Inflation – das ungeliebte Comeback

RBI-Chefökonom Peter Brezinschek.
Raiffeisen-Chefökonom Brezinschek über verzerrte Preisrealitäten und die Not der Anleger.

Die vergangenen Wochen haben einen Vorgeschmack darauf geliefert, was auf die Konsumenten zukommt: Das Preisniveau wird spürbar anziehen. Im Dezember machte die Teuerung in Österreich 1,4 Prozent aus – der höchste Wert seit November 2014. Der tägliche Einkauf war um 2,1 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Heuer wird die Inflation weiter zulegen. Über verschiedene Aspekte der Teuerung und die Zwickmühle für Anleger sprach der KURIER mit Peter Brezinschek, dem Chefökonomen der Raiffeisen Bank International (RBI). Brezinschek über:

den Deflationsirrtum

"EZB-Chef Mario Draghi hat das Gespenst der Deflation mit einer Lohn-Preis-Spirale nach unten zu plakativ an die Wand gemalt. Fallende Energiepreise sind nicht unbedingt ein Gefahrenmoment für die Wirtschaft, eher das Gegenteil. Die viel zitierte Lohn-Preis-Spirale gibt es so nicht. 90 Prozent der Löhne sind an Kollektivverträge gebunden, die können gar nicht fallen."

Qualitätsverbesserung

"Bei etlichen Gütern, vor allem aus dem IT-Bereich, werden die Preise für die Berechnung der Inflation hedonistisch festgelegt. Das heißt, dass Qualitätsverbesserung wie eine Preissenkung behandelt wird. Diese Senkung kann ich aber nicht konsumieren, weil der Verkaufspreis ja gleich bleibt. Genießer dieser Realitätsverzerrung nach unten sind unter anderem Mieter mit indexierten Mietverträgen, aber auch die öffentliche Hand, die die Pensionen nicht so stark erhöhen muss."

den Ölpreis

"Heuer sind Preise um die 55 Dollar pro Fass zu erwarten. Nächstes Jahr wird der Preis nicht viel über 60 Dollar steigen. Aber das ist auch ein Anstieg um zehn Prozent. Das heißt, keine Dämpfung mehr für die Inflation, aber auch kein allzu massiver Druck nach oben."

Dienstleistungsinflation

"Die Preise für Dienstleistungen sind in den vergangenen Jahren viel rascher gestiegen als für Waren. Der Dienstleistungsbereich weist weniger Produktivität auf, die Lohnkosten schlagen hier stärker durch. In Österreich kommt noch dazu, dass es wenig Wettbewerb gibt. Je älter eine Bevölkerung ist, desto schwerer wiegen Dienstleistungen. In zehn bis 15 Jahren wird man die Alterspyramide in den Warenkorb einrechnen. Damit wird die Inflation höher sein."

die Digitalisierung

"Das wirkt sich dämpfend auf die Güterpreise aus. Dafür ist aber mehr Dienstleistung nötig, was mehr Inflation bedeutet."

die öffentliche Hand

"Seit dem Start des Euro 1999 als Buchwährung liegt die jährliche Inflationsrate bei durchschnittlich rund zwei Prozent. Die administrierten Preise im Warenkorb, also etwa Gebühren, sind aber um 2,5 bis 2,6 Prozent gestiegen. Wir kommen um eine Reform des Staatssektors nicht herum, bei der öffentliche Aufgaben zusammengeführt werden."

die Zinsen im Keller

"Die EZB-Zinsen sind im Minusbereich, die Kapitalmarktzinsen sind tief. Mit der anziehenden Inflation wird die Realverzinsung heuer noch viel negativer ausfallen als im Vorjahr. Das gilt auch für viele Unternehmensanleihen, die die EZB jetzt auch auf ihrem Einkaufsprogramm hat und dadurch den Markt verzerrt."

die Flucht zu Aktien

"Anleger, die der negativen Realverzinsung entkommen wollen, müssen sich in Aktien, Fonds oder Zertifikate flüchten. Bei Unternehmensanleihen im Hochzins-Bereich ist beim Risiko aber nicht mehr viel Unterschied zu Aktien. Da schau ich mir doch gleich Aktien an. Bei den Emerging Markets sind Anleihenfonds interessant. Da kann man auf Renditen von sieben bis elf Prozent kommen."

Ab Februar wird RBI-Chefökonom Peter Brezinschek sein Expertenwissen in eine monatliche KURIER-Wirtschaftskolumne einbringen. Eine weitere Kolumne wird aus der Feder von Monika Rosen-Philipp, der Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria, stammen.

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