Agiles Arbeiten: Diese Methoden haben Firmen in der Krise umgesetzt
Ideen entwickeln sich oft in eine ganz andere Richtung weiter als ursprünglich gedacht. So entstand etwa die Initiative „Empowering Agile“ aus der Frage heraus, wie traditionelle Unternehmen besser mithalten können im Wettbewerb mit digitalen Start-ups.
Man wollte eine Plattform des Austausches für Firmen schaffen, bei der sich Führungskräfte mit Start-up-Gründern über neue Formen des Zusammenarbeitens austauschen können und wie man diese flexibler, innovativer und agiler gestalten kann.
Agiles Arbeiten und agile Teams sind die unternehmerische Antwort auf steigende Komplexität und Dynamik, ausgelöst durch die Digitalisierung. Agiles Arbeiten ist eine sehr strukturierte Form der Zusammenarbeit und basiert auf folgenden Säulen:
Auf Freiwilligkeit, auf klaren Zielvorgaben, auf Arbeit in kurzen Zeitintervallen („Sprints“), auf Einbeziehung des Kunden, auf kleinen und selbstorganisierten Teams sowie einer hohen Wertorientierung.
So erzählt es Stefan Erschwendner, Managing Partner bei LHBS und einer der Köpfe hinter dem Think Tank. Nun, zwei Jahre nach der Gründung der Initiative und in der Corona-Krise, können sowohl Start-ups als auch etablierte Unternehmen über diese Fragen referieren.
Wohin geht die Reise?
Jeder Betrieb ist von den Folgen der Krise betroffen und muss seine eigenen Strategien finden, um die Krise zu bewältigen. Und so ging es bei der jüngsten Veranstaltung von „Empowering Agile“ weniger um die Frage, wie man Agilität schafft, sondern vielmehr darum, wohin die Reise nun gehen soll.
Welche der krisengeborenen Arbeitsweisen, darunter Homeoffice-Regeln, Video-Calls oder Team-A-Team-B-Einteilungen, sind auch für die Post-Corona-Zeit sinnvoll?
Örtliche und zeitliche Flexibilität
Bei der A1 Telekom Austria jedenfalls will man in vielen Bereichen nicht in altbekannte Gewässer zurück. „Wir wollen weiterhin die flexiblen Arbeitsweisen, die das Homeoffice gebracht hat, beibehalten“, erzählt Alfred Mahringer, Personalchef bei A1.
„Unser Prinzip lautet: flexibles Arbeiten wo es möglich ist, örtlich und zeitlich.“ Zudem habe man erste Büroflächen zurückgegeben. „Würden wir heute ein Unternehmen aufmachen, würden wir keine ganze Immobilie mehr anmieten, sondern uns in kleinen Büros je nach Bedarf einmieten“, so Mahringer.
Keine langen Meetings
Agiles Arbeiten war im Unternehmen zwar nicht neu, man habe aber viele Methoden auf das ganze Unternehmen ausgerollt, die zuvor mehr im IT-Bereich angesiedelt waren. „Seit Corona gibt es in der ganzen Organisation sogenannte Dailys, kurze 15-minütige Besprechungen. Sie sind viel effizienter als ein Jour fix. Physische Meetings gibt es nur noch für die besonderen Momente.“
Kein One-size-fits-all
Allerdings stößt ein Riesenkonzern dabei auch immer wieder an seine Grenzen. Denn: Heimarbeit adressiert vor allem Büro-Angestellte, die sogenannte White-Collar-Jobs ausüben.
Man habe aber auch Mitarbeiter in Shops, Techniker, die zu den Kunden fahren oder für Montagen auf Masten klettern, so Mahringer. „Wir als große Organisation müssen noch lernen, mehrere Lösungswege zu finden. Es gibt keine Lösung für alle.“
Neue Führungskultur
Etablierte Unternehmenskulturen zu ändern, stellt auch die Chef-Etage auf die Probe. Der HR-Chef bemerkte das bei einem Rundgang durch das Hauptgebäude in der Lassallestraße in Wien. Es war fast leer, rund 1.000 Mitarbeiter sind noch immer im Homeoffice.
„Wir glaubten, es werde nur dann gearbeitet, wenn die Büros voll sind.“ Stärker auf die Leistungserbringung, den Output zu schauen, das beschäftige die gesamte Führungsriege nach wie vor, auch ihn, so Mahringer.
Mehr Flexibilität
Was in Krisen zur Herausforderung wird, ist die langfristige Planung. Wie viele Firmen steuert auch der Landtechnik-Betrieb Pöttinger auf einen unsicheren Herbst zu.
Das Familienunternehmen aber ist krisenerprobt. Man erlebte den Rinderwahn, die Schweinegrippe, die Finanzkrise, nun die Corona-Pandemie. Von dieser erholt sich der Betrieb im Moment.
Die Stimmung in der Landwirtschaft sei aber besser, meint der Geschäftsführer Markus Baldinger. Trotz der Rezession habe man nicht an Schwung verloren, sagt der CEO, sondern einfach weitergemacht.
Kürzere Arbeitsintervalle
2017 wurden bereits erste agile Arbeitsweisen in der F&E-Abteilung implementiert und diese mit der Zeit auf andere Bereiche ausgeweitet. „Wir unterteilen große Projekte in kleinere Sprints und schließen diese in 14-Tages-Rhythmen ab. Dabei geben wir unserem Team nur das Ziel vor und ansonsten sehr viel Freiraum, wie sie diese erreichen“, so Baldinger.
„Wir haben dadurch gelernt, unseren Mitarbeitern mehr zu vertrauen und haben gesehen, dass sich die Motivation und die Zusammenarbeit verbessert hat“, so der CEO.
Fehler- und Lernkultur etablieren
„Zu lernen, besser mit Unsicherheiten umzugehen, ist eines der Ziele einer agilen Organisation“, erklärt Paul Stanzenberger, Gründer von Teamazing. Seine Mitarbeiter und er trainieren Teams dabei, agile Methoden zu etablieren.
Wenn eine Organisation lernen will, in unvorhergesehenen Situationen trotzdem agil und flexibel zu reagieren, müssen kleine Experimente mit offenem Ausgang erlaubt sein. „Nur so schafft man eine Lern- und Fehlerkultur und traut sich, Neues auszuprobieren“, so Stanzenberger.
Mindset weiterentwickeln
Wichtig für die Post-Corona-Zeit sei, das neue Mindset auch systematisch weiterzuentwickeln. Das Einführen von Homeoffice an sich sei keine agile, sondern eine notgedrungene Lösung gewesen.
Stanzenberger: „Aber es hat viele Unternehmen in die richtige Richtung gebracht: kurzfristiger zu planen, transparenter zu kommunizieren und Mitarbeitern mehr Freiraum zu geben, wie sie Projektziele erreichen.“ Neue Ideen in Organisationen nicht nur auszuprobieren, sondern auch weiterzuentwickeln, ist der nächste Schritt im Agilitäts-Rezept.
Bei der A1 möchte man auf den neuen Erkenntnissen aufbauen und den Mitarbeitern bald die Möglichkeit geben, selbst über die Arbeitszeiten im Büro zu entscheiden, erzählt Mahringer dem KURIER, außerdem wolle man an neuen Führungsprinzipien arbeiten. „Wir wollen unseren Schwung nicht verlieren, sondern beibehalten.“
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