Café mit analogen Künsten
In Richtung Praterstern wird die stark befahrene Praterstraße immer unattraktiver. Doch kurz vor dem riesigen Kreisverkehr findet sich zur rechten Hand ein neues Kleinod im historischen Dogenhof. Das "Supersense" ist im Eingangsbereich ein hübsches Café, in dem ältere Damen sitzen. Im hinteren Teil eröffnet sich zwischen goldgestuckten Wänden im venezianischen Stil ein Sammelsurium der analogen Künste: Alte Polaroid-Kameras aus den 1970ern und 80ern am Verkaufstisch, eine Druckwerkstatt daneben. Junge Leute gehen aus und ein, ein Mann mittleren Alters packt seine Gitarre ein und verabschiedet sich auf Holländisch. Er kam kurz zuvor aus dem alten Lift aus Jugendstilzeiten, der mitten im Raum steht: Im "Record Elevator" kann man seine eigene Single-Schallplatte aufnehmen. Dahinter findet sich ein Tonstudio für Live-Aufnahmen und ein seltsam anmutendes Gerät, das einen alten Fernseher mit einem Plattenspieler verbindet. Mit "Vinyl Video" der Medienkünstler Gebhard Sengmüller und Martin Diamant kann man sein Urlaubsvideo auf die Schallplatte bannen und abspielen. Und: Die weltgrößte Polaroid-Kamera steht hier. Das junge Pärchen, das sich gerade damit fotografieren lässt, ist angespannt. Es gibt nur diesen einen Versuch. Um 250 Euro haben die zwei wenig später ein Sofortbild-Poster in Händen.Ein Paradies für Anti-Digitalisten.
Liebe zum Analogen
Mitte Juni haben die Gründer Florian "der Doc" Kaps, Andreas "Lexi" Höller und Nina "Mary Poppins" Ugrinovich den Dogenhof bezogen."Wir wollen eine Plattform für Handwerker und Künstler sein, die ihre Produkte mit Liebe machen", sagt Höller. Gegründet haben die drei "Supersense" als GmbH im Jänner dieses Jahres.
Alle drei verbindet die Liebe zur analogen Kunst und die Vergangenheit: Florian Kaps hatte mit seinem Studienkollegen Andreas Höller einst auf der Online-Plattform "unverkäuflich" unter anderem Polaroid-Instantfilme verkauft. Doch dann kam das Ende des Sofortbildes. Woraufhin Kaps mit Andre Bosman 2009 beschloss selbst Sofortbildfilme zu produzieren. Er holte Höller und Ugrinovich in sein "Impossible Project", bis 2013 ein neues Management das Ruder übernahm. Das Start-up war groß geworden – mit Filialen in den USA und Asien.
Zurück zum Start
"Wir wollten wieder etwas Kleines, Neues aufbauen", sagt Höller, "und mehr in die Breite gehen." Supersense ist die Antipode zur schnelllebigen, digitalisierten Welt, "ein analoges Delikatessengeschäft", so Höller. "Wir sprechen alle fünf Sinne an", ergänzt seine Geschäftspartnerin Nina Ugrinovich. Das Schmecken mit der Melange aus der handgebauten Slayer-Kaffeemaschine. Das Sehen mit den Polaroid-Kameras und den Impossible-Filmen. Das Hören mit dem Tonstudio und das Riechen mit einem analogen Duftlabor, das gerade in Zusammenarbeit mit Duftforscherin Sissel Tolaas entsteht. Und das Fühlen im Allgemeinen.
Das Mobiliar hat das Innendesign-Duo Robin Molenaar & Yvonne Krisch mit Bedacht gesammelt: Die Lampen stammen von Hotels und Banken, die Bar sind aus einem Rollschrank gefertigt, die Tische aus Paletten. Vieles kann der Kunde kaufen: die Vasen, die Gläser und das Kaffeegeschirr. Die ungewöhnlichen Plattencovers aus Beton und Rostmetall von Künstler Gregor Samsa.Die Stelze, die selbst gemachte Marmelade und das "Bierol" der Tiroler Familienbrauerei gibt es auch im Gassenverkauf.
Gegründet hat das Trio mit Eigenkapital und einer Förderung von departure im Wert von 200.000 Euro. Investoren wollen sie nicht: "Das hatten wir bei Impossible, damit wird vieles kompliziert", sagt Andreas Höller. Groß zu werden haben die drei ebenso wenig im Sinn: "Wir wollen keine Filialen von Supersense eröffnen, sondern mit Menschen arbeiten, die wir persönlich kennen."
1. Überlege, ob du wirklich Investoren willst. Unser Lerneffekt aus den Impossible-Zeiten war: Uns ist die Freiheit wichtiger als das Geld. Die Investoren interessiert der Gewinn und sie wollen mitreden – sogar dann, wenn sie Freunde oder Familie sind. Das macht vieles kompliziert. Wir sagen: Wer Geld in unser Unternehmen reinstecken will, muss auch selber mitarbeiten. Denn nur dann versteht er, was wir damit wollen.
2. Gründe am besten mit Leuten, mit denen du schon gearbeitet hast. Befreundet zu sein allein reicht nicht. Wer auf eine gemeinsame Arbeitserfahrung zurückblicken kann, kann die Zusammenarbeit viel besser einschätzen.
3. Mach nur das, was du liebst. Vielen Leuten ist nicht klar, wie viel Nerven, Aufwand, Arbeit und Geduld man in sein Unternehmen stecken muss. Uns macht die Arbeit Spaß, wir freuen uns jeden Morgen, wenn wir Supersense betreten.
4. Die interne Kommunikation ist total wichtig. Wir setzen uns sehr oft zusammen und besprechen die Dinge, die gerade anstehen. Jeder von uns muss über alles informiert sein.
5. Teilt die Kompetenzen untereinander auf. Florian übernimmt eher die strategische Arbeit und das Marketing, Nina ist für die Organisation, die Struktur und die Buchhaltung zuständig, Andreas unter anderem für die Webseite und ebenfalls für die Buchhaltung. Andererseits: Es muss jeder alles machen können. Jeder von uns steht auch mal hinter der Bar.
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