Als Lehrling im Ausland: „Unglaublich, wie nett Amerikaner sind“

Der Kings Island-Freizeitpark in Ohio, fotografiert von Konditor-Lehrling Jasmin Frank. Der USA-Trip war ihre erste längere Reise
Einblicke in andere Arbeitswelten und Vorstellungen über die Größe amerikanischer Freizeitparks: Was Lehrlinge im Ausland erleben.

Die Vereinigten Staaten kennt man in Europa oft aus Serien, Filmen oder Reiseberichten von Bekannten. Der amerikanische Lebensstil wirkt vertraut, obwohl man ihn selbst vielleicht gar nicht erlebt hat. „Ich persönlich habe auch Freunde, die mir viel von ihren Reisen in den USA erzählt haben“, sagt der 18-jährige Jan Gira, Bürokaufmannslehrling im Magistrat Wiener Neustadt.

„Nun habe ich mir endlich selbst eine Meinung bilden können.“ Jan Gira bewarb sich für ein Stipendiat der Marshallplan-Jubiläumsstiftung, die österreichischen Lehrlingen in diesem Sommer eine Reise in die USA ermöglichte. Manche Film-Klischees wurden widerlegt, einige bestätigten sich, wie Jasmin Franks Vorstellung von amerikanischen Bed&Breakfast-Hotels: „Das Haus sah aus wie im Film“, erzählt die Stipendiatin. „Mit Holzveranda und Schaukelstuhl. Und in der Küche stand einer dieser riesigen amerikanischen Kühlschränke.“

Ein Sommer in Ohio

Als Lehrling im Ausland: „Unglaublich, wie nett Amerikaner sind“

Nach drei Wochen USA Jan Gira mit gutem Englisch, großen Reiseplänen und einer Tätowierung mehr zurück

Drei Wochen lang waren die beiden zusammen mit 19 weiteren Lehrlingen, darunter Bäckerinnen, Friseure, Einzelhandel- und Bürokaufleute, in Oxford City, im Bundesstaat Ohio auf dem Campus der Miami University untergebracht. „Vormittags hatten wir Unterricht, am Nachmittag haben wir verschiedene Betriebe besichtigt und hatten Einblicke in deren Organisation und Arbeitsabläufe“ erzählt Jan Gira.

Es ist erst das zweite Jahr, in dem Lehrlinge von der Marshallplan-Jubiläumsstiftung ein Stipendium erhalten. „Normalerweise adressieren wir damit Studierende“, sagt Vorstand Markus Schweiger. „Mit den Stipendien soll der wissenschaftliche Austausch von Studierenden zwischen den USA und Österreich gefördert werden.“

Der Wissenstransfer basiere laut Schweiger auf den ursprünglichen Anliegen des Marshallplans, der einst ein Wiederaufbauprogramm der USA für die Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg war. „Nun haben wir mit dem Lehrlingsaustausch einen neuen Fokus gesetzt. Pro Lehrling haben wir etwa 6.000 Euro zur Verfügung.“ Die Voraussetzungen: ein Motivationsschreiben an die Jury und ein guter Notenschnitt.

Mit AFS ins Ausland

Organisiert und durchgeführt wurde die Reise vom AFS Austauschprogramm für interkulturelles Lernen, die Auswahl der Lehrlinge erfolgte hauptsächlich durch die Berufsschule in Eisenstadt. Das Programm für die 22 Lehrlinge beinhaltete neben einem intensiven Englischkurs am Vormittag auch diverse Exkursionen zu örtlichen Betrieben, darunter Friseur-Salons, die Handelskammer, das Rathaus oder Institute der Miami University, wo sich die Lehrlinge mit Arbeitskollegen austauschen konnten.

Vor und nach der Reise gab es Workshops, wo das Erlebte besprochen und kulturelle Inhalte diskutiert werden konnten. "Nach der ersten Woche in den USA sind wir alle viel selbstbewusster in der Sprache geworden", so Jan Gira. "Es hat Spaß gemacht, sich mit allen möglichen Menschen zu unterhalten. Unglaublich, wie nett Amerikaner sind!"

Immer mehr Lehrlinge gelangen ins Ausland

„Die Nachfrage für organisierte Auslandsaufenthalte für Lehrlinge steigt in Österreich seit Jahren“, sagt Erich Huber von der Wiener Wirtschaftskammer. Allein in Wien hätten Betriebe, die ihren Lehrlingen Auslandspraktika ermöglichen, Förderungen von über 85.000 Euro erhalten.

Genaue Zahlen lassen sich aufgrund der vielen verschiedenen Förderquellen in Österreich nicht nennen, der größte Teil werde aber aus dem Erasmus-Plus-Topf der EU gefördert, so Susanne Klimmer, Geschäftsführerin des Vereins Internationaler Fachkräfteaustausch (IFA). Laut Österreichischem Austauschdienst (OeAD) gelangten im Vorjahr 881 Lehrlinge ins Ausland.

Als Lehrling im Ausland: „Unglaublich, wie nett Amerikaner sind“

Selfie vor einem Baseball-Match in Cincinnati. Jasmin Frank (2. v.l.) möchte nach der Lehre wieder ins Ausland

„Insgesamt stellen wir steigendes Interesse bei Lehrlingen und Lehrbetrieben fest“, gibt Klimmer an. Im ersten Halbjahr 2019 organisierte man bei IFA rund 300 Praktika, für Herbst 2019 rund 190. Allerdings würden nationale Gelder „eher zurückgeschraubt als erhöht“, sodass die Zahlen der Auslandspraktika stagnieren.

Trotz der Mobilitätsförderung der Erasmus-Programme, der Praktikumsprämien oder Sprachkursförderungen der Wirtschaftskammer, kann ein Selbstbehalt von ein paar hundert Euro für Lehrlinge übrig bleiben. Im Fall der 22 Stipendiaten der Marshallplan-Jubiläumsstiftung, waren es knapp 700 Euro.

Doch die USA-Reise hat sich für die Lehrlinge mehr als gelohnt. Der Einblick in amerikanische Betriebe habe sie inspiriert, so Jasmin Frank. Im Moment lernt die 19-jährige Konditorin für ihre Lehrabschlussprüfung im September. Doch sie hegt Pläne: „Ich möchte öfter im Ausland arbeiten, um später mit den Einflüssen verschiedener Techniken und Kulturen einen eigenen Laden aufmachen.“

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