Aus dem Leben eines Concierge
"Vienna is not the same without you. I wish you all the best", sagt eine Dame mit kurzen weißen Haaren zu Michael Moser. Sie gibt ihm ein Küsschen rechts, ein Küsschen links. Er lächelt, bedankt sich, wünscht ihr alles Gute.
KURIER: Werden Ihnen diese Gäste fehlen? Sie waren 31 Jahre Concierge im Hotel Imperial. Michael Moser: Ja, sehr. Abschied nehmen ist in unserem Beruf immer ein bisserl ein Problem. Man baut Kontakte mit den Gästen auf und wenn sie dann abreisen, dann denkt man sich "Ich seh’ sie nie mehr wieder." Dieses Abschied nehmen war für mich immer schwierig. Das hat mir immer leidgetan. Aber ich hab hier einen schönen Job gehabt, einen sauberen, einen netten. Ich wollte nie aus dem Imperial weg. Die Gäste sind ein bisschen en famille und das Personal natürlich auch.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Tag hier im Hotel erinnern?
Sehr genau: Es war ein fürchterlicher Tag. Ein Tag im November 1983. Es gab Eisregen in Wien, es war sehr kalt, der Boden war gefroren. Ich habe damals im dritten Bezirk bei meinem Bruder gewohnt und als ich den Weg hinauf zum Imperial gegangen bin, da sind die Leute am Boden gelegen. Andere haben geschrien, sie müssen am Flughafen und brauchen ein Taxi. Aber natürlich ist keiner gefahren. Das war fürchterlich.
Sie wollten nicht gleich wieder umdrehen?
Nein. Die Menschen waren aufgeregt und das kann man nachvollziehen. Es kommt ja keiner und schreit einfach so herum. Wir Concierges sind die Good Guys. Der Gast braucht bei uns nicht einchecken, nicht zahlen, er kommt zu uns und dann kriegt er Opernkarten, einen Transport oder Informationen. Wir sind Dienstleister. Das hat ein bisschen mit Dienen zu tun, aber nichts mit buckeln. Wenn ich das nicht will, muss ich mir einen anderen Beruf aussuchen.
Wie wichtig ist Ihr Job, damit sich der Gast wohlfühlt?
Naja, wichtig, mein Gott. Dadurch, dass ich so lange hier war, hat man mit Gästen einen gewissen Kontakt gehabt. Ich bin mit keinem Gast befreundet, aber ich war mit Gästen Abendessen oder hab’ sie zu mir zum Essen eingeladen. Aber ich war immer der Portier. Der Portier ist nach wie vor ein wichtiger Beruf.
Wie hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen 31 Jahren verändert?
Ich bin 62 und habe die Hälfte meines Lebens im Imperial verbracht – was wunderbar war. Die Arbeit hat sich vor allem durchs Internet geändert. Früher waren wir ein bisserl, naja nicht abgehoben, aber wir wussten Dinge, Geheimtipps, die nirgends zu lesen waren. Heute ist alles offen. Als Portier muss man trotz Internet viel wissen. Im Internet steht nicht alles. Im Frühling zum Beispiel schicken wir unsere Gäste zum Marxer Friedhof, wenn der Flieder blüht. Solche Sachen. Durch das Internet ist auch alles schneller geworden: Früher hat der Gast angerufen, hat Karten bestellt, ist am nächsten Tag angekommen. Heute schreibt er eine eMail, dass er Opernkarten will und kurz danach: "Did you get my eMail?" Das ist übrigens die häufigste Frage im Mail-Verkehr. Weltweit.
Woher nehmen Sie all die Infos und Tipps, die Sie weitergeben?
Man geht mit offenen Augen durch die Stadt. Ich habe eine Jahreskarte in der Albertina, im Kunsthistorischen Museum, ich gehe rund 50-mal im Jahr in die Oper oder ins Theater – ich kenne bis auf zwei alle Inszenierungen der Staatsoper. Es gibt nichts Peinlicheres, als wenn mich der Gast fragt, ob etwas modern ist oder klassisch und ich steh’ nur da und weiß es nicht.
Die Diskussion um Work-Life-Balance ist Ihnen offenbar fremd.
Schauen Sie, ich geh’ nicht in die Oper, weil ich muss. Ich geh’ gern hin, das macht mich frei. Es ist auch lustig mit den Dirigenten zu reden. Die wohnen wegen der Nähe zum Musikverein oft bei uns. Aber verstehen Sie, es ist immer nur Kraft meines Amtes. Riccardo Muti redet ja nicht mit mir, weil ich der Michael Moser bin, sondern weil ich der Concierge im Imperial bin. Wenn er kommt, sagt er "Ah, der alte Moser ist auch noch da." Schön.
Mussten Sie wegen Ihres Berufs auch auf etwas verzichten?
Der einzige Nachteil war der Wechseldienst. Ich hatte nur jedes dritte Wochenende frei. Ich habe Kinder – Ausflüge waren sehr restriktiv. Man kann nicht alles haben.
Obwohl Sie so viel Zeit hier verbracht haben, wollen Sie sich noch immer nicht ganz zur Ruhe setzen, sondern wollen das Archiv des Hotels ordnen. Wieso?
Sehen Sie, ich bin Jungfrau im Sternzeichen und ein Sammler. Seit ich hier angefangen habe, hab’ ich immer eine Kiste im Backoffice gehabt, in die hab’ ich alle möglichen Sachen reingeschmissen: Zeitungsartikel, Speisekarten, lustige Anekdoten von Gästen. Jetzt habe ich 30, 40, 50 Kisten und die muss man mal ordnen. Ich mache das nicht für mich, nicht für die Direktion, sondern für die nachkommenden Generationen. Damit sie etwas zum Lachen haben. Das ist ein absolutes Vergnügen, das da auf mich zukommt.
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