Ein Nährboden für Konflikte
Als Chef müsse man bereit sein, eine logische Argumentation auf sachlicher Ebene zu führen, setzt Maulide fort. Ist das gegeben, akzeptiert er jegliche Kritik. Eine positive Haltung, die dem Chemiker leicht zu fallen scheint. Allein während des Gesprächs wird sein Charisma deutlich. Er lacht viel, nimmt kein Blatt vor den Mund und versucht komplexe Themen einfach herunterzubrechen, ohne dabei überheblich zu wirken.
Trotzdem oder vermutlich genau deswegen wird er im Arbeitsalltag mit viel Emotionalität konfrontiert. Nicht selten komme es vor, dass ein Mitarbeiter in seinem Büro in Tränen ausbricht. „Das gehört zum Forschen dazu“, meint er. „Wir sind im Bereich der experimentellen Chemie. Arbeiten oft eng in einem Labor zusammen und das mehrere Stunden am Tag.“ Ein Nährboden für Konflikte.
„Manche Teams passen nicht zusammen“, so der Forscher. „Es ist wie im Fußball. Taktik und Strategie sind das Einfachste. Der menschliche Faktor ist die Herausforderung.“ Da sei es gut, dass es im Team eine höhere Fluktuation gibt. Probleme würden sich so von selbst lösen. Sein Team besteht nämlich aus 20- bis 35-jährigen Doktoranden oder Postdoktoranden, die meist schnell weiterziehen. Niemand würde wirklich länger als drei Jahre bleiben. In der Forschung sei das ganz normal und bei gewissen Teamkonstellationen eben ein Vorteil.
So knallhart sind wir nicht
Aber auch sonst sieht Maulide Rotationen positiv. Mit Abwechslung gehe eine Erfrischung einher. „Bleiben, heißt Stagnation.“ Ein Todesurteil für die Forschung.
Das allein garantiere jedoch noch nicht den Erfolg in der Wissenschaft. Es brauche auch Exzellenz. Etwas, das eine richtige Person in ein Team oder gar eine ganze Institution bringen kann. „In Europa sind wir etwas zu sozial. In Amerika ist man strenger, sehr leistungsorientiert. Wenn man die Voraussetzungen nicht erfüllt, bekommt man den Job nicht. So knallhart sind wir nicht.“ Was nicht heißt, dass man nur Koryphäen einstellen sollte: „Aber es braucht ausgewählte Stars. Sonst gewinnt die Mittelmäßigkeit.“
Von der Mittelmäßigkeit weit entfernt, scheint die österreichische Forscherszene zu sein, die heuer mit 24 ERC-Grants einen Rekord brechen konnte. Diese Förderpreise werden seit 2017 vom Europäischen Forschungsrat (ERC) an exzellente Wissenschafterinnen und Wissenschafter vergeben. „Das ist bemerkenswert“, so Maulide – und wichtig, denn ohne Förderungen wäre Forschung schwer möglich. Dabei rentiert sie sich, steigert die Attraktivität eines Standorts, bringt Verbesserungen in Gesellschaft und Technologie.
Grants werden gerne missverstanden, meint Maulide: „Mein Mechaniker hat gelesen, dass ich ein Millionen-Grant bekommen habe und gefragt, ob ich jetzt reich bin. Ich musste erklären, dass das Geld nicht an mich persönlich geht.“
Stattdessen würde es in Materialien, kleinere Geräte, größeres Equipment, und in Gehälter investiert. Reichen würde es oft „nur“ für fünf Jahre. Für diese Zeitspanne sind die meisten Projekte ausgelegt. „Das heißt, dass man als Forscher ständig Anträge schreibt, um die Zeit zu überbrücken. Es ist wie in einem Hamsterrad. Aber das ist gut. So kann man seine Forschung weiterdenken und kommt auf neue Ideen.“
Ein Traumberuf (?)
Eine wichtige Fähigkeit, wie Maulide betont. Denn oft werden Anträge abgelehnt: „Zur Wissenschaft gehört ein hohes Frustrationspotenzial. 90 Prozent der Versuche, die wir machen, scheitern.“ Aber genau das scheint Nuno Maulide anzuspornen.
Was ihn in die Wissenschaft gezogen hat? „Die Liebe zu lehren. Es hat mein Leben geprägt.“ Er wollte nie Astronaut oder Fußballer werden. Sondern „Lehrer von allem“, sagt er. Ein Traum, den er sich als Professor erfüllen konnte. Obwohl er eines bereut: „Ich wäre gerne noch Fußballtrainer geworden“, gibt er zu. Was nicht ist, könne aber noch werden. „Vielleicht liest ein österreichischer Verein ja diesen Beitrag und bietet mir eine Stelle an“, lacht der Chemiker.
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