„Auch mit null Charisma kann man in Top-Positionen kommen“
KURIER: Sie schreiben und halten Vorträge über Mechanismen der Macht und wie Führungskräfte diese nutzen können. Gehört Charisma auch dazu?
Christine Bauer-Jelinek: Charisma ist eine ganz wesentliche Machtquelle, sie zählt zur Macht der Gefühle. Man spricht damit vor allem die Emotionen des Gegenübers an, und das wirkt ganz unbemerkt. Menschen sind dann fasziniert von der Person und befolgen ihre Anweisungen eher, als wenn sie Befehle erteilt bekommen.
Das heißt, man kann andere damit manipulieren.
Ja, Charisma ist ein Instrument der Emotion und damit zur Manipulation geeignet. Es ist die Frage, wie und wofür man es einsetzt, also eine hohe Verantwortung.
Warum sollte ein Chef, ein Entscheidungsträger, überhaupt charismatisch sein? Ist man damit erfolgreicher?
Er muss gar nicht charismatisch sein, er kann sich mit den anderen Quellen der Macht genauso gut durchsetzen. Charisma ist ja etwas Seltenes, etwas Besonderes, wenn das jetzt jeder hat und jeder haben sollte, dann verliert es schnell an Wirkung. Es funktioniert sehr oft, einfach die Macht der Position einzusetzen, ganz sachlich, fachlich und trocken. Gerade in einem betrieblichen Umfeld kann man mit Fakten und Kompetenz gut überzeugen. Man kann auch mit der Macht der Verbündeten, der Kontakte arbeiten, indem man jemanden kennt, der wen kennt. Da braucht man auch null Charisma, um in eine Top-Position zu kommen. Charisma ist vor allem da wichtig, wo man schnell etwas erreichen muss: in der Öffentlichkeit, in der Politik, wenn Medienpräsenz gefragt ist.
Kann man lernen, charismatisch zu sein, oder ist es angeboren?
Also meine Erfahrung als Psychotherapeutin ist, dass man Charisma nur begrenzt erlernen kann. Aus einem Apfelbaum wird eben kein Birnenbaum. Wenn jemand ein schüchterner Mensch ist, dann wird er auch gar nicht an die Öffentlichkeit drängen und wird diese Aufmerksamkeit auch nicht brauchen. Man kann sich aber graduell weiterentwickeln, sich beispielsweise als lauter, polternder Mensch zurücknehmen. Ein introvertierter Mensch kann sich öfter trauen, etwas zu sagen, und das Risiko eingehen, dass er Misserfolg erntet oder verächtlich angeschaut wird. Aber er wird kein anderer Mensch, keine schillernde Persönlichkeit werden.
Kann man sein Charisma eigentlich auch verlieren?
Wenn man an sich selbst zu zweifeln beginnt, weil man einen wesentlichen Misserfolg in der Öffentlichkeit erlebt hat, kann man sein Charisma schon verlieren. Dann resigniert man vielleicht, stumpft ab und zieht sich zurück. Aber im Allgemeinen, wenn eine Person nicht komplett gebrochen ist durch einen Gefängnisaufenthalt beispielsweise oder durch ein anderes einschneidendes Ereignis, dann fahren sie bei der nächsten Gelegenheit ihre Fähigkeit wieder hoch.
Wie sehr können eine Firmenkultur und das Image einer Firma von charismatischen Menschen getragen werden? Steht und fällt alles mit ihnen?
Ich würde Charisma jetzt nicht über alles ziehen. Ein Firmenimage muss nicht unbedingt davon abhängig sein, es kann auch auf Fakten oder Nutzen aufgebaut sein. Charisma muss nicht hierarchisch angeordnet sein, es kann auf allen Ebenen wirken. Es kann auch ein einfacher Verkäufer die Produkte begeistert anbieten und damit das Image seiner Firma befeuern. Zudem können Menschen auch irgendwann genug haben von dem ganzen „Brimborium“ um Charismatiker und sich klaren und schlichteren Personen zuwenden.
Also irgendwann ist ein Sättigungspunkt erreicht.
Irgendwann können einem die Personen auf die Nerven gehen, die man gerade noch sehr gerne gesehen hat. Das sind oft Stars in der Politik, die auf einmal keinen mehr interessieren. Das ist die Gefahr dabei, dass man sich bald daran sattsieht oder -hört und sich lieber wieder den ruhigeren Typen zuwendet.
Coaching-Tipps für mehr Charisma
Obwohl es auch ohne geht, kann man an einem charismatischeren Auftreten arbeiten Hier ein paar Tipps von Wirtschaftscoach Christine Bauer-Jelinek.
Überprüfen der persönlichen Werte: Haben Sie negative Einstellungen zu charismatischen Personen? Finden Sie diese oberflächlich, aufdringlich oder penetrant? Suchen Sie dann nach Vorbildern, auf die das nicht zutrifft, die einfach sympathisch, mitreißend und überzeugend sind.
Aktivieren der persönlichen Erfahrungen: Welche positiven Erfahrungen haben Sie schon gemacht? Konnten Sie Leute mitreißen, begeistern, zu den von Ihnen gewünschten Handlungen bewegen? Womit haben Sie gepunktet? Mit der Stimme, der Mimik und Gestik, dem Humor, der Lockerheit? Fragen Sie vertraute Menschen um ehrliches Feedback.
Erweitern der persönlichen Fähigkeiten: Wo liegen Ihre Stärken, worauf können Sie aufbauen? Was wollen Sie dazulernen? Suchen Sie dafür einen Trainer und Publikum, denn alleine vor dem Spiegel wird es nicht funktionieren.
Das Wichtigste: Charisma kommt vor allem von innen, von Haltung und nicht so sehr von Verhalten. Wovon Sie begeistert sind, das wird sich auch auf andere übertragen.
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