Aufs Homeoffice folgt das Hybridoffice

Aufs Homeoffice folgt das Hybridoffice
Die einen bejubeln das Homeoffice und wollen es nicht mehr missen, die anderen sehnen sich nach dem gewohnten Büroalltag. Dabei liegt die Lösung wohl in der Mitte: Halbe-Halbe. Aber wie realistisch ist das hybride Modell für die Zukunft?

Das Thema Homeoffice polarisiert. Vor Beginn der Pandemie haben rund fünf Prozent der Arbeitnehmer in Österreich mobiles Arbeiten in ihrem Arbeitsalltag genutzt. Laut einer im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) durchgeführten IFES Erhebung im April und im Oktober 2020 haben im Vergleich dazu rund 40 Prozent der Arbeitnehmer im Homeoffice gearbeitet. Der KURIER hat sich umgehört, wie es diesen Menschen geht. Die Meinungen zum Thema Homeoffice teilen sich grob in zwei Lager: Die einen möchten es nicht mehr missen, genießen die gewonnene Freiheit und Flexibilität. Die anderen finden es jetzt im zweiten Lockdown noch mühsamer. Sie wollen zurück zum Gewohnten und das im Vergleich zum ersten Lockdown schlechtere Wetter trübt zusätzlich die Laune.

„Im Frühjahr war es halt neu und hat noch nicht so genervt“, sagt Tanja Windisch-Hlinomaz. Die Geschäftsführerin einer Werbeagentur sagt aber auch, dass in ihrem Fall in den Abläufen jetzt mehr Routine herrscht. Man hat sich eben mittlerweile besser organisiert. Vielen fehlt jedoch der menschliche Kontakt. Anderen, vor allem Eltern mit der Doppelbelastung Homeschooling und Homeoffice, wären hingegen gerne öfters einmal für sich und sind am Ende ihrer Kapazitäten. Wie es eine berufstätige Mutter von drei Kindern zynisch sagt: „Ich verschiebe alle Onlinetermine auf Dezember und hoffe, bis dahin wurde der 36 Stunden-Tag erfunden.“ 

Aufs Homeoffice folgt das Hybridoffice

Die Homeoffice-Expertin Bettina Wittmann ist zudem der Meinung, dass eine Kluft entstanden ist, zwischen jenen, die im Homeoffice arbeiten können und jenen, die nicht dürfen oder wo es schlicht nicht möglich ist. „Sie fühlen sich in der Diskussion ausgeschlossen“, sagt Wittmann. Wie auch der Einkaufsleiter eines produzierendes Unternehmens, der anonym bleiben möchte, beklagt: „Alle Kollegen, die im Homeoffice sitzen, sind aus der Schussweite des Chefs, die Anwesenden dürfen die Launen ertragen und fassen viel zusätzliche Arbeiten aus.“

Besonders problematisch ist es, wenn in ein und demselben Unternehmen diese Kluft besteht. „Der Installateur arbeitet vor Ort und die Büroassistentin derselben Firma von daheim aus. Da kann es schon zu Neid kommen.“ Die Expertin rät Geschäftsführern in dem Fall, das Thema zu kommunizieren und die Mitarbeiter zu motivieren und wertzuschätzen. 

Was haben wir gelernt?

Fest steht auch: Seit März hat sich einiges geändert, wie Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Organisationsforschung Florian Kunze weiß: „Vor der Pandemie musste man als Arbeitnehmer um die Möglichkeit zum Homeoffice kämpfen. Dann wurde Homeoffice von den Firmen ermöglicht und wertgeschätzt. Jetzt hat man sehr viele Erfahrungswerte sammeln können.“ So hätten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber mit den digitalen Tools besser gelernt umzugehen und Firmen in die Digitalisierung investiert. „Unsere Daten zeigen aber auch, dass Unternehmer noch zu kurzfristig denken und zu wenig in die IT-Ausrüstung oder in die Kompetenz der Mitarbeiter investieren“, sagt Kunze und fügt hinzu: „Das kostet zwar Geld, aber nach Corona wird der Faktor Homeoffice vor allem für junge Leute maßgeblich sein, ob sie sich für ein Unternehmen entscheiden oder nicht.

Das Positive sieht er vor allem darin, dass durch den Zwang ins Homeoffice viel ausprobiert wurde, wir gesehen haben, was funktioniert und was nicht. „Das hätte unter normalen Umständen wohl Jahre gedauert“, so der Experte. Diverse Studien zeigen, dass die Arbeit im Homeoffice die Produktivität fördert, aber auch einsam macht. Demnach liegt die Lösung nahe, Halbe-Halbe anzustreben: zwei bis drei Tage im Büro und die restliche Zeit arbeitet man daheim.

Viele Fragen offen

Vom Homeoffice zum Hybridoffice quasi, wie es derzeit viele Unternehmen praktizieren. „In unserer aktuellen Studie ist das Ergebnis eindeutig. Ein Mischverhältnis ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber am besten. Jene, die unter der Woche sowohl im Homeoffice als auch im Büro arbeiten, sind am wenigsten erschöpft und auch die Produktivität ist am höchsten bei der Halbe-Halbe-Lösung.“ Somit würden die Mitarbeiter von der Freiheit und von den sozialen Kontakten profitieren und die Unternehmen könnten sich Kosten einsparen. „Ja, selbst das Klima gewinnt, da weniger Verkehr auf den Straßen herrscht“, sagt Kunze. 

Er ist davon überzeugt, dass das Hybridoffice die Zukunft ist. „Wir müssen beginnen, das Büro anders zu denken – mehr als eine Art soziale Begegnungszone.“ Demnach findet der kreative Austausch künftig im Büro statt und die Arbeiten, die man alleine verrichten kann, zu Hause.

Auch Expertin Wittmann hält die Hybrid-Lösung für das realistischste Modell. „Allerdings müssen bis dahin noch viele rechtliche Fragen geklärt werden.“ Aus Sicht der Arbeiterkammer fehlen aktuell Informationen zum Arbeitszeitgesetz, Unfallversicherungsschutz oder Dienstnehmerhaftpflichtgesetz. Zahlt der Arbeitgeber künftig die Internetnutzung daheim? Wer haftet bei einem Unfall in den eigenen vier Wänden, der während der Arbeitszeit passiert ist? Derweil befinden wir uns noch mitten im Wandel und für alle Beteiligten lautet die Devise: durchbeißen und hoffen.  

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