Industrie verliert Vorsprung in EU

Lücken bei Innovation und Forschungsausgaben lassen Wettbewerbsvorteile schrumpfen.

Die heimische Industrie bekommt die Wachstumsschwäche in Europa immer stärker zu spüren. Die Umsätze gehen seit Anfang des Jahres wegen des schleppenden Exports zurück, auch die Gewinne beginnen zunehmend zu schrumpfen. „Die hohe Wettbewerbsfähigkeit besteht nicht selbstverständlich fort, seit 2009 ist die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie eingetrübt.“ Christian Helmenstein, Chefvolkswirt der Industriellenvereinigung (IV), nennt einen der Gründe, warum die heimischen Unternehmen den in den vergangenen Jahrzehnten erwirtschafteten Vorsprung wieder verlieren.

Mehr Flexibilität

Die meisten Gründe sind hausgemacht: Eine zu geringe Forschungsquote – Helmenstein: „Die F&E-Quote stagniert seit Jahren bei 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts“ –, zu wenig Flexibilität bei der Arbeitszeit und eine geringe Innovationskraft der Industrie. In Summe habe Österreich – so Helmenstein – in den vergangenen Jahren zu wenig getan, um das Land als Industriestandort attraktiver zu machen.

Vernachlässigt habe man auch Wachstumstreiber wie den Wohnbau, der 0,2 Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum – das heuer rund 0,5 Prozent ausmachen soll – beitragen könnte. Zusätzlich zu hausgemachten Problemen bekommen die Unternehmen den Sparkurs im Euroraum zu spüren. Vor allem die Infrastrukturinvestitionen in Ost- und Südosteuropa bleiben aus Geldmangel aus. Was nicht nur der Bauriese Strabag spürt, sondern auch Siemens Österreich. Im Rahmen des Sparpakets des Konzerns wackeln rund 300 Jobs bis 500 Jobs in Österreich, Schwerpunkt Kraftwerksbau.

Nach dem Rückgang des operativen Gewinns um 29 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro zwischen Jänner und April kündigte Siemens-Konzernchef Peter Löscher am Mittwoch an, dass bestenfalls die untere Schwelle der Gewinnprognose von 4,5 Milliarden Euro erreicht werde. Für zusätzliche Probleme in Österreich könnte auch die Sparte Bahnbau sorgen, für die Siemens Werke in Wien und Graz betreibt. Der Konzern verlor einen Großauftrag für Lokomotiven im Volumen von bis zu 1,5 Milliarden Euro für die Deutsche Bahn an den Konkurrenten Bombardier.

Andritz-Aktie brach ein

Die flaue Konjunktur in der EU-Wachstumsregion Osteuropa bekam auch der Energieriese EVN zu spüren: Der Gewinn im Geschäftsjahr 2012/’13 soll um bis zu 40 Prozent niedriger ausfallen als im Vorjahr, als die EVN noch 195 Millionen Euro verdiente. Auch der halbstaatliche Stromkonzern Verbund musste im 1. Quartal 2013 einen Rückgang des Nettogewinns um 40 Prozent auf 77 Millionen Euro hinnehmen.

Der Gewinneinbruch des Anlagenbauers Andritz dagegen hat andere Gründe: Der steirische Vorzeige-Konzern verhob sich schlicht bei einem Großauftrag für eine Papierfabrik in Südamerika. Die Aktie brach am Donnerstag um bis zu 23 Prozent ein.

Einkaufsmanager werden oft mit Seismografen verglichen. Sie spüren sofort, wenn der Konjunkturboden zu beben beginnt. Umfragen bei diesen Managern über die Lage der Industrie zeigen die aktuellen Entwicklungen über Aufträge, Beschäftigung und Preise an. Der jüngste Markit-Einkaufsmanager-Index für die Industrie der Eurozone fällt ernüchternd aus. Statt des erhofften Frühlingslüfterls gab es im April noch stärkeren Gegenwind. Der entsprechende Index fiel auf 46,7 Punkte und entfernte sich noch weiter von der 50-Punkte-Schwelle, ab der Wachstum signalisiert wird.

In vielen Ländern beschleunigte sich der Abbau von Industriejobs. Auch in Österreich und Deutschland wurden Arbeitsplätze gestrichen, nachdem im März noch einige Stellen geschaffen worden waren. Die Erholung auf dem Arbeitsmarkt habe sich als kurzlebig erwiesen, stellt Chris Williamson, Chefökonom bei Markit, fest.

Weniger Geschäft bedeutet, dass der Kampf um die Kundschaft härter wird. Das ist auch daran zu sehen, dass die Unternehmen ihre Verkaufspreise reduziert haben – so kräftig wie schon seit Anfang 2010 nicht mehr.

Die Industriedaten deuten darauf hin, dass die Eurozone in der Rezession stecken bleibt.

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