Ametsreiter sieht keine Todesspirale

Ametsreiter sieht keine Todesspirale
Telekom-Chef Ametsreiter setzt voll auf Carlos Slim, der den Konzern bald dominieren könnte.

KURIER: Befindet sich die Telekom Austria in einer "Todesspirale", wie Ihr stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender Ronny Pecik in einem vom "profil" veröffentlichten internen Dossier meint?

Hannes Ametsreiter: Nein. Wir konnten im Vorjahr sogar den Gewinn um über fünf Prozent auf 110 Millionen Euro steigern – so hohe Gewinne machen nur wenige Unternehmen in Österreich. Zudem weist unsere Aktie mit 25 Prozent Plus seit Jahresbeginn die zweitbeste Kursentwicklung in ganz Europa auf. Was wiederum zeigt, dass viele an den Erfolg unserer Strategie glauben.

Sind die Umsatzrückgänge denn zu stoppen?

Die Umsatzrückgänge sind zu 90 Prozent durch Regulation bedingt und treffen alle europäischen Telekom-Unternehmen. Europa hat durch diese Regulation den Anschluss an die USA verloren, es braucht ein Umdenken.

Stellt Pecik das Unternehmen schlechter dar als es ist, um bei der Politik die Vorherrschaft von America Movil bei der Telekom Austria durchzudrücken?

Ich kenne die in den Medien kolportierte Präsentation nicht, daher kann ich dazu auch nichts sagen.

Wenn America Movil bekommt, was es will, habe Österreich in der Firma nichts mehr zu plaudern, sagen Kritiker.

Die Entscheidung trifft die ÖIAG gemeinsam mit America Movil. Das ist immerhin eine der größten Telekommunikationsfirmen der Welt. Wir haben exzellente Erfahrungen mit ihr gemacht. Man muss auch überlegen, was wäre, wenn das schiefgeht.

Gibt’s Alternativen?

Unser Unternehmen will wachsen und investieren. Weltweit gibt es einen Trend zu weniger, aber größeren globalen Spielern. Die Telekom wäre dann Teil so einer Firmengruppe. Der Staat bleibt aber an Bord und hat Vetorechte.

Weniger Anbieter heißt höhere Konsumentenpreise.

Das kann man heute noch nicht sagen, ich kann mir sogar vorstellen, dass die Preise durch neu auftauchende Mitbewerber heuer sinken. Österreicher zahlen jetzt schon am wenigsten in Europa. Wir sind Kampfpreise gewohnt.

Wie kommt die Telekom von ihren Schulden runter?

Die Ersteigerung der Mobilfrequenzen war sehr teuer. Nun müssen wir mit dem erwirtschafteten Cashflow unsere Schulden reduzieren.

Paybox schrieb im Vorjahr Verluste, es gab Technikpannen.

Das Handy als Bezahlmittel ist die Zukunft. Wir waren aber gesetzlich verpflichtet, alle Kunden zu bitten, uns ein Formular zurückzuschicken. Und die Technikprobleme sind durch einen externen Dienst entstanden.

Ihre Branche kämpft gegen eine neue Festplattenabgabe. Wie geht das weiter?

Handys je nach Speichergröße zu besteuern ist der falsche Ansatz. Handys werden ja kaum für Privatkopien verwendet. Einfach so durch eine neue Abgabe Handys um bis zu 30 Euro zu verteuern, halte ich für falsch. Es ist auch nicht unsere, sondern Aufgabe des Staates, Künstler und Kulturschaffende zu bezahlen.

Wie entwickelt sich das Festnetz?

Sehr gut. Heute ist das Festnetz für eine stabile Breitbandversorgung da, Telefonie über das Festnetz ist de facto Geschichte.

Überlegen Sie, wie angeblich manche heimische Banken, Ihre Zentrale aus Steuergründen ins Ausland zu verlegen?Diese Frage stellt sich nicht.

Wann werden Sie die Skandalgeschichte der Telekom hinter sich lassen?

Wenn die Gerichte fertig sind. Die operative Entwicklung ist davon überhaupt nicht beeinträchtigt. Wir haben alle Unterlagen an die Anwälte geliefert und konzentrieren uns darauf, wie wir Geld für das Unternehmen zurückholen.

Der Chef des Axel-Springer-Verlags wirft Google vor, einen digitalen Suprastaat errichten zu wollen. Das mache ihm Angst. Teilen Sie seine Sorge?

Google ist zu einem der größten globalen Spieler geworden, mit weltweiter Dominanz bei Daten und Medien.

Ist das ungesund?

Das kommt darauf an, wie die europäische Politik reagiert.

Sie verlangen Regulierung, was der liberalen Netzphilosophie widerspricht.

Es ist wichtig, dass der Bürger Zugang zum Internet hat – aber ohne dabei seine Privatsphäre zu verlieren. Europa ist gut beraten, sich zu überlegen, wie man die Region in das digitale Next-Zeitalter führt.

