Der 24-Stunden-Retter
Bergretter sollten Lebensretter heißen. Wäre wohl viel zu theatralisch: Man liebt ja nur die Berge und leistet gerne Hilfe, sagt Matthias Marxgut. Seit 2002 ist der Landwirt bei der Vorarlberger Bergrettung, auch im Vorstand.
1 Sind Sie verärgert, wenn Sie unvorsichtige Bergtouristen retten müssen?
Man wundert sich eher. Zum Beispiel, wenn die Person die Rettung als selbstverständlich ansieht.
2 Wie gehen Sie damit um, wenn Sie jemanden nur mehr tot bergen können?
So tragisch eine Situation ist, man muss den Einsatz als Auftrag sehen und aufpassen, dass man sich nicht zu sehr von den Emotionen der Angehörigen anstecken lässt.
3 Die schönste Situation, die Sie erlebt haben?
Es ist immer schön, wenn sich eine schwierige Situation positiv entwickelt. Ich kann mich an eine betagte Frau erinnern, die wir nach vier Tagen unverletzt bergen konnten. Bei einer Über-80-Jährigen geht man nicht mehr davon aus, dass man sie lebend findet.
4 Die tragischste Situation?
Als ein Kollege von einer privaten Skitour nicht nach Hause gekommen ist. Wir konnten ihn nur mehr tot bergen. Es ist sehr schwierig, wenn man jemanden gut kennt.
5 Wie geht Ihre Familie damit um, dass Sie sich in gefährliche Situationen begeben?
Sie sind es inzwischen gewöhnt. Mehr als „Pass auf“, gibt es eigentlich nicht.
6 Wie kann man sich einen Einsatz vorstellen?
Als Bergretter hat man das ganze Jahr, rund um die Uhr, Bereitschaft. Alarmiert werden wir über den Pager. Bei zeitkritischen Einsätzen wie Lawinen begibt man sich schnellstmöglich in die Ortsstelle. Derjenige, der als Erster eintrifft, übernimmt den Einsatz. Es wird besprochen und wir versuchen alles, um der Person zu helfen. Dann übergeben wir an die Flugrettung oder das Rote Kreuz.
7 Wie ist die Ausbildung? Hart?
Bei der Bergrettung sind Menschen, die gerne in die Berge gehen. Die Ausbildung ist zeitintensiv, hart würde ich nicht sagen.
8 Aus welchen Gründen werden Bewerber abgelehnt?
Eine gewisse körperliche und geistige Verfassung ist natürlich Voraussetzung. Man muss skifahren können und im dritten Schwierigkeitsgrad klettern. Wenn wir keinen Bedarf haben, müssen wir ablehnen.
9 Wie lässt sich das mit einem Job vereinbaren?
Ich schätze, dass 70 Prozent unserer Einsätze am Wochenende oder in der Nacht sind. Meist ist es auch kein Problem, von der Arbeit wegzukommen – im Gegenteil. Schwierig wird es, wenn die halbe Firma bei der Bergrettung ist oder wenn man tagelang weg ist.
10 Welche Lehren haben Sie nach elf Jahren gezogen?
Man wird sicher vorsichtiger. Ich habe gelernt, wie wichtig Kameradschaft ist. Und wie spannend es ist, eine ehrenamtliche Organisation zu leiten.
11 Wie lange werden Sie das machen können?
Man kann mit der Bergrettung alt werden. Wir haben auch 80-Jährige, die sehr aktiv sind.
12 Welchen Gipfel würden Sie gerne erklimmen?
Es gibt noch einige.
13 Der Tourismus wirbt mit den Bergen. Sie setzen Ihr Leben aufs Spiel und legen für Ihre Ausrüstung auch noch Geld drauf.
Wir haben ein sehr gutes Einvernehmen mit dem Tourismus. Viele von uns kommen aus einer Tourismusregion oder haben einen Betrieb. Den Großteil der Ausrüstung bekommen wir gestellt, aber ein gewisser Privatanteil ist dabei – Tourenski kaufen wir uns zum Beispiel selbst. Und: Wir sind sehr darauf bedacht, unser Leben nicht aufs Spiel zu setzen.
Matthias Marxgut wuchs in einer 400-Einwohner-Gemeinde in Vorarlberg auf. Mit zehn Jahren wollte er Landwirt werden, doch er besuchte eine HTL für Elektrotechnik und arbeitete im Energiebereich. Zuletzt leitete er das Ländle Marketing. Am 1. April 2013 hat Marxgut den Klostergutshof Mehrerau übernommen.
In Zahlen19 Menschen sind im Sommer 2013 bereits tödlich auf den Bergen verunglückt.
1300 ehrenamtliche Mitgliederhat die Vorarlberger Bergrettung, aufgeteilt auf 31 Ortsstellen.
3 Jahre nachdem Bewerber bei der Ortsstelle aufgenommen wurden, müssen sie die Ausbildung positiv abschließen. Die Grundausbildung besteht aus der Ortsstellenausbildung, einem Winter-, einem Fels-, einem Eiskurs und dem Alpinmedizinischen Kurs.
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