Überreif für die Zentralmatura

Start der Zentralmatura verschoben: Bundesschulsprecherin Conny Kolmann, ÖVP-Bildungssprecher Amon, Bildungsministerin Schmied (v. li.)
Die meisten Staaten haben längst zentral erstellte Reifeprüfungen – nur Österreich und Liechtenstein üben noch.

Wie schwer es ist, in Österreich Reformen im Bildungsbereich durchzuführen, hat Unterrichtsministerin Claudia Schmied diese Woche zum wiederholten Mal erfahren müssen. Die schriftliche Zentralmatura wird an den AHS nicht wie geplant 2014, sondern erst ein Jahr später eine Premiere erleben. Und das auch nur, wenn die Reform in den kommenden drei Jahren nicht gekippt wird.

Vergleichbar

Neu ist das Thema Zentralmatura in Europa nicht, es lohnt ein Blick über den Tellerrand, also über Österreichs Grenzen: Tatsache ist, dass in der überwiegenden Zahl der europäischen Staaten die Reifeprüfungen zentral vorgegeben wird. Nur in Österreich, Belgien, Island und Liechtenstein dürfen die Schulen noch autonom über die Prüfungsfragen entscheiden, wobei Österreichs Matura noch am ehesten mit der Reifeprüfung in Liechtenstein vergleichbar ist.

Anspruch

Überreif für die Zentralmatura

"Ja, wir und Liechtenstein. Allerdings gibt es in Liechtenstein nur ein Gymnasium", sagt Gabriele Friedl-Lucyshyn. Sie ist Leiterin des Wiener Zentrums für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung (Bifie), und entwickelt dort seit Jahren die neue Zentralmatura. "Wir können uns ja nicht als eines von zwei Ländern von Europa ausschließen, es muss ja europaweit vergleichbare Abschlüsse geben. Das muss unser Anspruch sein", findet die Bildungsexpertin.

Dabei ist zu erwähnen, dass in Belgien und Island nicht einmal externe Prüfer an die Schulen zur Reifeprüfung kommen. In Spanien und Schweden findet keine Abschlussprüfung statt, das Jahr endet auch in der letzten Schulstufe mit der Zeugnisvergabe. "Derzeit sind die Schweden dabei, auch eine zentrale Reifeprüfung zu entwickeln. Da sind wir in etwa am selben Entwicklungsstand", weiß die Schulexpertin.

Das Vorbild für die Zentralmatura ist aber ohne Zweifel Frankreich: Dort wird die Reifeprüfung, das "Baccalauréat", Jahr für Jahr an allen Schulen am selben Tag zur selben Stunde mit denselben Fragen abgehalten. Je nach Schultyp gibt es das Baccalauréat général, dann das Baccalauréat technique für Hotelfachschulen oder medizinische oder soziale Berufsschulen und das Baccalauréat professionnel der vorwiegend technischen Berufsschulen. "Frankreich hat die zentrale Prüfung seit sehr langer Zeit", erklärt Friedl-Lucyshyn. Genau genommen seit 1808 – initiiert vom damaligen Kaiser Napoléon Bonaparte. Neun Staaten, darunter Großbritannien, Italien und Irland, haben Frankreich auch für ihren Schulabschluss als Vorbild genommen, schriftliche und mündliche Fragen werden zentral vorgegeben.

Österreichs Modell (siehe unten) mit zentral vorgegebenen schriftlichen Prüfungen und von den Lehrern vor Ort vorgegebenen mündlichen Fragen gibt es bereits in fünf Staaten – Dänemark, Niederlande, Polen, Slowakei und Estland.

 

Deutschland

In 15 der 16 deutschen Bundesländer werden die Fragen für das schriftliche Abitur vom jeweiligen Ministerium vorgegeben, lediglich in Rheinland-Pfalz existiert nach wie vor das dezentrale Abitur. Die mündliche Prüfung ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt, zumindest eine mündliche Prüfung ist verpflichtend. Meist können Schüler versuchen, ihre Note durch eine zusätzliche mündliche Prüfung zu verbessern, um einen besseren Notenschnitt zu bekommen. Der kann wichtig sein, um Studien mit Numerus clausus beginnen zu können.

Neuer Fahrplan für die MaturaEigentlich hätten im Frühjahr 2014 erstmals die Schüler der AHS eine Zentralmatura absolvieren sollen, die berufsbildenden Schulen ein Jahr später. Weil aber der Widerstand der Schulpartner von Eltern-, Schüler- und Lehrervertretern zu groß wurde, hat das Ministerium alles um eine Jahr verschoben.

Allerdings sollen jene Schulen, die sich bereits ausreichend vorbereitet fühlen, wie bisher geplant 2014 (AHS) beziehungsweise 2015 (BHS) mit der neuen Matura beginnen können. Dabei müssen jeweils zwei Drittel der Eltern-, Schüler- und Lehrervertreter der jeweiligen Schule zustimmen.

Prüfung: Die Zentralmatura – eigentlich heißt sie standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung – besteht aus drei Säulen: Wirklich zentral ist dabei nur der Kern der Reifeprüfung, die am selben Tag in ganz Österreich in den Fächern Deutsch, Mathematik und den Fremdsprachen stattfindende schriftliche Matura mit identen, zentral vorgegebenen Aufgabenstellungen. Dazu kommen noch eine vorwissenschaftliche Arbeit oder eine Diplomarbeit sowie eine mündliche Prüfung. Die jeweiligen Klassenlehrer beurteilen die Arbeiten anhand eines standardisierten Rasters.

Mündlich: Je nach Zahl der schriftlichen Klausuren müssen außerdem zwei oder drei mündliche Prüfungen abgelegt werden. Gewählt werden darf aus allen Pflicht- oder Wahlpflichtgegenständen mit mindestens vier Wochenstunden. Die Lehrer stellen mindestens drei und maximal 24 Themen zusammen. Daraus zieht der Schüler zwei und muss sich für eines entscheiden. Dazu wird ihm eine vom Lehrer vorbereitete Frage gestellt. Die Prüfung dauert maximal 20 Minuten.

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