Bestens ausgebildet - aber wofür?

Bestens ausgebildet - aber wofür?
Das Angebot an hoch qualifizierten Arbeitskräften steigt – und zwar viel stärker als die Nachfrage.

Ein neuer Intensiv-Kurs für Arbeitslose sorgte kürzlich beim Jobcenter im deutschen Osterode am Harz für Aufsehen: Ein „De-Qualifizierungs-Kurs für Akademiker“ warb mit folgendem Inhalt: „In diesem Kurs versuchen wir, durch Erlernen eines zielgruppenspezifischen Vokabulars, angepasste Kleidung und gezielte Verhaltensänderungen auch aus promovierten Geisteswissenschaftlern wieder echte Männer zu machen“. Das Angebot sei nicht echt, sondern nur ein kleiner Scherz gewesen, klärte das Jobcenter nach wütenden Protesten umgehend auf.

So kurios die Geschichte ist, es gibt einen ernsten Hintergrund: die Überqualifizierung. Europaweit nimmt die Zahl an bestens ausgebildeten Arbeitskräften stärker zu als die Zahl an adäquaten Arbeitsplätzen. So prognostiziert das Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP), dass im Jahr 2020 weiterhin die meisten Beschäftigungsmöglichkeiten im mittleren Qualifikationssegment bestehen werden. Matura­niveau also, nicht aber Akademiker. Für Österreich prognostiziert die Studie, dass 2020 lediglich 13 Prozent der Erwerbstätigen über ein niedriges Bildungsniveau verfügen werden, hingegen schon jeder Dritte über einen höheren Abschluss verfügt. Die meisten Jobs wird es aber auch 2020 im Verkauf, im Tourismus und im Gesundheitssektor – vor allem Pflegeberufe – geben.

Österreichs Rückstand bei der Akademikerquote wird in der Studie weniger dramatisch gesehen als im jüngsten OECD-Bericht“, erläutert Annika Schönauer von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (Forba) in Wien.

Zwar hätten Akademiker nach wie vor die besten Jobchancen, aber immer mehr seien für die angebotenen Stellen schlicht überqualifiziert.
Die von Klein- und Mittelbetrieben geprägte österreichische Wirtschaft klagt nicht über Akademikermangel, sondern über Facharbeitermangel. Einer Umfrage der Wirtschaftskammer zufolge suchen die Betriebe in den nächsten Monaten rund 150.000 zusätzliche Mitarbeiter, davon aber lediglich 8000 Fachhochschul- oder Uni-Absolventen. Den größte Arbeitskräftemangel gibt es in technisch-handwerklichen Berufen und in der Gastronomie.

Keine Doktoren

In Deutschland häufen sich Berichte, wonach ein Doktor-Titel den Jobeinstieg zunehmend erschwert. Vor allem Sozial- und Geisteswissenschaftler gelten nach der Promotion für viele Jobs in der Wirtschaft schlicht als überqualifiziert und werden abgelehnt. „Viele Leute verschweigen ihre Promotion, wenn sie sich bewerben“, sagt verdi-Gewerkschafter Matthias Neis im Spiegel. Ein Job weit unter ihrem akademischen Niveau werde zur Regel. Und auch die Uni-Karriere wird schwieriger, weil das Angebot an Bewerbern viel stärker steigt als die Nachfrage.

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