Berufsdetektiv: "Für Gerichte sind wir professionelle Zeugen"
Es dämmert bereits, als Thomas Sturm zum vereinbarten Treffpunkt kommt. Im Anzug und mit Aktenkoffer. Seit über zwanzig Jahren führt er seine eigene Detektei in Wien. Detektiv war er aber schon immer, wie der KURIER später erfährt.
„Entschuldigen Sie bitte, dass es mit den Fotos so ungewöhnlich ist“, sagt Sturm zur Begrüßung. Fotos sollen nicht gemacht werden. Zumindest keine, auf denen er erkennbar ist. „Ich weiß, es gibt Kollegen, die kein Problem damit haben. Aber das sind Leute, die überwiegend im Büro sitzen. Schreibtisch-Detektive.“ Für jene, die aktiv draußen sind, könne es nachteilig sein, wenn Fotomaterial im Netz auftaucht, erklärt er. Und vielleicht sogar zu einem unglücklichen Zusammentreffen mit einer Zielperson führen. Bedeutet für ihn: äußerste Vorsicht. „Man weiß nie, was den Leuten einfällt.“
KURIER: Müssen Sie sich als Privatdetektiv immer so bedeckt halten?
Thomas Sturm: Vorweg: Wir verwenden den Begriff Berufsdetektiv. Privatdetektiv schwirrt herum, aber das ist falsch. Der fundierte Berufsdetektiv hat eine Bewilligung und ist behördlich genehmigt.
Ich verstehe.
Wir müssen immer etwas vorsichtig sein. Es ist ein Beruf, der mit gewissen Risiken verbunden ist. Zu unserem Gewerbe gehören etwa auch der Personenschutz und das Bodyguarding. Deswegen führen wir Schusswaffen. Zum Selbst- und Fremdschutz.
Es gilt strengste Geheimhaltungspflicht: Dürfen Sie uns überhaupt etwas erzählen?
Wir haben eine Verschwiegenheitspflicht, die gewährleistet sein muss. Das ist in der Gewerbeordnung verankert und fängt schon beim ersten Telefonat an. Selbst wenn es nicht zu einem Auftrag kommt. Grundsätzlich kann der Kunde uns aber auch davon entbinden. Wenn wir zum Beispiel vor Gericht aussagen sollen.
Als Zeugen?
Als Berufszeugen. Dafür werden wir auch bezahlt. Das ist völlig legitim. Berufsdetektive sind nichts anderes als professionelle Zeugen, die Sachverhalte dokumentieren. Wir sind Teil der Judikatur, eines funktionierenden Rechtssystems und einer Demokratie. In einer Diktatur gibt es keine Berufsdetektive.
Gibt es Sonderrechte?
Nein, wir haben „nur“ Jedermannsrechte. Aber wir wissen, wo und wie wir diese einsetzen können. Bei einem Diebstahl zum Beispiel. Das ist eine strafbare Handlung und ich dürfte einen Ladendieb laut Strafprozessordnung anhalten. So etwas muss man aber wissen und unterscheiden können. Gefährliche Drohung, Hausfriedensbruch, Besitzstörung, in all diesen Bereichen bewegen wir uns und da braucht es rechtlich fundiertes Wissen.
Detektive stellt man sich in einem Auto sitzend vor, mit einer Kamera in der Hand. Stimmt dieses Bild?
Vor 30 Jahren ist man stundenlang, wenn nicht sogar die ganze Nacht in einem Auto gesessen. Das gibt es immer noch, aber nicht mehr so häufig. Stattdessen wird es digitaler. Man muss aber auch hier wissen, was rechtlich möglich und erlaubt ist.
Was ist alles erlaubt?
Daten kann ich sammeln, wie auch immer ich will. Fotografieren in der Öffentlichkeit ist erlaubt. Die meisten wissen das nicht. Das Problem ist die Weitergabe, was man mit diesen Daten macht. Hier kommt man nämlich in das Datenschutzrecht. Die Frage ist also: Was gebe ich dem Auftraggeber weiter. Was ist angemessen? Ich kann ihm nicht alles überreichen, sondern zielgerichtet nur das, was für den Fall relevant ist. Wir dürfen auch nicht einfach so Aufträge annehmen. Der Kunde muss berechtigtes Interesse nachweisen.
Lehnen Sie Aufträge ab?
Ja, etwa klassische Kaufhausdetektiv-Jobs. Auch Ehe-Kausen mache ich ungern. Wenn jemand anruft und sagt, dass er wissen will, ob seine Frau ihn betrügt, verweise ich auf andere Kollegen oder rede es ihm ganz aus – außer es geht um viel. Es hat meistens aber keinen Sinn, dass Kunden Geld investieren, nur damit man feststellt, dass der Partner sich irgendwo für ein paar Stunden aufgehalten hat. Das hat rechtlich oft keine Relevanz.
Wo liegt Ihr Fokus?
Ich bin im Wirtschaftssektor auf Schuldnersuche. Rechtsanwälte und Unternehmen sind meine Stammkunden. Sie rufen mich an und sagen, dass sie in einem Zivilrechtsverfahren Beweismittel brauchen. Ich suche zum Beispiel – das kann ich sagen, ohne dass ich die Verschwiegenheitspflicht verletze – aktuell jemanden, der eine halbe Million Euro veruntreut hat. Ich recherchiere Adressen, Kontaktpersonen und verfolge die Zielperson.
Woran erkennen Sie, dass eine Zielperson schuldig ist?
