Der Professor des Glücksspiels

Der Professor des Glücksspiels
Gründer Graf begann mit Flipper-Automaten, jetzt zählt seine Firma zu den Technologie-Führern.

Johann F. Graf hat es geschafft. Er spielt in der Oberliga der Reichen mit. Der Gründer und Inhaber des Novomatic-Konzerns scheint heuer erstmals im Milliardärsranking der Finanznachrichtenagentur Bloomberg auf. Mindestens 4,9 Milliarden Dollar muss man schwer sein, um mitspielen zu dürfen. Der Selfmade-Industrielle belegt Platz 192, sein Imperium wird auf 6,8 Milliarden Dollar (knapp 5 Milliarden Euro) geschätzt. Bisher war Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz als einziger Österreicher vertreten, er rangiert noch knapp vor Graf.

Leben ohne Seitenblicke

Der Professor des Glücksspiels
Die Freude des Mannes, der einen der erfolgreichsten Glücksspielkonzerne der Welt aufbaute, dürfte sich darüber allerdings in Grenzen halten. Im Gegensatz zu Mateschitz ist der 66-jährige Graf in der Öffentlichkeit völlig unbekannt. Seitenblicke-Events sind dem Entrepreneur, der lieber strategisch im Hintergrund arbeitet und von seinen Mitarbeitern nur als „Professor“ tituliert wird, ein Gräuel. Repräsentationspflichten überlässt Graf liebend gerne seinem Generaldirektor Franz Wohlfahrt.

Im Glasturm

Die Geschichte des Konzerns, der heute weltweit über Tochterunternehmen in 43 Staaten mehr als 20.000 Mitarbeiter beschäftigt, inklusive der beiden Schweizer Schwester-Holdings rund 3,2 Milliarden Umsatz und ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) von 359 Millionen Euro einfährt, begann 1980 auf der grünen Wiese. Mit gerade einmal 12 Mitarbeitern legte Graf auf den „Morandell“-Gründen in Gumpoldskirchen südlich von Wien den Grundstein für sein Imperium. Heute dirigiert er aus der Kommandozentrale in einem Glasturm mit freiem Blick über die hochmodernen Fertigungshallen sein Reich.

Der Professor des Glücksspiels
In einem unglaublich rasanten Tempo wurde expandiert, immer mehr Produktionsstandorte und Kompetenz-Zentren kamen dazu: Neben dem Stammwerk in Gumpoldskirchen werden in Deutschland, Großbritannien, Russland, Tschechien, Ungarn und Argentinien Spiel-Automaten und High-Tech-Großgeräte für Casinos gefertigt.

Pro Jahr laufen rund 70.000 Glücksspielgeräte vom Band, produziert von weltweit rund 5000 Mitarbeitern. In Gumpoldskirchen ist auch das Forschungs- und Entwicklungszentrum.

Die industrielle Produktion ist das Kernstück der Gruppe. Zweites Standbein ist der Betrieb von Automaten und Casinos. Novomatic betreibt international 215.000 Glücksspielgeräte sowie 1400 Spielbanken und Automatensalons, in Berlin zum Beispiel das umsatzstärkste Casino Deutschlands. Als in Chile eines der größten Casinos Lateinamerikas aufgesperrt wurde, sang Jennifer Lopez für die Eröffnungsgäste.

„Mobile Gaming“

Außerdem ist die Gruppe in Europa der mit Abstand größte Betreiber von Video Lottery Terminals (38.000 Einheiten). Das sind vernetzte Automaten, für die eine Lotterien-Konzession erforderlich ist. Die Tochter Admiral ist der größte heimische Sportwetten-Anbieter.

Zudem wird das Online-Spiel ausgebaut, wobei Novomatic im Web weniger das Geschäft mit den Endkunden forcieren will, sondern Spiele-Inhalte für lizensierte Anbieter. Als neues Geschäftsfeld wird gerade der Bereich „Mobile Gaming“ aufgebaut. In der Branche nennt man ein derart aufgestelltes Unternehmen einen integrierten Konzern. In Europa ist Novomatic längst Branchenführer, weltweit rangiert die Gruppe unter den Top Drei.

