"Alle haben Platz am Arbeitsmarkt"

Manuela Vollmann ist Chefin von abz*austria und Vorstandsvorsitzende von arbeit plus
Der Arbeitsmarkt ist für alle da – nicht nur für High Performer. Wie auch Ältere, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Einschränkung oder mit geringer formaler Ausbildung ihren Platz finden können, erklärt Manuela Vollmann.

KURIER: Sie fordern, dass es am Arbeitsmarkt für alle einen Job geben muss – egal, welche Vorgeschichte oder Einschränkung die Menschen haben. Wieso ist der sogenannte inklusive Arbeitsmarkt gerade jetzt wieder Thema? Wegen den aktuellen Koalitionsverhandlungen?

Manuela Vollmann: Ja, sie spielen eine Rolle. Außerdem war am 3. Dezember der internationale Tag von Menschen mit Behinderung. Aber wir, die fünf Verbände, die für einen inklusiven Arbeitsmarkt stehen, haben uns bereits vor eineinhalb Jahren zusammengetan. Weil wir einen Punkt, der dafür wichtig wäre, genau ausarbeiten wollten: Die Vergabe öffentlicher Ausschreibungen. Die öffentliche Hand hat laut EU-Richtlinie nämlich die Möglichkeit, öffentliche Aufträge an jene Unternehmen zu geben, deren Hauptzweck die berufliche und soziale Integration von benachteiligten Menschen ist. Österreich muss diese EU-Richtlinie noch umsetzen und entsprechend agieren. Frauen und Männer müssen die Möglichkeit haben ihre Existenz durch Arbeit zu sichern, egal, ob sie lange arbeitslos waren, älter sind oder gesundheitlich eingeschränkt sind.

Ein Langzeitarbeitsloser hat jedoch ganz andere Bedürfnisse als ein Mensch mit Behinderung. Wie wollen Sie einen Schirm über alle spannen?

Wir müssen weg von diesem Silo-Denken, das ist für die einen und das ist für die anderen. In einem inklusiven Arbeitsmarkt haben alle Platz. Ein wichtiger Baustein ist die Förderung gesellschaftlicher Innovation. Und die sollte man stärker mit technologischer Innovation denken und koppeln.

Haben Sie ein Beispiel?

Ein tolles Beispiel dafür, ist das BIS Mobil, ein Fahrtendienst von Langzeitarbeitslosen zum Beispiel für Personen mit körperlicher Einschränkung im Salzkammergut. Am Land haben sie große Probleme sich zu bewegen, es fährt selten ein Bus, die Geschäfte sind am Stadtrand. Es gibt viele solcher sozialer Herausforderungen und denen müssen wir uns stellen. Dann kommt immer die Frage "Wer soll das bezahlen?"

Was antworten Sie?

Es gibt Studien, die zeigen, dass sich die Investitionen in sozialökonomische Unternehmen innerhalb von fünf Jahren rechnen. Das sind nachhaltige Investitionen in Gesellschaft und Wirtschaft. Ich sage bewusst Investitionen und nicht Förderungen.

Was sind denn sonst die Folgen für die Menschen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden?

Es geht um ihre Existenz. Es geht darum, das eigene Geld zu verdienen. Wir müssen endlich diese Bilder loswerden, dass irgendjemand lieber von der Notstandshilfe lebt, als sein Geld selbst zu verdienen. Und es betrifft die gesellschaftliche Existenz. Wer nicht genug Geld verdient, kann auch seine Kinder nicht so unterstützen, wie er oder sie gerne würde. Die soziale Ausgrenzung beginnt früh. Wir haben in Österreich ein gutes Fundament und wir können nicht zulassen, dass sich das ändert.

Im September 2017 waren beim AMS 72.122 Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen gemeldet. Ein Jahr zuvor waren es mit 70.255 weniger.

Ja. Arbeitslosigkeit ist kein individuelles Problem sondern immer ein strukturelles.

Nehmen sich private Unternehmen zu sehr aus der Verantwortung?

Ja und Nein. 99 Prozent der Unternehmen in Österreich sind Klein- und Mittelbetriebe. Großunternehmen könnten und sollten sich viel mehr mit Diversity und Inklusion beschäftigen. Sie haben dafür genügend Ressourcen. Die kleinen Unternehmen haben diese nicht. Daher braucht es mehr Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft und von sozialen und privaten Unternehmen.

Sie haben vorhin von technologischen Innovationen und der Kopplung mit gesellschaftlicher gesprochen. Sollen soziale Unternehmen damit ein modernes Image bekommen?

Soziale Unternehmen waren schon immer innovativ und in diesem Sinne modern. Aber das öffentliche Image macht viel aus. Langsam kommt in Firmen zum Beispiel das Bewusstsein zurück, dass sie auch die Haltung und Erfahrung von älteren Mitarbeitern brauchen.

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