Aufstieg mit Managern
Kurz nach sieben Uhr früh waren die letzten Meter geklettert: Beim unvereisten Kaiserkreuz, in 3798 Metern Höhe, bei guten Wetterbedingungen und weiter Sicht, trafen die Tourengeher am Gipfel des Großglockners zusammen. Alle heil am Berg.
Es war eine Jubiläumswanderung: Die Edelweiß-Bergtour der Lotterien und Casinos Austria fand vergangenes Wochenende bereits zum zehnten Mal statt. Rund 50 Personen (nicht alle wanderten zum Gipfel) nahmen teil – darunter Alpinist Peter Habeler, Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Medien und Sport und zahlreiche Vertreter der Österreichischen Bergrettung. Letztere stehen alljährlich im Mittelpunkt der Veranstaltung: Man will den Einsatz der 12.300 ehrenamtlichen Bergretter in Österreich, ihre Leistungen , die Leben retten, würdigen. Lotterien, Casinos Austria und die Mitwanderer am Glockner spendeten an die Bergrettung insgesamt 25.000 Euro.
Der KURIER war dabei – und befragte am höchsten Berg Österreichs, gleich nach dem Gipfelerlebnis, den Chef der Bergrettung Osttirol und Spitzenmanager zu Auf- und Abstieg, zu Risiko und Scheitern, zu Gipfelsieg und Umkehr.
Peter Ladstätter, Karl Stoss und Peter Mennel geben die Antworten. Und weil in dieser Höhe das Duwort üblich ist, drucken wir es ausnahmsweise auch genauso ab.
Was gibt dir ein Gipfel?
Für mich ist der Weg das Ziel, nicht der Gipfel.
Wer führt am Berg?
Der Erfahrenste. Bei einer leichten Tour kann man sich abwechseln, damit jeder führen kann. Gelehrt wird, sich immer auf den Schwächsten abzustimmen. Ich sage: Es gibt den Schwächsten nicht. Jeder hat andere Möglichkeiten, jeder ist wichtig. Die menschliche Arroganz hat auf dem Berg keinen Platz.
Teamplayer oder Einzelkämpfer?
Absoluter Netzwerker.
Wie viel Demokratie ist erlaubt?
Die Meinungsfindung machen alle miteinander, aber einer muss es nach außen tragen. Alles, was in der Wirtschaft passiert, ist dem Schneller, Höher, Stärker unterworfen. Das hat am Berg nichts verloren.
Folgt auf jeden Aufstieg ein Abstieg?
Auf jeden Fall. Aber ich sehe den Abstieg positiv, weil es die Genugtuung gibt, oben eine schöne Zeit gehabt zu haben. Beim Abstieg ist man um Erfahrungen reicher, hat das Adrenalin und das Glücksgefühl vom Aufstieg dabei. Deshalb gefällt es mir, wenn viele Menschen in die Natur gehen: Weg von den Blechtrotteln, sich wieder spüren. Wir sind alle nur einmal auf der Welt – wir haben keine Zeit, um Dingen hinterher zu hetzen, die nichts bringen oder längst verloren sind.
Wie viel Risiko darf man eingehen?
Am Berg keines, das ist ganz klar. Was man kann, macht man auch gut. Aber wenn man riskiert, wenn man über sein Können geht, dann wird’s gefährlich. Weil das Risiko immer unkontrollierbar ist.
Wann muss man umkehren?
Wenn man sich nicht mehr sicher fühlt, das ist bei allem im Leben so. Umkehren ist die größte Kunst. Wenn man das schafft, erspart man sich viel.
Entscheidet der Kopf oder das Gefühl?
Fakten haben ein großes Gewicht, sie sind das Fundament. Dann kommt die Erfahrung dazu – das ergibt eine Strategie, die sich aber auch gut anfühlen muss.
Wieso machst du diesen Job?
Aus Herzblut. Mich fasziniert, mit Bergrettern zu arbeiten, die freiwillig helfen – das ist nicht mehr selbstverständlich, weil jeder heute fragt, ,was krieg ich dafür?‘.
