An der FH wird gestrebert, in der Firma gelernt

Lernen an der FH und im Job: Das Studium „Smart Engineering“ vereint Praxis und Forschung.
Fachhochschulen und Firmen bilden zunehmend gemeinsam aus. Was bringt’s?

Erst schlägt man in der Berufsschule die Bücher auf, dann schraubt man im Betrieb am Werkstück herum. Das duale Modell der Lehre hat in Österreich Tradition. Was wenige wissen: In der Ausbildung zweigleisig zu fahren – das geht auch für Akademiker in spe.

Ab Herbst 2015 bietet die FH St. Pölten erstmals im Osten Österreichs ein berufsbegleitendes duales Bachelor-Studium an. In den ersten beiden Semester von "Smart Engineering" wird Theorie gelernt, in der zweiten Hälfte jedes weiteren Semesters wird das Gelernte umgesetzt – und zwar in Ausbildungsbetrieben, die mit der FH kooperieren. Das Studium bildet Techniker für die Industrie 4.0. aus. Arbeitsprozesse sollen mithilfe der IT effizienter und in Folge auch kostengünstiger werden.

Feedback zählt

Konkret geht das so: Die Studierenden bewerben sich um einen Praktikumsplatz bei einem der kooperierenden Ausbildungsbetriebe und arbeiten ab dem dritten Semester im Unternehmen mit. Der Vorteil für die FH ist: Die Unternehmen melden an die Hochschule zurück, welche Studieninhalte für die Praxis sinnvoll sind – und welche nicht. "Damit geht unsere Ausbildung nicht am Markt vorbei – das ist wichtig, denn Innovation schreitet immer rascher voran", sagt Franz Fidler, Leiter des Entwicklungsteams des Studiengangs.

Einer der kooperierenden Betriebe ist der eBike-Hersteller GW St. Pölten. Smart Engineering werde für Industrieunternehmen immer wichtiger, "schließlich stehen wir im Wettbewerb mit der ganzen Welt", sagt Josef Müller, Leiter Prozessmanagement. Das Studium hätte Vorteile für alle Seiten: "Die Studierenden bringen ihr Fachwissen über neue Technologien mit, umgekehrt können wir ihnen zeigen, wie man Projekte geschickt abwickelt", so Müller. Eine Jobgarantie gibt es für die Absolventen zwar nicht, "bei entsprechendem Engagement und Bedarf ist das aber sicher interessant".

In Deutschland sind duale Studiengänge deutlich weiter verbreitet, in Österreich gibt es aber bereits zwei Pioniere: An der FH Vorarlberg wird seit dem Vorjahr ein duales Studium in Elektrotechnik angeboten (siehe Kasten), die FH Joanneum hat sogar schon seit 2002 das duale Studium "Produktionstechnik" im Programm. Lehrgangsleiter Georg Wagner zieht eine positive Bilanz: "Wie in keinem anderen Studium schaffen wir es hier, Theorie in die Praxis und die Erfahrungen aus der Praxis wieder zurück in den Hörsaal zu bringen." Das sei im Bereich Produktionstechnik besonders nötig – hier gebe es momentan so viele Veränderungen wie selten zuvor. Die Studierenden würden verschiedene Abteilungen im Betrieb kennenlernen, nach dem Abschluss hätten sie in der Regel gleich einen Job in der Tasche – häufig im ehemaligen Ausbildungsbetrieb.

Übrigens: Für das "Smart Engineering"-Studium an der FH St. Pölten werden noch Ausbildungsbetriebe gesucht.

FH Joanneum

Im Diplomstudium „Produktionstechnik und Organisation“ wurden seit 2002 rund 200 Absolventen ausgebildet, seit 2011 wurde auf ein duales Bachelor- und Masterstudium umgestellt. Nach einjährigem Grundstudium gibt es regelmäßige Praxisphasen in Ausbildungsbetrieben – u. a. Produzenten von Edelstahl, Autos, medizinischen Geräten. Die Studierenden werden in Teilzeit von den Betrieben angestellt. Die Absolventen übernehmen Führungsaufgaben in der Produktion, im Qualitäts- und Umweltmanagement, Einkauf und Vertrieb und in der Produktentwicklung.


FH Vorarlberg

Das Bachelorstudium „Elektrotechnik“ wird seit Wintersemester 2013 angeboten. In insgesamt zwölf Monaten absolvieren die Studierenden ihre Praxis-Ausbildung in einem Ausbildungsbetrieb und verdienen 1000 Euro brutto monatlich.


Unternehmen

Auch österreichische Handelskonzerne wie Peek & Cloppenburg, Lidl und Hofer bieten maßgeschneiderte duale Studiengänge für ihren Führungskräftenachwuchs an.

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