Analyse: Fünf Gründe für die Lehre

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Fünf Gründe, warum Matura und Studium nicht immer die beste Wahl sind.

Für Pflichtschul-Abgänger ist jetzt die Zeit gekommen, sich nach einer passenden Lehrstelle für den Herbst umzusehen – und die Entscheidung für einen Lehrberuf zu treffen. Keine einfache Sache. Beim Tag der offenen Tür in der Berufsschule für Baugewerbe im 22. Bezirk in Wien konnten Schüler zwischen 11 und 16 Jahren schnuppern. Sie fertigen unter der Anleitung von Profis Stuckornamente und Zierfiguren an, verlegen Bodenpaneele und bemalen Wände. So können sie herausfinden, was ihnen wirklich Spaß macht. Doch das Image der Lehre als Berufsausbildung ist seit vielen Jahren nicht besonders gut. Viele Eltern sind der Meinung, jedes Kind müsse maturieren und studieren – egal, ob es dafür geeignet ist. Bildungsferne Schichten hingegen verstehen häufig nicht, warum es besser ist, wenn ihr Kind beim Einstieg ins Berufsleben nur 500 Euro Lehrlingsentschädigung anstatt 800 Euro Hilfsarbeiterlohn erhält. Dabei ist die Lehre eine gute Basis für das Berufsleben – das sind die Gründe.

1. Gute Karriere-Chancen:

85 Prozent der befragten Lehr-Absolventen sind mit ihrer Ausbildung sehr zufrieden, geht aus einer aktuellen Umfrage des Market Instituts hervor. Zehn Prozent machten sich nach der Ausbildung selbstständig, 28 Prozent sind heute in einer leitenden Position. Rund 60 Prozent der befragten Fachkräfte haben nach der Lehre noch weitere Ausbildungen absolviert. Aber: Die Begeisterung nimmt mit den Lehrjahren ab: Während im ersten Lehrjahr 89 Prozent der Auszubildenden angaben, mit der Lehre zufrieden oder sehr zufrieden zu sein, waren es im 3. und 4. Lehrjahr nur noch 79 Prozent. Hier gibt es Verbesserungsbedarf.

2. Export-Schlager:

Analyse: Fünf Gründe für die Lehre
KURIER-Infografik, Foto: South_agency/istockphoto: 636469960, 46-96186076 v. 02.05.2017
Die duale Ausbildung, wie sie in Österreich Tradition hat, hat weltweit Vorbildfunktion. Länder wie Serbien oder Slowakei sind dabei, ein ähnliches Ausbildungssystem aufzubauen. Auch nach Übersee wird die Lehre von heimischen Betrieben "exportiert". Dass Österreichs Lehrlinge besser ausgebildet sind als jene in anderen Ländern, belegen die Berufsmeisterschaften Euro- und WorldSkills, bei denen Österreich Jahr für Jahr die ersten Plätze belegt. 2016 konnte Österreich den Europa-Meistertitel mit 14 Medaillen wieder erfolgreich verteidigen.

3. Guter Verdienst:

Die Lebensverdienst-Kurve kann sich sehen lassen. "Ein Techniker-Lehrling hat schon rund 57.000 Euro auf seinem Konto, wenn ein 19-jähriger HTL-Absolvent erst zu arbeiten beginnt. Ganze 194.000 Euro sind es, bis ein TU-Absolvent im Alter von 25 Jahren in den Job einsteigt", sagt Rainhard Kos, Personalchef der Firma Welser Profile. Der Lebensverdienst beträgt bei allen drei rund 1,3 Millionen Euro. Die Rechnung mag ungenau sein, Fakt ist: Es dauert Jahre, bis Akademiker den Gehaltsvorsprung aufholen. Das wirkt sich auch auf die Pensionshöhe aus. Aber: Für die weitere Karriere haben Mitarbeiter mit höherer Bildung meist bessere Berufschancen. Die Matura ist für das berufliche Vorankommen wichtig. Insofern sollte mit dem Lehrabschluss das Lernen auch nicht aufhört.

4. Steigendes Interesse:

Seit 2008 ist die Anzahl der Lehrlinge in Österreich gesunken. Doch nun ist die Trendwende da, seit heuer wählen wieder mehr junge Menschen diesen Ausbildungsweg. Ende März gab es um 1,9 Prozent mehr Lehranfänger als im Vorjahr, geht aus aktuellen Zahlen der Wirtschaftskammer (WKO) hervor. In ganz Österreich bilden derzeit über 28.000 Lehrbetriebe fast 107.000 Lehrlinge aus, allein 32.418 davon im ersten Lehrjahr. "Wir sind zuversichtlich, dass damit eine Trendwende eingeleitet wurde", sagt der Lehrlingsexperte Alfred Freundlinger. Die Regierung hat außerdem ein weiteres Lehrlingspaket verabschiedet. Dieses sieht unter anderem vor, dass die Vorbereitungskurse auf die Lehrabschlussprüfung zur Gänze übernommen werden.

