IWF zerpflückt Euro-Regeln

IWF zerpflückt Euro-Regeln
Heftige Kritik am neuen Stabilitätspakt: Vorschriften zu wirr, Strafen zu mild.

Die Regeln völlig vertrackt, die Kennzahlen fehleranfällig und die Strafen zu mild: Der Internationale Währungsfonds (IWF) zerpflückt die neuen Budgetregeln, die sich die Eurozone nach den Erfahrungen der Schuldenkrise verpasst hat.

Dabei sollte der strengere Stabilitäts- und Wachstumspakt garantieren, dass Eurostaaten nie mehr gegen die EU-Budgetvorschriften verstoßen – was bei den alten "Maastricht-Kriterien" ständig passiert ist.

Die IWF-Experten haben Zweifel, dass sich das nun ändert. Besonders an der wichtigsten Steuergröße lassen sie kein gutes Haar: Das strukturelle Defizit ist die Lücke zwischen den Staatseinnahmen und -ausgaben, wobei aber das Auf und Ab der Konjunktur ausgeblendet werden soll.

Die Idee: Es ist normal, dass ein Staat in der Krise weniger Steuern einhebt und mehr Geld (etwa für Arbeitslose) ausgibt. In besseren Zeiten sollte sich das ausgleichen, also zieht man schwankungsabhängige Budgetgrößen ab.Klingt plausibel, stößt aber auf große Probleme. Der aktuelle Wert des strukturellen Defizits kann nämlich nur geschätzt werden. Das macht die Kennzahl höchst fehleranfällig, schreibt die Washingtoner Finanzinstitution in ihrem am Montag veröffentlichten Bericht. Nachträgliche Berichtigungen im Ausmaß von 0,5 Prozent der potenziellen Wirtschaftsleistung (BIP) seien üblich. So eine große Fehlertoleranz führt aber den EU-Fiskalpakt ad absurdum. Dieser schreibt vor, dass das strukturelle Defizit nicht höher als 0,5 Prozent des BIP sein darf. Streit mit "Sünderstaaten" über die Zahlen ist damit programmiert.

Flexible Auslegung

"Es stimmt, das Regelwerk ist viel zu kompliziert. Ein rasches Flicken wird nicht reichen, da braucht es eine Generalüberholung", sagt Grégory Claeys von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zum KURIER. Wie verwirrend die Vorschriften sind, zeigte sich Anfang Juli beim EU-Finanzministertreffen: Italien wollte Ausnahmen für langfristige staatliche Investitionen erwirken. Das ließen die Budgetregeln ohnehin zu, konterte Deutschland. "Unter Flexibilität versteht jeder etwas anderes", erklärt Claeys. Ein besseres Regelwerk sollte sinnvolle Ausgaben ermöglichen, aber verhindern, dass jedes Land macht, was es will.Die aktuellen Budgetziele könnten hingegen sogar dazu führen, dass wichtige Pensionsreformen unterbleiben müssen, wenn sie Anlaufkosten verursachen, warnt der IWF. Zudem seien die Geldstrafen zu mild – Brüssel habe kaum Werkzeuge, um Staaten zur Budgetdisziplin zu zwingen. Zumal sich nach den Wahlerfolgen der Euroskeptiker ohnehin Reformmüdigkeit breitmache.

Die EU-Kommission findet die Kritik überzogen. Einige Länder hätten ihre Budgets schon saniert. Das beweise doch, dass die Regeln wirken.

Kommentare