IV-Generalsekretär: "Haben radikaleren Ansatz"

"Breitere Steuerbasis wäre fair": Christoph Neumayer, seit April 2011 Generalsekretär der IV.
Industriellenvereinigung will schon ab 800 Euro Lohnsteuer einheben. Christoph Neumayr im Interview.

KURIER: Wir erleben den x-ten Neustart der Regierung. Warum soll dieser gelingen?

Christoph Neumayer: Zuversichtlich macht uns, dass den neuen Personen in der Regierung bewusst ist, dass es die allerletzte Chance für diese Konstellation ist. Und die Personen verfügen über sehr viel Kompetenz.

Wo orten Sie diese Signale?

In der Bildungspolitik ist schon der Versuch, aus der Blockade herauszukommen, eine wichtige Ansage. Österreich braucht eine Rückkehr zur Sachpolitik, zu Entscheidungen auf Basis und Fakten – nicht ideologische Aussagen oder Sprechblasen.

Das heißt konkret?

Bisher stand in der Debatte nicht das Kind im Mittelpunkt, sondern die Struktur oder der Lehrer. Reden wir doch als Erstes über die Bildungsziele und erst ganz zum Schluss über die Hülle und Struktur.

"Wer bietet mehr?" scheint das neue Motto in Sachen Steuerreform. Welches Volumen muss es denn sein?

Wir überarbeiten gerade unser Steuerstrukturkonzept. Entscheidend ist die Entlastung des Faktors Arbeit, da sind sich alle einig. Wir haben einen radikaleren Ansatz und plädieren dafür, mit einem Steuersatz von zehn Prozent zu beginnen und in Zehn-Prozent-Stufen hinaufzugehen. Da sind wir bei Volumina bis zu sieben bis acht Milliarden Euro.

Zehn Prozent Eingangssteuersatz – ab welchem Einkommen?

Da könnte man früher beginnen. Etwa ab dem Mindestsicherungsbeitrag, rund 9780 Euro im Jahr. Mehr als zwei Millionen Menschen zahlen bekanntlich gar keine Einkommensteuer.

Gerade Niedrigverdiener würden dann nicht steuerlich entlastet, sondern stärker belastet.

Das sind nur minimale Beträge, es wäre aber eine Frage der Fairness, ähnlich wie in Deutschland, die Basis zu verbreitern. Dafür sollte diese Gruppe bei den Arbeitszusatzkosten entlastet werden.

Und die hohen Einkommen?

Der Spitzensteuersatz muss nicht reduziert werden. Die Frage ist aber, ab wann er greift: 60.000 Euro sind da im internationalen Vergleich hochgradig leistungsfeindlich – wir könnten in Richtung 80.000 bis 100.000 Euro gehen.

Was schwebt Ihnen bei den Arbeitszusatzkosten vor?

Die größere Belastung sind die Sozialbeiträge, das ist in der Diskussion noch unterbelichtet. Die Beiträge zur Unfallversicherung (AUVA) und zum Insolvenz-Entgeltfonds wurden zwar um 0,1 Prozent gesenkt. Die Arbeitszusatzkosten sollen aber im Gesamtpaket mitverhandelt werden. Beispiel Familienlastenausgleichsfonds (FLAF): Dieser wird voraussichtlich ab 2016 entschuldet sein. Wenn er Überschüsse produziert: Bitte das Geld an die Menschen retournieren.

Hohe Einkommen würden in Ihrem Modell entlastet. Wären im Gegenzug vermögensbezogene Steuern vertretbar – etwa Änderungen bei der Grundsteuer?

Analysen zeigen, dass wir die Steuerstrukturreform über Ausgabenreduktionen finanzieren können. Das wäre sinnvoll, weil die Budgetkonsolidierung 2013 zu zwei Drittel über Einnahmen finanziert wurde.

Was wäre, wenn Wirtschaftsförderungen gekürzt würden?

Der Förderkuchen ist im internationalen Vergleich exorbitant. Wir halten eine Reduktion um 0,5 Prozent des BIP für machbar – rund 1,5 Milliarden Euro. In den föderalen Strukturen zwischen Bund und Ländern wird sich das finden lassen. Ein absolutes Nein gibt es für Kürzungen von Zukunftsförderungen, Forschung und Entwicklung und Innovation.

Irgendwen muss es treffen.

Wir sind selber dabei, das auszuloten. Wenn es Doppelförderungen gibt, müssen die abgestellt werden. Sie wissen, die Transparenzdatenbank ist immer noch nicht fertig. Und wir warten auf Empfehlungen der Steuerreformkommission.

Stichwort Russland-Sanktionen: Fordert die Industrie auch einen finanziellen Ausgleich?

Es ist eine ernste Herausforderung. Viele Unternehmen berichten, dass in Russland seit Monaten keine Neuaufträge schlagend werden. Die Politik muss sehr sensibel vorgehen. Wir schreien nicht wie die Landwirtschaft sofort nach einer monetären Kompensation. Aber wir müssen Firmen in neue Märkte begleiten, denn die Krise wird uns länger beschäftigen.

Sensibel oder nicht: Moskaus Reaktion hat man nicht in der Hand ...

Ich sehe Sanktionen sehr kritisch. Wir wissen dass diese, wenn überhaupt, nur mittel- und langfristig wirken – und nur, wenn Volkswirtschaften eng verknüpft sind. Das trifft für Russland nicht zu. Die Auswirkungen spüren vor allem die Bürgerinnen und Bürger. Aber ich verstehe, dass man ein politisches Signal aussenden muss.

Österreichs Fiskus schlägt bei der Einkommensteuer lange nicht zu – dann aber ordentlich: Ab 11.000 Euro Jahreseinkommen sind saftige 36,5 Prozent fällig. Viel zu viel, da sind sich alle einig. Zur Debatte steht deshalb die Senkung auf 25 Prozent. Die IV will sogar mit nur 10 Prozent anfangen, aber dafür schon früher einsteigen. Der Spitzensteuersatz (50 Prozent) wird derzeit über 60.000 Euro erreicht – das betrifft weniger als 200.000 Personen. Die IV will den Satz nicht mehr unbedingt senken, er soll aber erst ab 80.000 oder 100.000 Euro greifen.

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