingen. Für manche aber fängt die Arbeit da erst richtig an. Denn Saisonniers gibt es in so gut wie allen Branchen. Ein Bericht der Statistik Austria aus dem Jahr 2018 zeigt, dass es sich bei 38 Prozent aller Beschäftigungsaufnahmen um Wiedereinstellungen handelt.
Das bedeutet, dass viele nicht das ganze Jahr über bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, aber ein guter Teil der Beschäftigten treu ist und in der nächsten Saison zurückkehrt. Besonders im Bergbau ist ein klares Saisonmuster erkennbar. Zwischenzeitlich sind viele arbeitslos gemeldet, starten in das nächste Saisongeschäft oder müssen als Selbstständige genug erwirtschaftet haben, um im Winter bzw. Sommer über die Runden zu kommen.
Wer saisonal arbeitet und angestellt ist, wird Schwierigkeiten haben, mit dem Geld das gesamte Jahr über auszukommen, sagt der Gehaltsexperte. In der Praxis nehmen deshalb viele junge Menschen oder Arbeitskräfte aus dem Ausland Saisonjobs an. Anders sei die Lage bei Kellnern und Köchen.
„Hier ist es in touristischen Regionen üblich, die Zwischensaison zur Erholung zu nutzen, bevor die Ski- oder Sommersaison wieder beginnt.“ Wer im Tourismus möglichst viel Geld verdienen will, arbeitet saisonal an den Hotspots: Im Winter in Lech am Arlberg oder im Sommer am Wörthersee. „Die Bezahlung einschließlich Trinkgeld ist sehr gut, aber der Job knochenhart“, so Pramböck. „Lange Arbeitszeiten, Nachtarbeit, körperliche Anstrengung mit wenig Erholungspausen.“ Dafür würden Bestverdiener mit mehr als 5.000 Euro netto pro Monat aussteigen.
Pauschal kann saisonale Arbeit aber nicht bewertet werden, da Berufsbilder und ihre Einkommenschancen so unterschiedlich sind, so der Experte. „Für die einen ist es die Ausübung eines bezahlten Hobbys, für die anderen bietet die Zwischensaison die notwendige körperliche Erholung. Und die dritten entscheiden sich für die klassisch österreichische Lösung: Offiziell ein paar Monate beschäftigt und daneben privat ein wenig Geld dazuverdienen.“
Eisverkäuferin: „Es ist jedes Jahr ein kleiner Neustart“
Stefano Perugini war heute schon um 6.15 Uhr im Geschäft. Um 21.30 Uhr wird er auch noch da sein. Das Eisgeschäft in Wien-Floridsdorf führt er mit Ehefrau Bettina, dem Bruder und dessen Ehefrau. Und es läuft. Die Menschen stehen Schlange – bei Schönwetter hundert Meter lang, um ein Eis nach original-italienischer Rezeptur zu genießen.
1998 kamen Stefano und Marco Perugini als junge Männer vom Gardasee nach Wien, um den Eissalon der Familie Pisani zu übernehmen. Der Tipp dazu kam von Freunden der Peruginis, den Zanonis. Das Eisgeschäft von der Pike auf gelernt haben die Brüder dann bei den Serafinis, die noch heute im 20. Bezirk ihr Eis verkaufen.
Die ersten zehn Jahre waren hart, erinnert sich Stefano Perugini. „Wir haben von März bis Oktober jeden Tag 14 Stunden gearbeitet.“ Als dann die Winterpause startete, wurde er fast depressiv. Von Hundert auf Null zu kommen, musste er lernen. Heute wechseln sich die Eisbrüder ab, so kann man auch in den Sommermonaten etwas Zeit mit der Familie verbringen. Denn die Kinder gehen in Wien in die Schule und haben dementsprechend Ferien. Das Geld zum Leben verdient die Familie sehr konzentriert. „Wir haben acht Monate Zeit, um für zwölf Monate alles zu erwirtschaften“, erklärt Bettina Perugini.