5. Geringes Arbeitslosenrisiko:

Rund 40 Prozent aller Jugendlichen eines Jahrgangs (2016: 38,2 Prozent) beginnen eine Lehre. Mit der fundierten dualen Ausbildung könne man der Jugendarbeitslosigkeit entgegenwirken, betont WKO-Präsident Christoph Leitl. Nach den aktuellen Arbeitsmarktdaten ist die Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen weiter gesunken und liegt nun bei 10,6 Prozent. Ohne Lehre sieht es düster aus: Die Hälfte des Anstiegs bei der Arbeitslosigkeit seit 2008 betrifft Personen ohne Ausbildung. Jeder Vierte mit nur Pflichtschulabschluss ist ohne Job.

Das Ziel: Alle Jugendlichen sollen nach der Pflichtschule eine weiterführende Schule besuchen oder eine berufliche Ausbildung in einem Betrieb machen. Der Grund: Schul- oder Lehrabbrecher haben ein wesentlich höheres Risiko, später arbeitslos zu werden und es dauerhaft zu bleiben. Um dies zu vermeiden, beschloss die Regierung im Vorjahr die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre. Es handelt sich dabei um eine Erweiterung der Ausbildungsgarantie mit Sanktionsmöglichkeiten.
Richtig ernst wird es für Jugendliche, deren Schulpflicht heuer endet. Besuchen sie vier Monate lang keine Schule oder sonstige Ausbildung, erfüllen sie die Ausbildungspflicht nicht. Eltern müssen diesen Umstand bei der regionalen Koordinierungsstelle (KOST) melden, die in jedem Bundesland eingerichtet wird. Tun sie dies nicht und die KOST kommt drauf, drohen Strafen bis 500 Euro, allerdings erst ab Juli 2018. Bestraft wird aber erst in letzter Konsequenz, heißt es im Sozialministerium, etwa wenn Eltern nachweislich keine Verantwortung übernehmen. Die KOST interveniert, erstellt einen eigenen Betreuungsplan und leitet Maßnahmen wie Jugendcoaching oder weiterführende Kurse via AMS ein.
Eingeschränkte Hilfsarbeit Wichtig für Unternehmen: Hilfsarbeit von Jugendlichen unter 18 ist nur noch als Neben- oder Ferialjob bzw. Praktikum im Rahmen einer Ausbildung oder des Betreuungsplans vorgesehen, ein dezidiertes Verbot gibt es aber nicht. Wer Unter-18-Jährige als Hilfsarbeiter beschäftigen, muss also keine Strafen fürchten. Betriebe haben auch keine Meldepflichten. Die Arbeitgeber müssen jedoch damit rechnen, dass die Jugendlichen im Rahmen der Ausbildungspflicht ihren Job vorzeitig ohne Einhaltung von Kündigungsfristen beenden können. Die Wirtschaftskammer hat selbst ein Interesse daran, dass jugendliche Hilfsarbeit die wichtige Fachkräfte-Ausbildung nicht konterkariert und will die Unternehmen entsprechend aufklären. So herrscht bei Betrieben von Migranten mitunter die Auffassung, Jugendliche frühzeitig auch ohne Abschluss arbeiten zu lassen. Das Sozialministerium rechnet durch die Ausbildungspflicht mit Mehrkosten von 57 Millionen Euro jährlich, weitere zwölf Millionen Euro sind für den Ausbau an Plätzen an weiterführenden Schulen vorgesehen.
Alle Infos unter: www.ausbildungbis18.at

Was tun, wenn Jugendliche noch keinen Lehr- oder Schulplatz haben? Um das zu beantworten, haben die Arbeiterkammer Wien, das Sozialministeriumservice und der Stadtschulrat für Wien die Informationsmesse „Ausbildung bis 18“ organisiert. Am 15. Mai beraten ab 15:00 Uhr in der Arbeiterkammer Wien (AK Bildungszentrum, Theresianumgasse 16-18, 1040 Wien) das Jugendcoaching, Produktionsschulen, Träger der überbetrieblichen Lehrausbildung, das Arbeitsmarktservice Jugendliche, die Schulinfo des Wiener Stadtschulrats und andere Institutionen Eltern, Jugendliche und LehrerInnen. Um 16:45 Uhr besuchen AK Präsident Rudi Kaske, amtsführender Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer und Landesstellenleiterin Andrea Schmon vom Sozialministeriumservice Wien die Informationsmesse. Der Eintritt ist frei!

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