Seine Technik-Affinität wurde für den jungen Graf, der ursprünglich Fleischermeister lernte, um den elterlichen Betrieb in Perchtoldsdorf zu übernehmen, zum großen Glückstreffer. Vor der Gründung der Novomatic importierte er mit einem Freund Flipper-Automaten. „Damals hatte ich noch keine Ahnung von Spielautomaten jeglicher Art, mein Horizont erstreckte sich gerade einmal auf Tischfußball“, erinnert sich Graf an die Anfänge.

50.000 Schilling Startkapital

Mit 50.000 Schilling Startkapital, seinem ganzen Ersparten, begann er mit der Produktion von Billardtischen. Bald importierte er Slotmaschinen aus Großbritannien. Mitte der 70er-Jahre bahnte sich in der Branche eine technologische Revolution an – der Umstieg von Elektromechanik auf Elektronik. Die meisten der traditionellen Hersteller hatten noch wenig Ahnung von der neuen Technologie. „Gerade darin sah ich meine Chance“, erzählt Graf, der sofort Elektronik-Spezialisten anheuerte: „Entscheidend war von Anfang an, die Trends zu erkennen“.

Technologie-Führer

Das Unternehmen darf sich weltweit zu den Technologie-Führern zählen. Als Ende der 90er-Jahre am Höhepunkt der Internetblase gut ausgebildete IT-Experten im Westen Mangelware wurden, fand Graf die Entwickler in Polen. Gründete mit der Universität Krakau ein Forschungs- und Entwicklungszentrum, in dem mehr als 150 Software-Spezialisten Spiele konzipieren.

Seine Unternehmensgruppe definiert Graf als „Maßschneider vom Allerfeinsten. Wir machen sozusagen die Brioni-Anzüge der Glücksspielbranche.“ Um den hohen Qualitätsstandard zu halten, werden möglichst viele Komponenten im eigenen Haus erzeugt, von der Software bis zur Tischlerei. Nur in Ausnahmefällen werden Subaufträge auch nach China vergeben. Man müsse sehr vorsichtig sein, schränkt Graf ein, „Leiterplatten von uns wurden schon kopiert und von chinesischen Graumarktanbietern auf den Markt gebracht“. Weshalb man lieber etwas mehr zahle, dafür das Know-how aber in der Hand behalte.

Wie sehr hat sich das Leben eines Mannes verändert, der bei seinen Großeltern in einer Zimmer-Küche-Wohnung in Döbling aufwuchs und der heute seine internationalen Termine im Firmenjet absolviert? „Nicht wirklich. Das Geld steckt in der Firma. Ich führe ein relativ normales Leben“, sagt der notorische Vielarbeiter über sich, dessen einziges Hobby das Sammeln von Oldtimern ist. Er reise sehr viel und sehe, „wie Menschen anderswo in großer Armut leben. Als Unternehmer muss man achtgeben, nie den Boden unter den Füßen zu verlieren.“

Großzügig ist die Gruppe bei der Unterstützung von sozialen und kulturellen Projekten. Wie aber geht Graf mit dem Problem Spielsucht um? „Zum Glück haben nur weniger als ein halbes Prozent der Spielteilnehmer ein Problem. Wir legen daher in unseren Spielbetrieben großen Wert auf die strenge Einhaltung des Jugendschutzes.“ Registrierungspflicht und Ausweiskontrolle seien zudem „die besten Mittel zur Durchsetzung von aktivem Spielerschutz“.

Firma

1980 gegründet von Johann F. Graf, Alleineigentümer.

Größter integrierter Glücksspielkonzern Europas, weltweit unter den Top Drei.

Mehr als 20.000 Mitarbeiter, davon rund 5000 in der Produktion. Pro Jahr werden rund 70.000 Glücksspielgeräte produziert.Die Gruppe setzt jährlich 3,2 Milliarden Euro um, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit macht 359 Millionen Euro aus. Der Konzern exportiert in 80 Länder und hat 43 Tochterunternehmen. In Argentinien, Deutschland, Großbritannien, Tschechien, Ungarn und Polen gibt es Produktions- bzw. Forschungsstandorte.

Standbeine

Neben der Produktion betreibt Novomatic 215.000 Glücksspielgeräte, 38.000 Video Lottery Terminals, sowie mehr als 1400 Automatensalons und Casinos. Zum Konzern gehören auch Admiral Sportwetten, Online-Spiel und Mobile-Gaming.

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