Doch auch, wenn die Pause zunächst lang klingt, ist sie das nicht. Denn „es wird alles in den Winter geschoben“, sagt sie. Der November und Dezember sind da, um endlich Freunde und Familie zu besuchen. Ab 6. Jänner fängt das Gedankenkarussell wieder an. Verträge mit Lieferanten müssen neu geschlossen, Personal gesucht werden, damit pünktlich im März aufgesperrt werden kann. „Es ist jedes Jahr ein kleiner Neustart“, merkt Bettina Perugini an. Ein Neustart, auf den sich die Familie freut, aber der immer mit einer kleinen Anspannung verbunden ist.
Surflehrer: „Bei uns ist die Hölle los“
Es ist bewölkt und ein Nieselregen setzt ein. Der Wind bleibt jedoch aus. Nicht die besten Bedingungen für das Windsurfen. Trotzdem ist das Team von „MissionToSurf“ in Podersdorf an Ort und Stelle, sieben Tage die Woche. Immerhin will man das meiste daraus machen, wenn man nur sechs Monate Zeit hat, um richtig Geld zu verdienen.
Ein junger Mann bepinselt sein Surfbrett, während Jugendliche versuchen, auf Übungsbrettern ihre Balance zu halten. Die Stimmung? Entspannt. Stationsleiter und Surflehrer Nic Panne klappt sogar Liegestühle für das Gespräch auf. Seit 2016 ist Panne mit dabei, surft jedoch schon von klein auf: „Es ist meine Leidenschaft.“ In der Hochsaison ist bei ihnen die Hölle los, sagt er. Dabei ständig gute Laune zu verbreiten, „kann auf Dauer schon anstrengend sein. Aber ich bringe die nötige Lebensfreude mit und will diese Energie auch teilen.“
Ob der Surflehrer das auch für immer machen will, weiß er nicht. „Es ist schön, aber es bleibt dadurch vieles auf der Strecke.“ Seine Zukunftspläne bleiben also offen. Er möchte spontan entscheiden. Früher studierte Panne außerhalb der Sommer-Saison BWL in Graz. Oder folgte der Sonne und verbrachte seine Zeit als Surflehrer an Orten wie Sansibar.
Sennerin: „Unser Herz schlägt für die Alpen“
„Ich schlafe hier wesentlich besser als im Tal, wenn auch nicht lange“, erzählt Saskia Hebel. Gemeinsam mit ihrem Partner Erik van der Hoeven betreut sie diesen Sommer die Salzburger Piffalm. Es ist nicht das erste Mal, dass es das Paar auf eine Alm verschlägt. Der Niederländer hat eine landwirtschaftliche Ausbildung, Hebel ist studierte Linguistin und kommt aus Bayern, wo es „mehr Kühe als Menschen gab“, erzählt sie.
2020 verbrachten sie den Corona-Sommer isoliert mit 30 Milchkühen auf einer Alm im Lungau und bemerkten, wie viel Kraft und Ruhe ihnen das gab. Die nächste Internet-Verbindung war 30 Minuten entfernt. Das ist bei der Piffalm heuer anders. Sie liegt an der Großglockner Hochalpen Straße und gehört zur Landwirtschaftlichen Fachschule Bruck. Daher gibt es manchmal Besuch, aber viel Zeit hat das Paar für diesen nicht.
Sie kümmern sich um 26 Milchkühe, rund 50 Jungtiere, zwei Kälbchen, 40 Ziegen, zwei Jungwidder, 60 Schafe, zehn Pferde und ein Fohlen. Wie man da den Überblick behält? „Mit Listen und ständigem Zählen“, sagt Saskia Hebel. Die Alpengegend wieder verlassen, wollen die beiden nicht. Sie suchen gerade ein Haus, um einmal eine Käserei zu eröffnen. Bis dahin wird sich Erik van der Hoeven im Winter wieder als Snowboardlehrer bewerben und auch Saskia Hebel, die in den vergangenen Jahren in Küchen, Cafés und auf einem niederländischen Hof gearbeitet hat, wird sich etwas finden.