Wie viel Glück ist für den Erfolg notwendig?
Glück brauchst allerweil. Man kann Dinge zu einem hohen Prozentsatz beeinflussen, aber wenn man nicht das letzte Quäntchen Glück hat, geht es schief.
Deine Einstellung zum Scheitern?
Scheitern ist mir zu negativ behaftet. Wenn ich einen Weg gehe und merke, es gibt Probleme, fasse ich die Fakten zusammen und suche einen besseren Weg. Wenn wir rausgehen, um Leben zu retten, alles geben und es gelingt nicht, müssen wir das akzeptieren. Genauso, wenn Dinge im Leben nicht geradeaus gehen. Dann muss man nach einer anderen Möglichkeit suchen. Das Leben ist nicht so kompliziert, wie es sich viele machen.
Was gibt dir der Job?
Sehr viel Kraft. Trotz der Tragik, die manchmal mit dabei ist – aber das ist das Leben. Wenn man eine Phase der Trauer hat, genießt man das Schöne umso mehr. Man muss es dann aber auch richtig leben.
Was gibt dir ein Gipfel?
Ein Gipfel ist immer ein Erfolg, eine persönliche Befriedigung und eine Überwindung.
Wer führt am Berg?
Der Bergführer, keine Frage. Man muss sich absolut unterordnen, sonst ist man verloren. Weil das sind die Profis.
Teamplayer oder Einzelkämpfer?
Ich bin normal Teamplayer. Am Berg sind wir auch ein Team, auch wenn man sich unterordnen muss. Man muss die Spielregeln kennen und sie akzeptieren. Dann klappt das auch meistens.
Wie viel Demokratie ist in einem Unternehmen erlaubt?
Bis zu dem Grad, dass man die Dinge angesprochen und auch gebührend ausdiskutiert hat. Aber dann muss eine Entscheidung her und dort verlässt man dann oft auch die Stufe der Demokratie. Es muss einen geben, der das letzte Wort hat und sagt, jetzt haben wir alle Argumente angehört, viele Gesichtspunkte ausgeleuchtet, aber jetzt wird entschieden.
Folgt auf jeden Aufstieg ein Abstieg?
Freilich. Ich möchte ja nicht oben bleiben, möchte auch wieder runter. So ist das auch im Beruf. Wenn man erfolgreich ist, kommt einmal der Zeitpunkt, wo man etwa an die Pension denkt. Man sollte jedem raten, weiter etwas zu tun, nur ja nicht am Sessel zu kleben.
Wie viel Risiko darf man eingehen?
Man muss immer Risiko eingehen, beruflich und auch am Berg. Aber man muss wissen, wo die eigenen Grenzen liegen. Es gibt persönliche Grenzen, wo man sagt, das tue ich mir jetzt nicht an, ich riskiere nicht meine Karriere oder mein Leben.
Wann muss man umkehren?
Wenn man merkt, dass es nicht mehr geht. Wenn die Grenzen erreicht sind. Dann sollte man umkehren, bevor es den Point of no Return gibt. Das kann leider oft schnell ins Auge gehen, wenn man diesen Punkt nicht erkennt.
Entscheidet der Kopf oder das Gefühl?
Der Kopf, am Ende ist es der Kopf. Zwischendurch ist immer das Gefühl da und das ist auch wichtig, weil das Bauchgefühl aus der Erfahrung heraus dazu verleitet, eine Ersteinschätzung vorzunehmen. Aber am Ende des Tages zählt der Kopf. So ist es auch am Berg. Man braucht einen freien Kopf, wenn man Gipfelsiege haben will.
Deine Einstellung zum Scheitern?
Niederlagen gehören dazu. Je früher man sie im Leben hat, umso besser ist es. Dann lernt man, damit umzugehen. Es heißt nicht umsonst: „Wen Gott bestrafen will, dem schenkt er zwanzig Jahre Erfolg.“ Man muss das Scheitern kennen und wegstecken können.
