Uwe Lübbermann: "Alle Mitarbeiter entscheiden mit"

Uwe Lübbermann
Uwe Lübbermann, Chef von Premium Cola, geht einen unüblichen Weg: Jeder in seiner Firma, auch er selbst, verdient 18 Euro Stundenlohn. Büro gibt es keines.

KURIER: Sie sind als Konsument 2001 zum Mitbewerber in der Getränkebranche geworden. Wie ist es zur Gründung von Premium Cola gekommen?
Uwe Lübbermann: Das Rezept von Afri Cola wurde geändert, ohne dass die Konsumenten informiert wurden. Wir sind dann mit dem Unternehmen zwei Jahren lang im Dialog gestanden, ohne dass etwas herausgekommen ist. Deshalb haben wir unsere ersten 1000 Flaschen koffeinstarkes Cola selbst hergestellt. Ich dachte nicht im Traum daran, dass dies ein Unternehmen werden könnte. Doch dann ist das Bewusstsein gekommen, dass ich als Gründer Entscheidungen treffen soll. Ich war nicht reif dafür und habe die Rolle des Geschäftsführers nicht angenommen. So haben unsere Diskussionsrunden begonnen.

Welche Anlaufschwierigkeiten gab es?

Die Diskussionen, um einen Konsens für Entscheidungen zu finden, haben den Prozess verlangsamt. Das war lähmend und frustrierend. Dafür hatten wir dann ein Ergebnis, das für Jahre gepasst hat. Nach rund eineinhalb Jahren hat sich der Prozess gedreht und wir sind effizient geworden.

Premium Cola ist kein Unternehmen, sondern ein Kollektiv. Wie unterscheidet sich die Struktur von anderen Unternehmen?
Mit 1,5 Millionen Flaschen, die wir verkaufen, sind wir in der Getränkebranche ein Zwerg. Wir haben 1700 gewerbliche Partner, keiner von ihnen hat einen Vertrag. Dennoch hat es in 15 Jahren keinen einzigen Rechtsstreit gegeben. Auch alle, die mitarbeiten, haben keinen Vertrag.

Es gibt keine Firmenzentrale. Wie funktioniert das?
Jeder arbeitet wann und wo er will, wir tauschen uns per Mail aus. Ich überwache auch niemanden, ob er die angegebenen Stunden wirklich geleistet hat. Wenn jemand einen vorsätzlichen Schaden angerichtet hat, wird über seinen Rauswurf abgestimmt. Das war allerdings erst zwei Mal der Fall.

Wie treffen Sie unternehmerische Entscheidungen?
Formal bin ich der Inhaber. Ich könnte entscheiden, tue es aber meist nicht. Meine Rolle ist die eines Moderators oder eines Kompasses, eine Mischung aus Forrest Gump und Pfadfinder-Gruppenleiter. Über alle Entscheidungen wird abgestimmt. 180 Leute sind im Onlineforum eingeloggt, sie sind die Entscheider. Eine Entscheidung kommt erst zustande, wenn alle einer Meinung sind und keiner ein Veto einlegt.

Teilnehmer des Kollektivs fungieren als Vertriebler. Sie versuchen Gastronomen davon zu überzeugen, Premium auszuschenken. Wie funktioniert das?
Wir wollte keinen bezahlten Außendienst haben. Stattdessen übernehmen unsere Konsumenten diese Rolle, Sprecher genannt. Sie sind vor Ort und suchen Geschäfte auf. Die Stunde wird bezahlt, auch wenn kein Abnehmer gefunden wurde. Wenn ein Händler gefunden wurde, der beliefert wird, dann wird das Bezahlsystem auf fünf Cent pro Flasche umgestellt. Dann ist es die Rolle des Sprechers, den Händler stabil zu betreuen.

Wie viel verdienen Sie, wie viel andere im Kollektiv?
Alle, die wir direkt bezahlen, bekommen 18 Euro brutto in der Stunde. Nur wer Kinder hat, behindert ist oder sich einen Arbeitsplatz einrichtet, bekommt Zuschläge. Lieferanten und Händler werden normal bezahlt. Mit 18 Euro brutto bin ich reichlich versorgt. Mein Lohn ist aber der Sinn meiner Arbeit, die Freiheit, zu arbeiten, wann ich will und die Reichweite meiner Ideen: Ich habe über 600 Referate gehalten, andere Firmen haben unser Modell der Konsensdemokratie übernommen.

Verkauft wird nicht nur eine Marke und ein Getränk, sondern auch eine Philosophie. Welche konkret?
Das Produkt, das wir verkaufen, ist nicht Cola. Sondern die Philosophie unserer Arbeitsweise, die durch Eigenverantwortung und Mitbestimmung geprägt ist.

Sie treten als Keynote Speaker beim Leadership Kongress auf, der am 10. uns 11. November in Wien stattfindet. Worüber werden Sie sprechen?
Das weiß ich noch nicht. Ich bereite mich immer erst am Weg zur Veranstaltung vor, dann bin ich aktueller. Thema wird sein, wie Führung bei Premium Cola funktioniert, warum das so effizient funktioniert.

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