Italien lässt die Schulden ausufern
Ein Staat, der bis über beide Ohren verschuldet ist und erneut ein Haushaltsloch von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung aufreißt: Ob das eine gute Idee ist? „Absolut“, fand Italiens Vize-Premier und Lega-Chef Matteo Salvini. Schließlich gehe es um das „Recht auf Arbeit und Glück von Millionen Italienern“.
Am Donnerstag musste die Regierung in Rom ihren Haushaltsentwurf für 2019 vorlegen. Eine heikle Gratwanderung, bei einem kaum finanzierbaren Schuldenberg von 2300 Milliarden Euro oder 132 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP). Das ist mehr als doppelt so viel wie im Euroraum maximal vorgesehen.
Dennoch setzt die neue Regierung genau jenen Kurs fort, der Italien in diese missliche Lage gebracht hatte. Sie gibt mit beiden Händen Geld aus, das sie nicht hat. Motto: Nach uns die Sintflut. Damit bestätigt sich, was jüngst sieben Forscher rund um Historiker Harold James und Ifo-Chef Clemens Fuest (www.oekonomenstimme.org) festgestellt hatten: Es ist typisch für populistische Wirtschaftspolitik, dass sie extrem kurzfristig orientiert sei. Sie ziele auf höhere Ausgaben und niedrigere Steuern, was rasches Wachstum bringt. Langfristige Folgen des Strohfeuers, wenn Defizit, Schulden und Inflation aus dem Ruder laufen, werden ausgeblendet. Und führt dieser Kurs zur Krise, sind andere schuld – die Globalisierung, der Euro, Migranten, Spekulanten, internationale Institutionen.
In Italien riskieren nun die Links- (Fünf Sterne) und Rechtspopulisten (Lega), dass die Zinskosten noch höher steigen. Investoren werden sich fragen, ob Rom überhaupt noch gewillt ist, seine Schulden zurückzuzahlen.
Rom bricht die Regeln
Griechenland lässt grüßen: „Wenn ein so großes Land in eine Krise gerät und die Zahlungsfähigkeit in Frage gestellt wird, ist die Gefahr groß, dass eine Euro-Krise 2.0 ausbricht“, warnte Ifo-Experte Timo Wollmershäuser.
Die Nervosität ist groß. Der Eurokurs geriet prompt unter Druck, der Aktienindex in Mailand verlor zwei Prozent. Die Parteichefs hatten eine „Schlacht“ mit dem parteilosen Finanzminister Giovanni Tria ausgerufen, der gedrängt hatte, das Haushaltsloch bei 1,6 Prozent des BIP einzugrenzen. Rücktrittsgerüchte wurden laut, dann kam spätabends die Meldung, dass Tria eingeknickt ist und 2,4 Prozent Defizit akzeptiert. Und das sogar für jedes Jahr von 2019 bis 2021.
Einige der Wahlzuckerl, die ursprünglich mehr als 100 Milliarden Euro (gut fünf Prozent des BIP) gekostet hätten, kommen in etwas abgespeckter Form. Für eine Million Italiener soll die Steuerlast auf 15 Prozent sinken. Eine vorgesehene Mehrwertsteuererhöhung wird storniert, ebenso wie die Pensionsreform, sodass 400.000 Italiener früher den Ruhestand antreten können. Auch für Schulen, Straßen und Gemeinden wird Geld locker gemacht.
Statt des „Bürgereinkommens“ soll es vorerst zehn Milliarden Euro zur Mindestsicherung geben, niedrige Pensionen werden angehoben. Bis 15. Oktober muss das Budget der EU-Kommission gemeldet werden – dann droht Krach. Das Defizit bricht die Regeln der Eurozone, obwohl es unter der Drei-Prozent-Schwelle bleibt. Rom hatte sich nämlich verpflichtet, die Budgetlücke 2019 auf 0,8 Prozent zu verkleinern und 2020 ausgeglichen zu budgetieren. Davon ist keine Rede mehr.
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