900 Jahre Arbeit
In ihrem neu erschienenen Buch "Arbeit" hat Historikerin Andrea Komlosy das Phänomen Arbeit im globalen Kontext vom 13. Jahrhundert bis heute aufgearbeitet. Andrea Komlosy ist Professorin am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien. Im Interview spricht sie über die Verachtung der Arbeit in der Antike, das Entstehen der Erwerbsarbeit und Frauen, die schon im 16. Jahrhundert im Bergbau mitarbeiteten.
KURIER: In welchem Jahrhundert würden Sie am liebsten arbeiten?
Andrea Komlosy: Ich beschäftige mich gern mit anderen Jahrhunderten, will aber mein Leben in der jetzigen Zeit nicht missen.
Wie hat sich das Image von Arbeit gewandelt?
Es gibt zwei Arbeitsbegriffe: Die Arbeit und das Werk, im Lateinischen Labor und Opus. Labor ist mühevolle schwere Arbeit, die immer wieder verachtet wurde, Opus ist die kreative Arbeit der Künstler, Handwerker, die meist positiv gesehen wurde, weil sie mit Ausbildung und Können verbunden war.
Blicken wir ins 13. Jahrhundert zurück: Wovon war Arbeit geprägt?
Mit der Stadtentwicklung spezialisierte sich das Handwerk heraus, es bildeten sich Zünfte. Der Handwerker-Haushalt war Arbeits- und Lebensgemeinschaft – da wurde für die Selbstversorgung, den Markt, den Grundherrn und den Staat gearbeitet. Frauen, Männer, Gesellen und Lehrlinge waren Teil der Familienwirtschaft. Unbezahlte und bezahlte Arbeit flossen zusammen.
Wie war die Arbeit auf Frauen und Männer verteilt?
Das Handwerk war in männlicher Hand, es kam aber vor, dass Witwen das Handwerk ihrer Ehemänner weiterführten. Im bäuerlichen Haushalt waren die Aufgaben klar festgelegt, Frauen wie Männer waren aber an Selbstversorgung und Marktproduktion beteiligt. Die Frauen sponnen Flachs, verkauften Eier auf den Märkten.
Im 16. Jahrhundert kam der Bergbau auf, in dem auch Frauen beschäftigt wurden.
Die Frauen waren mit vielen Kindern ans Haus gebunden, arbeiteten aber in allen Bereichen mit – auch im Bergbau.
Unbezahlte und bezahlte Arbeit wurde lange Zeit vermischt?
Ja, erst mit Einführung des Fabrikwesens um 1800 erfolgte eine rigide Geschlechtertrennung – die Frau war fürs Häusliche, der Mann für den Erwerb zuständig. Arbeit wanderte in die Fabrik oder ins Büro, Arbeit, die im Haus zurückblieb, wurde nicht mehr als solche angesehen. Erwerbsarbeit wurde als wertschöpfend betrachtet, Hausarbeit war das, was der Natur der Frauen entsprach. Bei ärmeren Familien verdienten Frauen zwar dazu, ihre eigentliche Bestimmung war aber jene der Hausfrau und Mutter. Das haftet der weiblichen Erwerbstätigkeit heute immer noch an.
Die Frau im Bürgertum wurde ins Heim verbannt.
Vor der industriellen Revolution war die bürgerliche Frau sehr wohl im Gewerbe tätig. Dann wurde es für sie unschicklich, am Erwerbsleben teilzunehmen. Sie kümmerte sich um Haushalt und Kindererziehung, hatte Dienstboten.
Wie sah die Arbeit im 18. Jahrhundert aus?
Wir glauben heute, dass die Fabrik der Beginn der großbetriebliche Produktionsweise war, aber in Wahrheit war es das Verlagswesen, das um 1700 eingeführt wurde: Durch den Handel mit Asien entstand eine unheimliche Nachfrage nach Seiden- und Baumwollstoffen. Der Großhändler besorgte Rohmaterial, vergab es an Haushalte, die es weiterverarbeiteten, Fuhrwerke holten die Ware ab. Für die Schwechater Baumwollmanufaktur arbeiteten um 1750 etwa 30.000 Personen im Waldviertel von zu Hause aus, manche hauptamtlich, viele neben der Landwirtschaft.
Die Arbeitsteilung veränderte sich: Die Frauen wurden fürs Spinnen abgestellt, die Männer kümmerten sich stärker um die Selbstversorgung, bestellten die Felder.
Dann kam die Zeit der Fabriken – wie waren die Arbeitsbedingungen?
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das eine extreme Ausbeutung. Es gab keine Regeln, Frauen, Männer Kinder wurden reingesteckt, arbeiteten unter völlig ungeschützten Bedingungen, so lange sie konnten, Sterblichkeit und Krankheiten waren hoch. Dann organisierten sich die Arbeiter, um 1890 wurden Kranken- und Sozialversicherung eingeführt. Sozial abgesichert waren damit aber nur 10 bis 20 % der Bevölkerung. Die anderen mussten von ihrer Familie durchgebracht werden, wenn sie alt oder arbeitslos wurden.
Inwiefern hat sich unser Begriff von Arbeit verändert?
Unser Verständnis von sozial abgesicherter Erwerbsarbeit ist mittlerweile überholt – ungesicherte und prekäre Arbeit gewinnt in unserer Gesellschaft an Bedeutung. Es gibt eine Angleichung der Arbeitsverhältnisse nach unten.
Kommentare