Aus eigener Erfahrung

Verena Hirss gründete ihren eigenen Wetterblog:
Ohne Vorkenntnisse gibt es keine Jobs. Verena Hirss hat eine Lösung kreiert: Sie macht sich die Erfahrung selber

Verena Hirss setzt ihr heiterstes Gesicht auf: "Willkommen bei meinwetter.tv. Wir sind heute an einem ganz besonderen Ort für Meteorologie-Süchtige: Der höchsten Wetterwarte Wiens, der Jubiläumswarte. Und da schauen wir gleich mal hinauf", sagt Verena Hirss. Kamera aus. Entspanntes Gesicht: "Ich bin zufrieden. Du?". Kamerafrau Raphalea Lukas: "Das war gut." Die erste Einstellung ist im Kasten. Ohne Klimbim, ohne Heerschar an Produzenten, Stylistin, Kameraleuten und unbezahlbarem Equipment produzieren die beiden die 41. Folge von Hirss’ Wetter-Blog meinwetter.tv – trotzdem erstaunlich professionell. Geld ist nicht ihr Anreiz, eine runde Sendung zu produzieren – sie verdienen damit keinen Cent. All die Arbeit dient dem Sammeln von Erfahrung.

Lukas studiert noch, Hirss schloss vergangenes Jahr das Meteorologie-Studium an der Universität Wien ab. Beide hörten schon oft: "Wir stellen keine Anfänger ein" und "Sie brauchen Erfahrung".

Nach einer dieser Absagen im Herbst dachte Verena Hirss: "Dann mache ich mir die Erfahrung eben selber." Einen Monat arbeitete sie am Konzept für ihren Blog, gestaltete Wetterkarten, lernte durch Bücher und Online-Tutorials wie man Videos produziert und schneidet, kaufte Equipment und suchte per Annonce Kameraleute – fünf wechseln sich heute ab. Seit 41 Tagen steht Hirss täglich früh auf, macht sich mit einem Kameramenschen auf den Weg zu einer auserwählten Location, die das Thema Wetter flankiert – von der Sauna im Theresienbad bis hin zum Klima-Wind-Kanal, war schon alles dabei. Dort interviewt sie Zuständige – auf der Jubiläumswarte am Dienstag erzählte Förster David Jandl von der MA 49 von ersten Schneeglöckchen und Bärlauch.

Nach dem Dreh wird das Material bearbeitet und geschnitten. Um spätestens 17 Uhr ist die Wettervorhersage, mit kleinen Geschichten und Musik untermalt, online. Dann bereitet Verena Hirss den nächsten Tag vor, erstellt Wetterkarten, holt Drehgenehmigungen ein, organisiert Gesprächspartner.

Manchmal geht auch was schief, dann wird improvisiert. "Wir lernen jeden Tag etwas Neues. Wir versuchen es einfach, probieren aus", sagt Hirss. "Es ist super, dass man ein paar Stunden später die eigene Arbeit in der Hand hat", sagt Kamerafrau Raphaela Lukas.

Die Welt, wie sie gefällt

Judith Novak ist Personalberaterin. Sie findet die Idee zum Blog genial. "Es gibt Leute, die nutzen Chancen nicht nur, sie machen sich selber welche. Ich glaube, dass man Erfahrung heute ganz neu definieren muss. Erfahrung bedeutet heute nicht zwangsläufig einschlägige Berufserfahrung. Das muss endlich anerkannt werden."

Es ist ein Dilemma, dass viele Studierende und Absolventen kennen: Ohne Erfahrung ist es schwierig, einen Job zu bekommen. Und ohne Job kann nur schwer Erfahrung gesammelt werden.

Die Konsequenzen haben einer ganzen Generation einen Namen beschert: Generation Praktikum. Um die nötige Erfahrung zu sammeln, ließen sie sich in – wenn überhaupt – unterbezahlte Praktika oder Jobs drängen. Ein Trend, der am Ende vielen Jungen Frustration und Resignation brachte.

Die Umstände haben sich in den vergangenen Jahren nur marginal gebessert. Noch immer bekommen junge Einsteiger in Praktika häufig zu wenig für ihre Leistung bezahlt. Oder sie bekommen gar nichts. Doch manche haben neue Wege gefunden, mit den Umständen, dem schwierigen Arbeitsmarkt, umzugehen. Sie schaffen sich Chancen in einer Zeit, in der Menschen mit Ideen, Emsigkeit und technischem Grundverständnis die Möglichkeit haben, ihr eigenes Ding zu machen – ganz so wie sie wollen.

Verena Hirss ist Meteorologin und hat ein großes Vorbild: der legendäre ORF-Wettermann Carl-Michael Belcredi. Weil von TV-Stationen Erfahrung vorausgesetzt wird, gründete Verena Hirss Anfang des Jahres den Wetterblog meinwetter.tv. In 40 Tagen hatte sie 5000 Follower. Raphaela Lukas ist Studentin der Theaterwissenschaft und der Publizistik und Kamerafrau. Seitdem sie vier Jahre alt ist, läuft sie mit einer Kamera in der Hand umher.

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