Business-Mode: Lena Hoschek und Co. zeigen, was wir heute im Büro tragen
Ein tiefer Ausschnitt, eine betonte Taille und ein bewusstes Kokettieren mit traditionellen Rollenbildern: So interpretiert die österreichische Modemacherin Lena Hoschek den Auftritt der modernen Business-Frau und widmete diesem jetzt eine ganze Kollektion.
Die Kreationen sind stilistisch trittsicher, wie sie sagt, und doch ist der Aufschrei groß. Zu viel Dekolleté, zu viel Sex-Appeal. Empörungen, die Hoschek höchstens zum Schmunzeln bringen.
Lena Hoscheks erste Business-Linie soll nicht die Letzte sein, zusätzliche Kreationen sind bereits in Planung (im Bild: Boss Lady Jacke)
Lena Hoscheks erste Business-Linie soll nicht die Letzte sein, zusätzliche Kreationen sind bereits in Planung (im Bild: Love Letter Jacke und Daydream Rock)
Lena Hoscheks erste Business-Linie soll nicht die Letzte sein, zusätzliche Kreationen sind bereits in Planung (im Bild: Editor Bluse und Conference Hose)
Lena Hoscheks erste Business-Linie soll nicht die Letzte sein, zusätzliche Kreationen sind bereits in Planung (im Bild: Public Relations Kleid)
Löchrige Jeans und Schlapfen: Das neue Business
Denn der Office-Dresscode hat sich gewandelt und das nicht nur im persönlichen Konzept der Designerin. Anzug und Kostüm wurden vielerorts gegen Birkenstock-Schlapfen und löchrige Jeans getauscht. Eleganten Lederschuhen haben weiße Turnschuhe einen Tritt verpasst.
Die Bluse mit Stehkragen musste dem bauchfreien Top Platz machen, das wiederum mit einer Selbstverständlichkeit zum übergroßen Blazer kombiniert wird. Alles modische Produkte und dadurch im beruflichen Kontext heute keineswegs verwerflich, erklärt Hermann Fankhauser, Mode-Professor an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.
Schuld an unserem legeren Mode-Dasein ist – wie so oft – die Pandemie. Die Gemütlichkeit hat sich vom Sofa in die Arbeitswelt geschlichen. Hierarchien sind optisch flacher geworden.
Selbst im streng konservativen Bankensektor sei es nicht mehr ungewöhnlich, den Berater in Sakko und andersfarbiger Hose anzutreffen, so der Professor. Was „Business“ ist und was nicht, wird zur Auslegungssache. Etwas, das immer mehr Feingefühl erfordert und sich auch in den Kreationen heimischer Modemacher widerspiegelt.
„Nicht jede meiner Kundinnen hat sich die auffälligen Muster meiner regulären Kollektionen im Büro erlauben können“, erzählt Lena Hoschek in ihrem Wiener Atelier in der Längenfeldgasse.
Natürlich hätte es immer wieder Business-taugliche Stücke gegeben, allerdings seien diese saisonal inspiriert und nicht zwingend darauf ausgelegt, sie den ganzen Tag im Großraumbüro zu tragen.
Als Frau so wenig wie möglich zu zeigen, um ja nicht falsch betrachtet zu werden, finde ich fragwürdig.
Daher stünden in der Business-Kollektion die Materialien an oberster Stelle, sagt sie: Dehnbare Stoffe mit Viskose unterlegt, die einen nicht ins Schwitzen bringen und Dienstreisen im Koffer möglichst knitterfrei überstehen. Die Schnitte sind körperbetont, die Farben durchwegs zurückhaltend. Schwarz wird von dunklem Grau und tiefem Rot abgelöst. „Die Kundinnen haben das explizit so verlangt“, erklärt Lena Hoschek.
Farbe, Farbe, Farbe bei der Maßschneiderei Gino Venturini
Ganz anders bei Nicolas Venturini. Er betreibt die Traditionsmaßschneiderei Gino Venturini in zweiter Generation.
Im Geschäft in der Spiegelgasse, im ersten Wiener Bezirk, ruft die Kundschaft: „Wir wollen Farbe, Farbe, Farbe!“. Darauf nimmt Venturini selbstverständlich Rücksicht und ergänzt die Klassiker in Hellblau und Weiß um Exemplare mit gelben Neon-Streifen und auffälligen Drucken.
