Italiens Sparer fliehen nach Österreich

Italiens Sparer fliehen nach Österreich
Italiener suchen wegen Staatsschulden und Streit über das EU-Budget sichere Häfen für ihr Geld.

Das Geld im Nordosten Italiens macht sich wieder auf den Weg Richtung Österreich – ein Weg, den es gut kennt, berichten mehrere italienische Medien. Für viele Sparer sowie Klein- und Mittelbetriebe sind die Filialen der österreichischen Banken sichere Häfen, wo sie das finden, was ihnen in Italien fehlt: Vertrauen, Sicherheit und Nähe.

Nicht zufällig prangen diese Worte groß auf der Homepage der Raiffeisenbank im Osttiroler Sillian, die keine fünf Kilometer von der italienisch-österreichischen Grenze entfernt ist. Ein kleines Land, strategisch gut gelegen und aus Südtirol, dem Veneto und Friaul-Julisch-Venetien leicht erreichbar, berichten die Gazetten weiter.

Argusaugen

Die Banca d’Italia beobachte die Kapitalbewegungen Richtung Tirol und Kärnten bereits mit Argusaugen, auch die Finanzbehörden würden ihre Kontrollen intensivieren, so die Regionalzeitung Corriere dell'Alto Adige.

Studien und lokalen Banken zufolge wachse die Angst der Sparer und Investoren vor den steigenden Staatsschulden, dem Streit mit der EU über das italienische Budget, einer möglichen Vermögenssteuer und einer Zwangsabgabe auf Bankguthaben, wie es während der Währungskrise 1992 unter der Regierung Giuliano Amato bereits einmal geschehen ist.

Italienische Banken in Grenznähe erinnern sich noch gut an diese Zeit. Damals standen Menschen in Schlangen vor den Filialen. Tausende Kunden zogen mit Handkoffern, Taschen, ja sogar mit Weidenkörben voll mit Banknoten wieder ab. Damals durfte eine Familie 20 Millionen Lire – derzeit etwa 10.000 Euro – ins Ausland bringen.

Kräftiger Sprung

Heute ist die Situation zwar eine andere – der Euro wurde eingeführt und das Kapital zirkuliert in Europa – aber Österreich ist dennoch wieder ein sicherer Hafen für italienische Ersparnisse geworden. Laut Daten der Oesterreichischen Nationalbank liegen die Sparguthaben der Italiener in Österreich seit Jahren stabil bei etwas mehr als einer Milliarde Euro.

Seit 2018 ist aber ein Anstieg zu verzeichnen. Die 1,3 Milliarden Euro vom Juni 2017 stiegen bis zum Juni 2018 auf knapp 1,5 Milliarden Euro. Im September 2018 ging die Summe zwischenzeitlich zwar wieder leicht zurück, in der Regel gibt es aber im Jahresfinish wieder einen kräftigen Sprung nach oben.

Perfektes Italienisch

Ein erklecklicher Teil dieser Summe soll laut Medien auf der Raiffeisenbank in Sillian aufbewahrt werden. In perfektem Italienisch werde auf der Homepage über Private Banking informiert, zum Immobilienkauf eingeladen und alle Vorteile für EU-Bürger in Österreich aufgelistet: interessante wirtschaftliche Entwicklung, bestes Rating, gutes Verhältnis zwischen Staatsschulden und BIP, stabile Politik und Justiz, niedrige Arbeitslosigkeit – Punkt für Punkt das Gegenteil der Verhältnisse in Italien, schreibt die Mailänder Tageszeitung Il Giornale.

Was die italienischen Banken und die italienische Finanzpolizei am meisten beunruhigt sind nicht ersichtliche Finanzbewegungen, die vom italienischen Fiskus unbemerkt in Banken mit Sitzen in Italien und im Ausland fließen.

Und auch jene Vorgänge, die vor den Augen aller passieren: Die Verlegung von Unternehmenssitzen ins Ausland. In den ersten sechs Monaten 2018 sind 18 italienische Unternehmen nach Österreich abgewandert, insgesamt sind es nun 194. Die Gesamtinvestitionssumme liegt bei 463,9 Millionen Euro – allein im ersten Halbjahr 2017 waren es 97,2 Millionen.

Heimischen Banken sind bei dem Thema zurückhaltend. Die Raiffeisenbank Sillian gab kein Statement ab. Bernhard Gugganig, Vorstandsdirektor der Lienzer Sparkasse, spürt zwar eine stärkere Nachfrage, es sei aber nicht so, dass die Italiener „die Tür einrennen würden“.

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