Neue Ideen braucht die Welt

Beim Science-Slam, der im Rahmen der Researchers’ Night stattfindet, stellen junge Wissenschaftler ihre Ideen und Projekte vor
Bei der European Researchers’ Night stellen Jungforscher neueste Projekte vor.

Das wird knapp. Marlies Rybnicek hat sechs Minuten Zeit, um das Publikum im Saal von ihrem Projekt zu überzeugen. Mit Attrappen und Worten – möglichst kreativ. Die 31-Jährige nimmt kommenden Freitag beim Science-Slam teil, der im Rahmen der "European Researchers’ Night" in Wien stattfindet.

Neue Ideen braucht die Welt
fh st. pölten
Beim "Slam" – was man als "Turnier" bezeichnen kann – geht es darum, "komplexe Forschungsthemen verständlich und unterhaltsam zu vermitteln", sagt Rybnicek. Gemeinsam mit Kollegen arbeitet sie am Institut für IT-Sicherheit der FH St. Pölten unter anderem daran, dass Smartphones ihren Benutzer erkennen. "Wir gehen davon aus, dass jeder Benutzer sein Handy einzigartig verwendet – wie er wischt, wie er tippt, wie er es hält oder wenn jemand geht – das sind Merkmale, anhand derer das Handy erkennt, ob ich auch wirklich ich bin. Bisher hat man immer nur statisch entweder Bilder aufgenommen oder Fingerabdrücke abgenommen."

Zugang ohne PIN

Biometrie nennt sich der Bereich, in dem Rybnicek arbeitet. "Es geht darum, wie ich einen Menschen modellieren kann, wie ich einem System beibringen kann, dass es den Nutzer identifiziert. Biometrie ist eine Alternative zu herkömmlichen Zugangskontrollen, einem PIN oder einer Karte." Diese neue Art der Authentifizierung kann im Unternehmensbereich genutzt werden oder in Krankenhäusern, wenn es um den Zugang zu Medikamenten oder Geräten geht.

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fh st. pölten
Wie man Objekte beleben kann, ohne Technik sichtbar zu machen, beschäftigt Matthias Husinsky seit Jahren. Der 32-jährige Medientechniker und FH-Dozent am Institut für Creative\Media/Technologies in St. Pölten ist bei der "Researchers’ Night" mit mehreren Projekten vertreten. Nicht als Science-Slammer, sondern als einer von vielen Wissenschaftlern, die an diesem Tag ihre Forschung einem breiten Publikum vorstellen wollen und diese auch testen lassen. Eines seiner Projekte ermöglicht Besuchern, 360-Grad-Panoramabilder durch Gesten zu steuern. Sie können mittels Körper- und Handbewegungen im Panorama navigieren. "Wenn ich etwa nach vorne gehe, dann zoomt man in das Bild hinein, wenn man zurückgeht, zoomt man zurück." Mittels Fingerzeig ruft der Mensch Informationen zur Stadt auf.

Virtuelles Schaufenster

Ähnlich funktioniert das Projekt eines seiner Studenten: das virtuelle Schaufenster. Ein Produkt – zum Beispiel ein Schuh – wird hinter ein durchsichtiges Display gestellt, auf dem Zusatzinformationen aufgerufen werden können.

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Mittels Gesten und Fingerzeig können Menschen mit dem Display interagieren und den Schuh um die eigene Achse drehen. "Wenn ich von links nach rechts winke, dann macht der Schuh eine Drehung. Man greift diesen Schuh nicht real an, aber virtuell – und dann bewegt er sich mit", erklärt Husinsky. Er ist vom Potenzial dieser Installationen überzeugt, gleichzeitig überwältigt, da sich die Technik so schnell weiterentwickelt. "Mir tut es um die Zeit leid, in der ich mich nicht damit beschäftigen kann. Es geht so rasant und es ist auch alles so leicht zugänglich." Damit meint Husinsky vor allem die nötige Grundtechnik wie Sensor und Kameras. Jene, die für Computerspielindustrie gebaut wurden, können zum Beispiel für Installationen in Museen, Ausstellungen und Geschäften oder für die Gesundheitsvorsorge sowie Rehabilitation benutzt werden. Er nennt ein Beispiel: "Ein Patient, der in der Physiotherapie Übungen macht, kann sie aufzeichnen und dem Therapeuten schicken, damit er sie beurteilen kann. Diese Kamera nimmt Position und Haltung auf."

Der Medientechniker ist überzeugt, dass in Zukunft alles ein Eigenleben haben wird. "Jedes Objekt wird eine größere Intelligenz besitzen." Dennoch sieht er diese Entwicklung differenziert. "Man kann diese Dinge nicht aufhalten, weil sie sehr viele Vorteile bringen, aber auf der anderen Seite ermöglichen sie Sachen, die nicht begrüßenswert sind." Kritisch sieht er etwa die Drohnen-Technologie, die zwar für die Luftfotografie Vorteile bringt, aber gefährlich wird, wenn sie zur Kriegsführung eingesetzt wird.

Mit möglichen Nachteilen ihrer Innovationen beschäftigt sich auch Marlies Rybnicek. Die biometrische Gesichtserkennung muss sicher entwickelt und verschlüsselt werden, damit das System nicht überlistet werden kann. "Der Benutzer sollte sich keine Gedanken mehr darüber machen müssen."

Info:

Bei der European Researchers’ Night stellen junge Wissenschaftler ihre Projekte und Forschungsergebnisse vor. Der Event findet gleichzeitig in 300 europäischen Städten statt. In Österreich wird er von der FH St. Pölten ausgerichtet. Sie findet am 26.09.2014 ab 17.00 in der Aula der Wissenschaften statt, Wollzeile 27a, 1010 Wien. Der Eintritt ist frei.

Das Prinzip des Science- Slam funktioniert ähnlich wie beim Poetry Slam. Statt junger Schriftsteller, die ihre Texte präsentieren stehen junge Wissenschaftler auf der Bühne. Sie versuchen innerhalb von sechs Minuten ihre Arbeit vor großem Publikum einfach und unterhaltsam zu präsentieren. Nach Ablauf der Zeit ertönt eine Melodie, die dem Teilnehmer das Ende signalisiert – er muss von der Bühne.

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BILD zu OTS - Martin Moder, Gewinner Science Slam 2014
Zum Schluss bewerten die Zuschauer im Raum, welche Darbietung am überzeugendsten war in Punkto Rhetorik, Thema und Präsentation. Der Sieger bekommt die "Science-Slam-Medaille" verliehen. In Deutschland ist diese Art von Wissenschaftsveranstaltung weit verbreitet, seit 2010 findet sie auchin Österreich statt. Einer der bekanntesten "Slammer" ist der Wiener Molekularbiologe Martin Moder vom IMBA. Er gewann im vergangenen Juni das Science-Slam-Europafinale in Kopenhagen – im Kostüm einer Fruchtfliege.

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