Nicht alles ist nach seinem Geschmack – er selbst hält die Etikette beruflich wie privat sehr hoch – aber es steht ihm nicht zu, die Kunden zu bevormunden, sagt er. Dabei zeigt er ein blau-weiß-gestreiftes Hemd, das erst auf den zweiten Blick Comic-Szenen des Kamasutra offenbart: „Es gibt keine Venturini-Hemden, nur die Hemden unserer Kunden“, erklärt der Inhaber lächelnd.
Das Wichtigste, das sich geändert hat: Mode ist heute das, was uns gefällt. Gefalle ich mir, steigert das mein Selbstvertrauen.
In seiner Korneuburger Manufaktur bewahrt Venturini 35.000 unterschiedliche Schnitte auf. Die Kundschaft wird trotz starker Konkurrenz von günstigen Mode-Riesen nicht kleiner. „Wir hatten noch nie so viele Neukunden wie in den vergangenen drei Jahren“, verrät Venturini und schreibt das dem Trend der Individualisierung zu.
In Nicolas Venturinis Korneuburger Manufaktur sind bunte Stoffe hoch im Kurs
In Nicolas Venturinis Korneuburger Manufaktur sind bunte Stoffe hoch im Kurs
In Nicolas Venturinis Korneuburger Manufaktur sind bunte Stoffe hoch im Kurs
In Nicolas Venturinis Korneuburger Manufaktur sind bunte Stoffe hoch im Kurs
In Nicolas Venturinis Korneuburger Manufaktur sind bunte Stoffe hoch im Kurs
„Wenn ich in der Business-Welt keine Krawatte mehr trage, muss ich mit dem Hemd meine individuelle Persönlichkeit zeigen“, sagt er. Viel Geld investieren muss man dafür nicht, merkt er an. Ihm ist bewusst, dass sich nicht jeder seine Mode leisten kann, aber mehr Zeit in die Pflege investieren kann jeder:
„Ich kann auch ganz günstige Kleidung kaufen“, sagt Venturini. „Ist sie perfekt in Schuss, schaue ich besser aus als in jedem Maßanzug, der lange nicht gewaschen oder gebügelt wurde.“
Wie sich in der Arbeit gekleidet wird, ist eine Frage der Auslegung. Aber eine Regel gilt es immer zu beachten: Mit der gewählten Kleidung sich selbst und seinem Umfeld den angebrachten Respekt entgegenbringen.
- Wie das geht? Auf das Umfeld achten, eruieren, wie dieses gekleidet ist und versuchen, auf Augenhöhe zu bleiben. Heißt: Die individuelle Persönlichkeit strahlen lassen, aber nicht unnatürlich aufmotzen. Weniger ist in diesem Fall mehr.
- Pluspunkte gibt es: Wenn man sich an der Chefin oder am Chef orientiert. Tragen Vorgesetzte gerne Jeans und Sneaker in die Arbeit, wäre es unangemessen, sich mit Anzug, Krawatte und Stecktuch über sie zu erheben. Zum Klon werden sollte man aber auch nicht.
- Wie bei allem gilt: Die Balance halten. Bei seinen Farben bleiben und sich nicht verkleiden.
Was tragen, wenn (fast) alles erlaubt ist?
„Wir leben in einer luxuriösen Zeit, in der es keine strengen Vorschriften mehr gibt“, fasst Lena Hoschek den Trend der Business-Mode zusammen. „Die Freiheit, die wir gewonnen haben, ist eine sehr große. Allerdings kommt sie auf den Job und die Position an.“
Denn was getragen werden darf und was nicht, ist und bleibt branchenabhängig. „Angemessen gekleidet zu sein, gehört aber immer dazu“, merkt Modeexpertin Nicole Adler an. Denn aus dem Auftreten würden sich Codes ablesen lassen, die eine klare Botschaft nach außen kommunizieren. „Wer diese gut einzusetzen weiß, ist klar im Vorteil“, sagt Adler.
Von der Politik könne man sich übrigens abschauen, wie es um den Kodex der Kleidervorschriften gerade bestellt ist. War vor Corona die Krawatte noch völlig geläufig, sind nur noch die wenigsten damit unterwegs. „Ein deutliches Zeichen, dass die ganze Sache entspannter geworden ist“, so Uni-Professor Hermann Fankhauser.
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