Juncker: "Geschwätz über Austritt nicht hilfreich"
Durchgerechnet werden die Folgen eines Ausstiegs Griechenlands aus der Euro-Zone längst. Das ist kein Geheimnis mehr. Aber darf man auch laut über "Grexit" nachdenken? Oder ist das der Anfang einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung?
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker forderte seine Politiker-Kollegen nun in einem dramatischen Appell zu Zurückhaltung auf: "Die Welt redet darüber, ob es die Eurozone in einigen Monaten noch gibt", sagte Juncker der Süddeutschen Zeitung. "Alles Geschwätz über den Austritts Griechenlands ist da nicht hilfreich."
Und weiter: "Nur um einen billigen innenpolitischen Diskurs zu unterstützen, sollte man den Austritt nicht mal als Hypothese behandeln." – Ein ziemlich unverblümter Maulkorb in Richtung FDP-Chef Philipp Rösler, der vergangene Woche über ein Euro-Aus der Griechen spekuliert hatte.
Kritik
Überhaupt sparte Juncker nicht mit Kritik an der deutschen Krisen-Politik: "Wieso eigentlich erlaubt sich Deutschland den Luxus, andauernd Innenpolitik in Sachen Eurofragen zu machen? Warum behandelt Deutschland die Euro-Zone wie eine Filiale?"
Auch der frühere britische Premierminister Tony Blair rief Deutschland zur Rettung des Euro auf: "Sämtliche Alternativen sind unschön", schrieb er in der Bild-Zeitung; die beste Möglichkeit sei aber, "den Euro zu retten". Die Eurokrise sei "am ehesten noch vergleichbar mit der Situation in den 1930er-Jahren", so Blair.
Wie Juncker andeutet, könnten schon bald neue Hilfsmaßnahmen beschlossen werden: "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren", sagt er; welche Maßnahmen ergriffen werden, "entscheiden wir in den nächsten Tagen".
Erwartet wird, dass die Europäische Zentralbank gemeinsam mit dem Rettungsfonds EFSF Anleihen kaufen wird, um Spanien und Italien unter die Arme zu greifen. Beide Länder kämpfen derzeit mit besonders hohen Zinssätzen. EZB-Chef Mario Draghi hatte vergangene Woche angekündigt, die EZB werde "alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten".
Gipfeltreffen
Diese Kampfansage Draghis konnte die Märkte kurz beruhigen. Und sie dürfte auch US-Finanzminister Timothy Geithner gefallen, den Draghi Montag Abend in Frankfurt zu einem Gespräch traf. Geithner hat die Euro-Politiker zuletzt mehrfach dazu aufgefordert, die Eurokrise durch "beherzte Maßnahmen" beizulegen.
Am Montagnachmittag ist Geithner beim deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble zu Gast.
Wachstum in der Eurozone knickt weiter ein
Die Angst vor einer Rückkehr der Rezession in zahlreichen Eurostaaten steigt. Die Ratingagentur S&P hat am Montag ihre Prognose für das Wachstum der Eurozone im nächsten Jahr von 1,0 auf 0,4 Prozent nach unten revidiert. "Wir sehen eine Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent, dass es sogar zu einer Rezession kommt", heißt es. Für heuer wird bereits ein Minus von 0,6 Prozent erwartet.
Deutlich schlechter geht es Spanien. Ökonomen sagen ein Minus von bis zu 1,8 Prozent heuer voraus. Im zweiten Quartal schrumpfte die Wirtschaft um 1,0 Prozent zum Vorjahresquartal (nach minus 0,4 Prozent im ersten Vierteljahr). Die Arbeitslosigkeit liegt mit 24,6 Prozent so hoch wie seit Ende der Diktatur Francos 1976 nicht mehr. Dennoch versicherte Deutschlands Finanzminister Schäuble erneut, dass das Land über die bisher zugesagten 100 Mrd. Euro für die Banken keine weitere Hilfe benötige.
Auch Österreich kann sich der starken Abschwächung im Euroraum nicht entziehen. Der Bank Austria EinkaufsManagerindex musste im Juli den fünften Rückgang in Folge und den größten seit Einführung des Indikators 1998 hinnehmen. "Der Index ist unter die Wachstumsgrenze von 50 Punkten gefallen", sagt BA-Chefökonom Stefan Bruckbauer. "Damit ist die Industrieproduktion erstmals heuer rückläufig." Der Beschäftigungsabbau erreichte ein Tempo wie zuletzt Anfang 2010.
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