Jugend-Bonus und Alters-Malus
Als AMS-Vorstand hält sich Johannes Kopf aus politischen Debatten gerne heraus. Nicht diesmal. Sein als "Privatmeinung" gekennzeichneter Gastkommentar im Wochenend-Standard löste heftige politische Reaktionen aus. Kopf beschäftigt sich darin mit der steigenden Altersarbeitslosigkeit und fordert eine Abflachung der in Österreich besonders stark ausgeprägten Lebensverdienstkurve. Er regt konkret eine Verschiebung der Beitragslast in der Pensionsversicherung an.
Die Pensionsversicherungsbeiträge sollen je nach Alter gestaffelt werden – derzeit sind sie altersunabhängig zwischen Arbeitnehmer (10,25 Prozent) und Arbeitgeber (12,55 Prozent) aufgeteilt. Kopf will, dass die Beiträge jüngerer Arbeitnehmer zur Gänze (22,8 Prozent) vom Arbeitgeber bezahlt werden, jene der älteren Arbeitnehmer hingegen (fast) zur Gänze (20,5 Prozent) vom Arbeitnehmer. Ältere Beschäftigte würden dadurch für die Betriebe billiger, hätten aber netto rund zehn Prozent weniger Gehalt.
Gegner
Dieser defacto-Einkommensverlust im Alter können die Arbeitnehmer-Vertreter freilich nicht hinnehmen, entsprechend einhellig wird der Kopf-Vorschlag zerpflückt. "Ich halte das für ein Modell mit vielen Schwächen. In erster Linie würden davon die Betriebe und nicht die Arbeitnehmer profitieren", sagt Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske. Sozialminister Rudolf Hundstorfer, dem das AMS untersteht, erteilt dem privaten Kopf-Vorschlag eine Absage.
Das viel kritisierte Senioritätsprinzip käme nur bei einem Viertel der Beschäftigten zur Anwendung, Hilfsarbeiter etwa hätten flache Gehaltskurven. Niedrig qualifizierte Arbeitslose hätten nichts von dem Modell, außerdem wäre es wegen der Benachteiligung der heute über 50-Jährigen nur mit einer "immensen Übergangszeit" von 40 Jahren umsetzbar. Hundstorfer verweist auch auf die Zuständigkeit der Sozialpartner.
Befürworter
Auf ihre Zuständigkeit pocht auch die Wirtschaftskammer. Deren Sozialexperte Martin Gleitsmann gibt aber zu: "Wir treten bei der Frage der Seniorität schon seit Langem auf der Stelle." Den Kopf-Vorschlag will er daher unbedingt diskutieren. "Ich finde die Idee erfrischend und interessant." Die höheren Kosten seien eines der Hauptargumente für die Nicht-Einstellung älterer Arbeitnehmer. Die WKÖ fordert seit Langem eine Lohnnebenkostensenkung.
Applaus erhält Kopf auch vom Pensionsexperten Bernd Marin. "Jeder Vorschlag zur Abflachung der Gehaltskurve ist besser als gar keiner." Die Sozialpartner seien in dieser Frage uneins und daher seit Jahren säumig. Allerdings gebe es bei der Verteilung der Lasten "einige Haare in der Suppe". Marin verweist auf sein eigenes Modell. Es zielt auf ein kombiniertes Arbeits- und Erwerbslosigkeitsrisiko ab und sieht eine symmetrische Bonifikation in der Sozialversicherung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor. Das Modell umfasst immerhin 20 Seiten in Marins neuem Buch.
Die Altersarbeitslosigkeit steigt seit Monaten doppelt so stark wie die allgemeine und wird noch weiter dramatisch zunehmen. Die „Babyboomer“ werden gerade erst 50 ...
Die Unternehmen stellen schlicht zu wenige ältere Arbeitskräfte ein. Eines der häufigsten Argumente: Ältere sind einfach zu teuer. Seit Monaten wird über ein Bonus-Malus-System für Betriebe als Anschubhilfe für mehr Jobs gesprochen, seit Monaten geschieht genau gar nichts. Warum? Eine Wurzel des Übels ist auch das im internationalen Vergleich extrem ausgeprägte Senioritätsprinizip bei den Angestellten. Noch immer gibt es Kollektivverträge, die einzig dazu führen, dass Junge immer seltener fix angestellt und Ältere hinausgedrängt werden. Warum?
AMS-Chef Kopf hat jetzt einen Vorschlag zur Abflachung der Gehaltskurven vorgelegt. Es ist nicht nur der erste seit langer Zeit überhaupt – traurig genug –, er klingt auch durchaus vernünftig. Der „Jugendwahn“ bei der Einstellung verliert an Bedeutung, wenn Ältere billiger werden, die Jüngeren wiederum werden weniger ausgebeutet, weil ihnen netto mehr übrig bleibt.
Soweit die Theorie. In der Praxis spricht viel gegen dieses „Bonus-Malus-System“. Ältere wären benachteiligt, weil sie nie den Jugend-Bonus in Anspruch nehmen konnten und für Geringverdiener wäre ein zehnprozentiger Gehaltsschnitt schlicht unzumutbar. Fraglich ist auch, ob die Betriebe höhere Lohnnebenkosten bei den Jüngeren so einfach hinnehmen bzw. sie nicht erst recht wieder in prekäre Jobs drängen. Die Idee ist noch nicht ausgereift, sie müsste modifiziert und mit einem Stichtag eingeführt werden, so dass sie erst in Jahrzehnten wirkt. Aber statt reflexartig Nein zu sagen, sollte endlich einmal etwas angepackt werden. Worauf noch warten?
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