Im Grunde ist ein guter Berufsdetektiv ein Psychologe. Wir können Menschen einschätzen mit ihren Blicken und ihrer Körpersprache. Aber wir orientieren uns immer an Fakten. Das ist das Entscheidende. Es braucht handfeste Beweise, die auch gerichtlich anerkannt sind.
Gibt es spezielle Werkzeuge, die Sie immer dabeihaben?
Er deutet auf die Gegenstände, die vor uns am Tisch liegen. Handy, Smartwatch, Ausweis, Pfefferspray – und ein Autoschlüssel. Angeblich kann der Schlüssel mehr als nur Autos aufsperren. Was genau, bleibt geheim.
Wenn Sie aber nach Fähigkeiten fragen, braucht es Menschenkenntnis. Die Fähigkeit, sich auf das gegenüber einzustellen und in ein Gespräch zu verwickeln. Sie vielleicht dazu zu bringen, Informationen preiszugeben, die sie sonst nicht wirklich teilen würden.
Wie ist das mit Spuren: Hinterlässt jeder eine?
Da sind wir in der Tatortanalyse. Je nach Spur gibt es eigene Zugänge. Zum Beispiel DNA-Spuren. Wir sitzen in einem Café und trinken aus einem Glas. Das hinterlässt Finger- und Lippenstiftabdrücke, die man verwerten kann. Es gibt Fälle, in denen das tatsächlich passiert ist und wir ein Glas sichergestellt haben.
Das darf man?
Die Frage, ob ich das Glas mitnehmen darf, ist eine andere. In einem Restaurant könnte das Diebstahl sein. Aber grundsätzlich ist es möglich.
Das sind aber nicht die einzigen Spuren.
Die anderen Spuren sind digital. Wir sind derart vernetzt, dass wir ständig Spuren hinterlassen. Jede Bewegung mit der Kreditkarte, mit dem Handy, dem Fahrzeug oder Smartgeräten ist registriert. Wenn ich jemanden überwache, wären digitale Spuren ideal, aber die sind datengeschützt.
Sind Kunden immer mit der Aufklärung zufrieden?
Manche sind unzufrieden. Es ist wie beim Arzt. Man zahlt nicht für das Ergebnis, sondern für die Behandlung. Und Aufträge verlaufen nicht immer so, wie erhofft.
Inwiefern?
Es kann sein, dass man stundenlang observiert und genau im entscheidenden Moment die Müllabfuhr die Sicht versperrt. Da hat man einfach Pech gehabt. Wir kämpfen ständig gegen Murphys Law.
Sind Menschen eigentlich misstrauischer geworden?
Insgesamt schon. Durch Kriminalitätsprobleme und Medienberichte sind sie sensibilisiert. Was an sich nichts Schlechtes ist. Gerade bei älteren Menschen. Es geht um Sicherheit. Für einen Detektiv ist es aber nachteilig, weil er dann eher entdeckt wird.
Wie verhält man sich, wenn man aufliegt?
Je länger man an einer Person dran ist, desto größer die Gefahr, dass man auffällt. Deswegen braucht es sogenannte Legenden, Vorwände, warum man sich dort aufhält. Manche Kollegen sind so gut darin, dass sie sich jeder Umgebung anpassen können. Als Bauarbeiter zum Beispiel. Wenn man trotzdem entdeckt wird, muss man versuchen möglichst ruhig und unauffällig wieder rauszukommen. Wenig Wirbel zu machen.
Waren Sie schon in gefährlichen Situationen?
Als junger Mann hatte ich einen Fall, der mich in ein Unterweltslokal geführt hat. Ich habe mich erkundigt und ganz wichtig gefühlt. Wie ein Superheld. Als ich das Lokal wieder verlassen habe und zu meinem Auto gegangen bin, folgte mir ein Unterweltler. Er hat mein Kennzeichen gesehen und ich wäre fast aufgeflogen. Seit dem Erlebnis schaue ich immer über die Schulter.
Sie sind also auch misstrauischer geworden.
Man wird aufmerksamer. Das ist berufsbedingt eine Grundlage. Je länger man im Job ist, desto sicherer kann man gewisse Situationen bewältigen. Aber man muss eine Balance finden und Distanz aufbauen, damit man sich nicht zu sehr von den Fällen mitziehen lässt oder gar in einen Verfolgungswahn fällt.
Thomas Sturm ist seit über 25 Jahren in der Informations- und Sicherheitsbranche tätig. Seine Karriere startete er unter anderem als Kaufhausdetektiv, Detektivassistent und als rechte Hand von Walter Penk-Lipovsky, einem der erfolgreichsten Detektive Österreichs
Mit 26 Jahren absolvierte er die Befähigungsprüfung und war somit der jüngste staatlich geprüfte Detektiv des Landes. 1989 gründete die staatlich konzessionierte Detektei „Sturm Berufsdetektive“
Wie man Berufsdetektiv wird
Neben der Polizei und dem Bundesheer gibt es im Privatbereich auch Detektive, die berechtigt sind, bewaffneten Personenschutz durchzuführen, erklärt Berufsdetektiv Thomas Sturm. Berufsdetektive zählen deswegen gewerberechtlich zum Sicherheitsgewerbe.
Um Detektiv werden zu können, muss man die staatliche Befähigungsprüfung absolvieren. Antreten kann man jedoch nur, wenn man vorstrafenfrei ist und praktische Berufserfahrung vorweisen kann, z. B. als Detektivassistent. Eine eigene Ausbildung gibt es nicht. „Als Detektiv lernt man in der Praxis, direkt im Job“, so Sturm. Prüfungsthemen sind u. a. Straf- und Verwaltungsrecht.
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