Licht und Schatten um den Kreml

In Sachen verantwortungsbewusster Führung hat Russland noch einiges aufzuräumen.
Trotz der jüngsten Rubel-Turbulenzen bieten sich mutigen Investoren Chancen, sagen Experten.

Er ist zwar nicht unbedingt ein Guru, aber doch ein anerkannter Investor, der Gehör findet: Der Amerikaner Jim Rogers, der schon seit 46 Jahren Geld rund um den Globus anlegt. Mit seinen Empfehlungen küsste er in den 1980er-Jahren die Wiener Börse aus ihrem Dornröschenschlaf. Von Investments in Russland hat er bisher die Finger gelassen. Jetzt hat er erstmals zugeschlagen, erzählte er kürzlich auf einem Investmentkongress in London. Zugelegt hat er sich etwa Aktien der Fluggesellschaft Aeroflot und der Moskauer Börsegesellschaft.

Ob Rogers auch am russischen Aktienmarkt als Küsserkönig Erfolg hat, bleibt abzuwarten. Mit den Olympischen Winterspielen in Sotschi will Präsident Vladimir Putin zwar sicher auch transportieren, zu welcher Wirtschaftsmacht es Russland wieder geschafft hat. Was das betrifft, gibt es auch tatsächlich viele Lichtblicke. Investoren müssen sich allerdings auch mit den Schattenseiten auseinandersetzen.

Dunkle Seiten

Demokratie-Defizite, Einschränkung bei der Pressefreiheit, rüdes Umgehen mit Andersdenkenden oder diktatorische Re-Verstaatlichungen sind nur Beispiele für so manches Vorgehen, das Investoren abschreckt. Um die Jahrtausendwende hatte Russland nur noch etwa zehn Prozent der staatlichen Ölförderung in Staatshand. Jetzt sind es wieder mehr als 50 Prozent. Bei den Banken gibt es ähnliche Tendenzen.

Dazu kommt, dass der Rubel – wie die Währungen vieler anderer Schwellenländer – massiv unter Druck steht. Und dass sich die russische Wirtschaft alles andere als berauschend entwickelt. Im Vorjahr gab es ein bescheidenes Wachstum von 1,5 Prozent, heuer werden es rund zwei Prozent sein. Ein Schwachpunkt ist auch, dass es Russland bisher nicht geschafft hat, die hohe Abhängigkeit von Rohstoff-Experten (vor allem Öl und Gas) zu reduzieren und die Wirtschaft breiter aufzustellen.

Helle Seiten

Anders als andere Schwellenländer kann Russland einen Überschuss in der Leistungsbilanz vorweisen. Das Budgetdefizit wird heuer voraussichtlich beinahe ausgeglichen ausfallen und das Land hat hohe Währungsreserven aufgebaut. Die Staatsverschuldung ist mit zehn Prozent der Wirtschaftsleistung beneidenswert niedrig. Als Markt ist das riesige Land mit seinen 141 Millionen Einwohnern nicht zu unterschätzen. Der private Konsum hat mittlerweile jenen von Frankreich und Großbritannien überrundet. Innerhalb Europas ist nur noch Deutschland ein größerer Konsummarkt. Kein Wunder, dass Händler in den Osten drängen. Die deutsche Schuhkette Deichmann wird heuer erste Filialen in Russland aufsperren. Der frühere Hofer-Chef Armin Burger baut in Russland eine neue Diskontkette auf.

An der Moskauer Börse war in den vergangenen Monaten von olympischem Feuer zwar keine Spur. Experten der Erste Sparinvest orten trotzdem eine gute Ausgangslage für russische Aktien. In den aktuellen Kursen seien die Unternehmensgewinne nur vier bis sechs Mal enthalten (KGV von 4 bis 6). Damit sei die Börse die billigste der Welt – und um bis zu 58 Prozent billiger als andere Schwellenländer.

„Selbst wenn man den hohen Anteil an Öl- und Gasaktien in Russland herausrechnet, ist die Moskauer Börse immer noch billig“, sagt Peter Szopo. Er war bis vor Kurzem als Chefanalyst bei einer russischen Investmentbank in Moskau tätig und berät jetzt die Erste Sparinvest. Moskauer Titel könnten mit einer durchschnittlichen Dividendenrendite von 3,6 Prozent aufwarten, diese Rendite werde sich weiter erhöhen. Auf der Empfehlungsliste führt Szopo Aktientitel, die im weitesten Sinn mit Konsum zu tun haben, also auch IT- und Telekom-Konzerne.

Kommentare