Bademeister: „Rettest du jemanden, ist das ein gutes Gefühl“
33 Mal ist Roman Hollaus schon ins Wasser gesprungen, um in einer brenzligen Situation Leben zu retten. Er weiß das genau, denn er führt seit 13 Jahren akribisch Buch darüber. Dass es ihn einmal als Bademeister ins Gänsehäufel verschlägt, war nicht der Plan. Auch, wenn er schon als Kind im Italien-Urlaub einem strauchelnden Badegast zu Hilfe schwamm und fast schneller war als der hiesige Life Guard.
Gelernt hat Hollaus Koch und Fleischhacker, arbeiten wollte er aber bei den „Mistküblern“. Um die Wartezeit bis zur Anstellung zu überbrücken, machte er die notwendigen Prüfungen zum Bademeister und dann seine erste Saison im kultigen Strandbad. Seitdem ist er sechseinhalb Monate im Jahr angestellt, die restliche Zeit „geht er stempeln“ und hält sich mit Bergtouren fit.
Sommerrodelbahner: „Urlaub gibt es im Sommer nicht“
Über einen Kilometer flitzt die Kundschaft der Sommerrodelbahn Koglhof durch die steirische Natur. Für die Sicherheit der bis zu 2.000 Passagiere pro Tag sorgt seit zehn Jahren Betriebsleiter Christoph Schreiner. Gemeinsam mit einem Kollegen ist er täglich vor Ort. „Wir können uns manchmal abwechseln, aber urlauben kann ich im Sommer nicht.“
Früher fuhr er den Schulbus im Koglhof. Als er in den Ferienzeiten eine Anstellung suchte, kam er zur Rodelbahn und blieb. Heute ist das sein Hauptjob. In den Wintermonaten ist er arbeitslos gemeldet, kümmert sich um seine sechs Kinder und seine Landwirtschaft. In der Nähe von Stubenberg betreibt er eine Island-Pferdezucht.
Kioskbetreiberin: „Ich werde unrastig, wenn der Regen kommt“
„Ich bin seit 30 Jahren dabei, das wird seinen Grund haben“, sagt Margarethe Prückler. Sie ist die Chefin von „Sea Point“ einem kleinen Geschäft direkt am Strandbad Neusiedl am See. Alles, was man an einem sommerlichen Tag braucht, ist dort erhältlich: Von Bademode, über Bücher, Snacks, Tabak und Kaffee.
„Die Stadtgemeinde hat damals diese Stelle ausgeschrieben und ich habe mich beworben“, erklärt sie. Parallel führte die heute pensionierte Chefin eine Mode-Boutique, die Arbeit am „Sea Point“ war eine Extrabeschäftigung: „Ich bin gern mit Leuten zusammen und freue mich immer auf Gäste. Deswegen werde ich sehr unrastig, wenn der Regen kommt und die Leute lieber Zuhause bleiben.“
Betreuerin: "Kann mir kaum einen Sommer ohne Camps vorstellen"
Vor fünf Jahren startete Julia als Betreuerin bei young austria, da sie während ihrer Schulzeit ein Praktikum in einem Ferienturnus absolvieren musste: „Daraus hat sich aber sehr schnell eine Leidenschaft für die Arbeit in den Camps entwickelt“, sagt sie. „Die Arbeit im Camp ist unheimlich vielseitig, keine Campswoche gleicht der anderen. Man verbringt viel Zeit in der Natur, was für mich der perfekte Kontrast zum Leben und Studieren in Wien ist.“
Julia hat ihren Bachelor im Bereich Marketing abgeschlossen. Ab September wird sie ein Praktikum absolvieren. Aber: „Zu diesem Zeitpunkt kann ich mir kaum einen Sommer ohne Campswochen vorstellen. Für mich persönlich fühlt sich der Job im Camp gar nicht nach Arbeit an.“
Was ihr besonders gut gefällt? „Die Sprachcamps, in denen Kinder aus der ganzen Welt zu uns kommen.“ Etwa aus Indien, Australien, Spanien, Mexiko und Brasilien: „Oft treffen dann plötzlich zehn Kinder aus zehn verschiedenen Ländern beim Mittagessen aufeinander und unterhalten sich oder spielen eine Runde Uno. Das finde ich als Betreuerin sehr besonders zu beobachten.“
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