Arbeitsmarkt: Wann mit Erholung zu rechnen ist
Für den Arbeitsmarkt war 2020 in jeglicher Hinsicht eine Talfahrt. Die Zahlen der Arbeitslosen waren und sind so hoch wie noch nie, im Sommer gingen sie zwar deutlich zurück, doch geschlossene Hotels, Geschäfte und Baustellen im Winter trieben die Zahlen wieder in die Höhe. Mit Ende Dezember waren mehr als 530.000 Menschen in Österreich ohne Job.
Die andauernde Krise und die wiederkehrenden Lockdowns sorgen für Verunsicherung. Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Arbeitssuchende haben gelernt: in einer Pandemie ist auf Pläne wenig Verlass.
Am Samstag vor einer Woche war der 47-jährige Wirtschaftsforscher Martin Kocher noch Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Präsident des Fiskalrats und lehrte an der Uni Wien. Einen Tag später wurde er zum Nachfolger von Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher bestimmt, seit Montag dieser Woche ist er als neuer Arbeitsminister auch angelobt.
Der Arbeitsmarkt werde in den kommenden Monaten zum größten Problem der Regierung werden, sagte Kocher vor Kurzem noch als Experte. Nun ist der Ökonom derjenige, der dieses Problem lösen soll. In der „Zeit im Bild 2“ im ORF am Montag gab Kocher einen groben Überblick seiner Pläne:
„Es geht darum, langfristig eine Vollbeschäftigung zu erreichen, das ist das Ziel eines Arbeitsministers.“ Zudem suche er nach einem Weg, die Kurzarbeit zu beenden „wenn es die Situation zulässt.“ Ende Februar will er dazu ein Konzept präsentieren, auch an einer Homeoffice-Regelung werde gearbeitet.
Seine Haltung bezüglich der Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes ist hingegen klar: „Schon als Experte habe ich mich dagegen ausgesprochen. Ich glaube, jetzt geht es darum, die Akutphase der Krise zu überwinden. Danach kann man über alle Konzepte, die es zu einer Arbeitslosengeld-Reform gibt, sprechen.“
Selbst die Jobbesetzung im Arbeitsministerium ist nicht krisensicher. Seit einer Woche hat Österreich mit Martin Kocher, zuvor Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) einen neuen Amtsträger. Nach dem unrühmlichen Abgang von Ex-Ministerin Christine Aschbacher liegt es nun an ihm, einen Weg aus der Krise zu finden.
Hoffnung auf Impfung
„Der Arbeitsmarkt ist schwer krank“, sagt AMS-Chef Johannes Kopf zum Status-quo. Sowohl für ihn als auch für Arbeitsminister Kocher gebe es eine Aussicht auf Heilung mit der kommenden Impfung. Spätestens dann werde es im dritten Quartal 2021 wieder weniger Arbeitslose geben – so die Hoffnung.
Eine Modellrechnung der Nationalbank zeichnet allerdings einen eher düsteren Ausblick. Sie prognostiziert einen Anstieg der Insolvenzen, sobald die Hilfsmaßnahmen auslaufen. Bis 2022 könnten bis zu zehn Prozent der heimischen Unternehmen, aktuell sind es 560.000, pleite sein und damit weitere Arbeitslose schaffen.
Für den Jahresdurchschnitt 2021 rechnet das IHS mit einer Arbeitslosenquote von 9,7 Prozent (aktuell 9,9 Prozent). Im Jahr 2022 könnte sie auf 8,7 Prozent fallen, würde damit aber immer noch klar über dem Vorkrisenniveau liegen.
Nicht allen hilft der Aufschwung
„Typisch“ für Erholungsphasen sei allerdings, dass davon vor allem Menschen mit besseren Chancen profitieren werden, Langzeitarbeitslosen werde der Aufschwung nicht helfen. So stand es in einer Analyse des Arbeitsmarktservice (AMS) von Juli 2020.
Seit Juli hat sich ihre Zahl weiter erhöht: Im Dezember 2020 wurde der Höchststand von 137.000 Langzeitarbeitslosen erreicht, darunter immer mehr 25 bis 44-jährige, also Menschen im Haupterwerbsalter.
Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) fordert vor diesem Hintergrund ein höheres Arbeitslosengeld, sowie spezifische Beschäftigungsprogramme. Arbeitgebervertreter wollen hingegen den Faktor Arbeit entlasten und Lohnnebenkosten verringern, um mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen.
Strukturwandel
Weitere Herausforderungen wird auch der beschleunigte Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt mit sich bringen. „Wenn sich die Konjunktur erholt, wird es mehr offene Stellen geben, umgekehrt werden nach der Corona-Krise wieder jene strukturellen Merkmale sichtbar werden, die jetzt in den Hintergrund getreten sind“, erklärt Johann Bacher, Soziologe an der Johannes-Kepler-Uni Linz.
„Wenn sich die Konjunktur erholt, wird es mehr offene Stellen geben, umgekehrt werden nach der Corona-Krise wieder jene strukturellen Merkmale sichtbar werden, die jetzt in den Hintergrund getreten sind."
„Automatisierung und Digitalisierung werden wieder an Schwung gewinnen und zu Rationalisierungen, sprich Stellenabbau, führen. Daher ist es wichtig, sich jetzt auf diese Situation vorzubereiten und neue gemeinwohlorientierte Stellen im Bildungs-,Gesundheits-, Pflege-, Sozial- und Umweltbereich zu schaffen.“
Neue Kompetenzen gefragt
Julia Bock-Schappelwein, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut ergänzt: „Mehr Beschäftigung ist vor allem in Bereichen zu erwarten, die digitale Technologien stärker nutzen können.“ Damit wiederum ändern sich auch berufliche Qualifikationen – neue Kompetenzen sind gefragt.
„Mehr Beschäftigung ist vor allem in Bereichen zu erwarten, die digitale Technologien stärker nutzen können.“
Wenig Veränderungen hingegen gibt es im Fachkräftemangel. Eine von EY-Parthenon durchgeführte Studie unter Führungskräften in Verwaltung, Gesundheit und Sozialwirtschaft zeigte: Fast jeder Zweite sieht einen Mangel bei IT-Kräften und in der Krankenpflege – unter Ärzten, Pflegehilfen und Technikern werde sich dieser weiter verschärfen.
Corona-Joboffensive
Hier soll die Corona-Joboffensive, eine groß angekündigte Umschulungsmaßnahme der Regierung, ansetzen. Mit ihr möchte man rund 100.000 Personen über AMS-Kurse für Berufe qualifizieren, in denen dringend gesucht wird.
Martin Bodenstorfer, Geschäftsführer bei EY-Parthenon, glaubt, die Joboffensive könne im Pflegebereich „kurzfristigen Erfolg haben.“ Allerdings sollten sich Arbeitgeber und Politik hier langfristig um bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen bemühen. „Die Berufe müssen attraktiver gemacht werden.“
Beschäftigungsprogramme
Nach Ansicht von Bock-Schappelwein nütze die Joboffensive alleine nichts, wenn nicht auch gleichzeitig Jobs geschaffen werden. „Vor allem für jene, die nicht in ihren Job zurückkehren können, weil es diesen nicht mehr gibt.“ Das treffe nicht nur Langzeitarbeitslose.
Auch die Situation an den Einstiegsarbeitsmärkten sei herausfordernd. „In Zeiten unsicherer Rahmenbedingungen im Kombination mit Homeoffice und Abstandsregeln, gestaltet sich der Berufseinstieg für Junge schwieriger als üblich.“
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