Streit um Einkommensschere bei den IT-Gehältern
Die Kollektivvertragsverhandlungen für die 65.000 Beschäftigten in der heimischen IT-Branche sind ins Stocken geraten. Die Gewerkschaft GPA ist mit dem Angebot der Arbeitgeber nicht zufrieden, da es unter der im Herbst prognostizierten Inflationsrate für das vergangene Jahr von 8,3 Prozent liege, so die Arbeitnehmervertreter am Freitag laut einer Aussendung. Sie rufen daher zu Betriebsversammlungen auf.
Kundgebungen in Wien und Linz
Die IT-Branche gehöre zu den Gewinnern der Coronakrise, doch trotz Rekordgewinnen in den zurückliegenden Jahren seien die Arbeitgeber nicht einmal bereit, einen Teuerungsausgleich zu gewähren, sagt Christina Höferl vom Verhandlungsteam der GPA zum Kurier. In Betriebsversammlungen sollen die Beschäftigten der Branche über das Angebot der Arbeitgeber unter der Inflation informiert und die nächsten Maßnahmen festgelegt werden. Zudem wird es am 23. Jänner in Wien und Linz Kundgebungen geben.
"Wir erwarten einige hundert Teilnehmer, der Unmut unter den Beschäftigten ist groß", so Höferl. Die ursprüngliche Forderung der Gewerkschaft vor der ersten Verhandlungsrunde lag bei 11 Prozent. Im Vorjahr gab es ein Gehaltsplus von 3,1 bzw. 3,2 Prozent.
Gender Pay Gap eingrenzen
„Wir brauchen einen Kollektivvertragsabschluss, der bestehende Ungerechtigkeiten, unter besonderer Berücksichtigung von weiblichen Angestellten, beendet und den jungen Angestellten eine Perspektive bietet", heißt es in einer gemeinsamen Resolution von 100 Betriebsrätinnen und Betriebsräten. Höferl verweist auf eine enorme Lohnspreizung zwischen weiblichen und männlichen Angestellten in der Branche. "Wir brauchen daher eine einheitliche Ist-Lohnerhöhung in allen Gehaltsklassen", so die Gewerkschafterin.
Keine Ausnahmen
Zur Erklärung: Der Kollektivvertrag in der IT ermöglicht es den Arbeitgebern, einen Teil der Beschäftigten, etwa das nicht-technische Personal, von der Ist-Erhöhung auszunehmen. Laut Wahrnehmung der Gewerkschaft seien unter diesen Ausnahmen vieleTeilzeit-Beschäftigte oder Frauen in Karenz. "Es darf nicht länger sein, dass bestimmte Gruppen von den KV-Erhöhungen ausgeschlossen werden", sagt Höferl. Der Frauenanteil in der IT-Branche beträgt rund 33 Prozent, wobei aber viele im administrativen Bereich arbeiten.
"Kein Gender Pay Gap"
Arbeitgeberverhandler Martin Zandonella vom Fachverband UBIT (Unternehmensberatung/IT) in der Wirtschaftskammer weist den Vorwurf eines „Gender Pay Gap“ im KV empört zurück. „Wir zahlen nach Tätigkeiten, nicht nach Geschlecht. Auch das nicht-technische Personal wird gut bezahlt“. Bei den Mindest-Gehältern strebe man ohnehin eine soziale Staffelung nach Einkommenshöhe an und werde die untersten Einkommen am stärksten anheben. Bei den Ist-Gehältern, wo es um Überzahlungen zum KV geht, würden die Betriebe aber einen gewissen Spielraum benötigen.
Zandonella wirft wiederum der Gewerkschaft vor, einen KV-Abschluss aufgrund der Inflation zu verzögern. Die vor der ersten Verhandlungsrunde zugrunde gelegte Inflationsrate habe nämlich 7,65 Prozent und nicht 8,3 Prozent. "Inzwischen sind fast zwei Monate vergangen und wir haben keinen Termin dazwischen gefunden."
Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 30. Jänner vereinbart.
Mindest-KV von 2.000 bis 5.500 Euro
Der heimischen IT-Branche geht es gut. Sie profitierte vom Nachfrageschub während der Corona-Pandemie und wächst stärker als die Gesamtwirtschaft. Größtes Problem ist der Fachkräftemangel, aktuell fehlen gut 20.000 Spezialisten. Der Mangel hat die Gehälter für IT-Profis in die Höhe getrieben, die unteren Gehaltsklassen haben jedoch kaum davon profitiert.
Zwar zählen die Einkommen zu den besten im Land – sind aber höchst ungleich verteilt. Während der KV-Mindestlohn für Berufseinsteiger/innen mit 1.948 Euro nicht zu den höchsten zählt, können gut Qualifizierte mit Erfahrung beim Einstieg mit 5.500 Euro rechnen. Die Ist-Gehälter für IT-Spitzenkräfte liegen noch weit darüber, sodass Kleinbetriebe sich diese oft gar nicht mehr leisten können.
Der nächste Verhandlungstermin ist für den 30. Jänner vereinbart.
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