Ist der Zug denn nicht längst abgefahren? Die USA und mit ihr Google, Facebook usw. sind die digitale Supermacht. Alles andere wurde geschluckt.

Ja, es gibt Bereiche, wo monopolartige Situationen herrschen und es wäre naiv zu glauben, das zurückdrehen zu können. Ich glaube aber, dass wir weiterhin eine gute Chance haben, ein Brutkasten für Innovationen zu werden. Es geht um die Digitalisierung des Alltags. Da hat Europa eine gute Position, den nächsten Sprung zu schaffen.

Welche originellen Entwicklungen kann die Telekom denn vorweisen, die sich in Konkurrenz zu den US-Giganten behaupten konnten?

"Machine to machine" ist so ein Beispiel – das sogenannte Internet der Dinge. Da erwarte ich mir riesiges Wachstum. Wir haben heute bereits 700.000 SIM-Karten in Geräten. Digitale Verwaltung oder Telemedizin sind weitere Bereiche.

Was kann die Politik für die Telekom tun?

Die Industrie machen lassen. Europa ist überreguliert. Da fallen wir massiv hinter die USA zurück.

Haben Sie denn nicht gerade Regulierung gefordert?

Ja, für den Bereich der Privatsphäre. Aber anderswo muss man die Marktkräfte walten lassen. In Sachen Glasfaser-Ausbau sind wir sicher überreguliert, das ist ein Wettbewerbsnachteil. Deutschland hat immerhin ein Zeichen mit der Ernennung eines Digitalisierungsministers gesetzt.

Ist Amerika insgesamt innovativer als Europa?

Mir fehlt der Pragmatismus in Europa. Ich wünsche mir, dass sich etwa EU-Kommissar Barroso auf ein Podium stellt und sagt, welche digitale Vision er für Europa hat. Wenn unsere ganze Regierung dann noch mitmacht, sind wir am richtigen Weg.

Man hat Zweifel, ob Werner Faymann und Michael Spindelegger das schaffen.

Sie müssten Altes über Bord werfen und Neues kreieren. Wir haben zum Beispiel ein Zuviel an Administration.

Wie "abgesandelt" ist der Wirtschaftsstandort Österreich wirklich?

Österreich hat so viele Stärken: innovative Menschen, hohe Kreativität, sehr guter Lebensstandard, großartige Natur. Wir haben tolle Voraussetzungen für den Erfolg. Das zu einer Vision zu verdichten, müsste eigentlich im Fokus der Entscheidungsträger liegen.

Die Telekom Austria befinde sich in einer "Todesspirale", sagt Ronny Pecik, stellvertretender Aufsichtsratschef der teilstaatlichen Firma, in einem Dossier, das profil am Donnerstag veröffentlichte (mehr dazu). "Alle Ertragstrends zeigen nach unten, der Finanzierungsaufwand geht nach oben. Das bedeutet Schulden", sagt Pecik in einem Schreiben vom Jänner dieses Jahres an ausgesuchte Regierungsvertreter. Ohne Geld von außen erwarte die Telekom ein "AUA-Schicksal".

Gut möglich, dass Pecik damit Druck auf die Politik macht, damit sie dem Syndikatsvertrag zustimmt, der gerade zwischen der Staatsholding ÖIAG und dem mexikanischen Großaktionär Carlos Slim verhandelt wird. Kommenden Mittwoch findet die entscheidende Sitzung dazu statt.

Syndikatsvertrag

Slim ist mit seiner Mobilfunkfirma America Movil bereit, via Kapitalerhöhung Geld in die Telekom einzuschießen. Er würde seinen Anteil von 26,8 auf mehr als 30 Prozent erhöhen. Jener der Republik würde sich von derzeit 28,4 auf die Sperrminorität (25 Prozent plus eine Aktie) reduzieren. Die ÖIAG würde ihre Anteile mit jenen Slims mittels Syndikatsvertrag bündeln.

Daran gibt es Kritik, vor allem die Arbeiterkammer ist strikt dagegen.

Hannes Ametsreiter

Seit 2009 ist der gebürtige Salzburger Chef der Telekom Austria und deren Tochterfirma A1. Ametsreiter folgte Boris Nemsic, davor war er Marketingvorstand der TA.

Prozesse, Schulden

Die halbstaatliche Firma hat harte Jahre hinter sich. In Prozessen geht es um Korruption und Parteienfinanzierung. Erste Verurteilungen gab es bereits. Auch wirtschaftlich sah man sich zuletzt mit Problemen konfrontiert. Die Ersteigerung der Mobilfunkfrequenzen war viel teurer als erwartet und der Preiskampf am österreichischen Markt ist besonders hart. Heuer will die TA Schulden reduzieren.

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