Wofür machst du deinen Job?
Ich versuche einen Beitrag zu leisten, dass sich das Unternehmen erfolgreich nach vorne entwickelt. Und auch jungen Menschen die Möglichkeit bietet, Chancen wahrzunehmen. Natürlich ist der Job auch eine Art Befriedigung: Man setzt sich Ziele, stellt sich Herausforderungen, wächst.
Was gibt dir ein Berg?
Ein Berg ist unglaublich befreiend, macht den Kopf frei. Ich sehe am Berg, wie ich konditionell und mental beieinander bin. Da erkenne ich sehr klar, wo ich stehe und was machbar ist.
Was gibt dir ein Gipfel?
Mir gibt ein Gipfel Erfüllung und Befriedigung. Und eine schöne Aussicht, wenn es keinen Nebel hat. Ein Gipfel erweitert den Horizont und den Weitblick.
Wer führt am Berg?
Der Bergführer. Da gilt es, ihm zu vertrauen, weil er die Erfahrung hat und die Gruppe sicher zum Gipfel leitet.
Teamplayer oder Einzelkämpfer?
Beides. Das kommt immer auf die Situation an. Manchmal ist der Einzelkämpfer gefragt, weil er vielleicht gar kein Team hat. Aber allgemein glaube ich, dass ein Team mehr erreicht als ein Einzelner.
Wie viel Demokratie ist in einem Unternehmen erlaubt?
Demokratie ist vielleicht der falsche Ausdruck. Es geht in einem Unternehmen darum, alle Möglichkeiten in einer Diskussion zu eruieren. Irgendwann muss dann jemand entscheiden, was man tut. In einem Unternehmen kann man nicht jede Entscheidung demokratisch abstimmen. Sonst kommt man nicht weiter.
Folgt auf jeden Aufstieg ein Abstieg?Hoffentlich folgt ein gesunder Abstieg. Das Gefährliche ist, dass man beim Abstieg vom Berg unkonzentriert oder müde ist. Es gibt viele, die beim Runtergehen verunglücken, obwohl sie vorher schwierige Wände durchstiegen haben.
Wie viel Risiko darf man eingehen?
Man sollte kein Risiko eingehen, das man nicht überschauen kann. Vor allem sollte man sich nicht mehr zutrauen, als man kann, muss die eigenen Grenzen kennen und eine gute Selbsteinschätzung haben. Das gilt für das Management genauso wie auf dem Berg.
Wann muss man umkehren?
Wenn man zeitlich zu spät dran ist, wenn man müde wird, wenn man den Überblick verloren hat. Das Interessante beim Bergsteigen ist, dass man nicht einfach aufhören kann. Es geht weiter nach oben oder man muss nach unten – ein schneller Ausstieg ist nicht immer möglich.
Entscheidet der Kopf oder das Gefühl?
Ich glaube, man braucht beides. Bauchentscheidungen sind auch im Management durchaus zulässig. Aber zuerst muss man mit dem Kopf analysieren und das dann mit dem Bauch in Einklang bringen.
Deine Einstellung zum Scheitern?
Ich bin am Berg schon oft gescheitert. Allein am Elbrus musste ich drei Mal umkehren, wegen Sturm und zu großer Gefahr. Scheitern bedeutet aber nur, einen neuen Anlauf zu starten. Dass man nicht raufgekommen ist, ist am Berg ja nicht endgültig. Im Management ist das ein bisschen anders. Da braucht es die Analyse, warum etwas nicht funktioniert hat. Und daraus abgeleitet eine neue Strategie.
Wofür machst du deinen Job?
Weil ich eine Gaudi hab, weil es mir Spaß macht, weil ich es gern tue. Ich komme mit vielen jungen Athleten zusammen und kann ihnen vielleicht helfen, ihre Träume zu verwirklichen. Es gibt mir sehr viel, mit Athleten Erfolge zu feiern.
Was gibt dir ein Berg?
Ein Berg gibt mir Berge.
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