Insolvenzaufschub: "Mit jedem Tag wird Schaden größer"
Durch einen "politischen Kunstgriff" in Form einer coronabedingten Verlängerung der Insolvenzmeldepflicht, Stundungen etc. gibt es aktuell so wenig Firmenpleiten wie nie. Doch das könnte sich rächen, warnt Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenzen beim Kreditschutzverband KSV1870. "Irgendwann kommt die Stunde der Wahrheit, mit jedem weiteren Tag wird der Schaden größer. Es gibt immer mehr gerettete Firmen, die gesunde Unternehmen mitreißen."
Die Mitarbeiter in den strauchelnden Betrieben würden an anderen Arbeitsplätzen fehlen, sagte Götze im Gespräch mit der APA. Darauf hat in der Vergangenheit auch bereits AMS-Chef Johannes Kopf hingewiesen. Die Kurzarbeit könne jedenfalls kein Dauerzustand sein, so Götze. Auffallend sei, dass die überwiegende Zahl der Insolvenzen nicht die von der Coronapandemie besonders betroffene Gastro- und Hotelbranche verzeichne. Hier gäbe es den größtem Rückgang seit Jahren. Weiterhin hoch seien hingegen die Pleiten in der Baubranche, die eigentlich ganz gut durch die Krise gekommen sei.
Niedrigster Wert seit 1977
Der Trend des Vorjahres setzte sich zuletzt in allen Branchen fort: Pro Woche wurden in den vergangenen sechs Monaten um rund 60 Prozent weniger Firmenpleiten als vor der Krise gezählt. Im ersten Quartal 2021 wurde der niedrigste Wert an Insolvenzen seit 1977 registriert. Die Wirtschaftskrise selbst ist seit Beginn des ersten Lockdowns für knapp 14 Prozent aller insolventen Unternehmen verantwortlich, so Götze mit Verweis auf eine Analyse der abgeschlossenen Verfahren.
"Das auf den ersten Blick positive Ergebnis ist für die heimische Wirtschaft alles andere als erfreulich. Langfristig gesehen können dadurch weitaus gravierendere Probleme entstehen als dies zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin schon der Fall ist", warnt der Insolvenzexperte.
Pleitewelle ab Herbst
Aus heutiger Sicht geht der KSV1870 davon aus, dass sowohl die Zahl der Firmenpleiten als auch jene der coronabedingten Insolvenzen frühestens im Herbst 2021 steigen werden. Zudem sei es durchaus vorstellbar, dass am Ende des laufenden Jahres die Zahl der Firmenpleiten nicht dramatisch höher ausfallen könnte als im Vorjahr.
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