Wohngemeinschaft mit Flüchtlingen

Wohnraum spenden und Bedürftigen ein Zuhause geben - "Flüchtlinge Willkommen" ist eine Initiative zur Verbesserung der Asylproblematik.
Um geflüchteter Menschen Wohnraum zu vermitteln, gründeten drei Berliner Studenten die Plattform "Flüchtlinge Willkommen". Das Konzept ist inzwischen auch in Österreich erfolgreich.

Im Jänner wurde die heimische Adaption von "Flüchtlinge Willkommen" in Österreich gegründet. Projektleiter David Zistl zieht im Interview eine erste Zwischenbilanz:

Seit einem halben Jahr ist die Organisation hierzulande tätig. Wie zufrieden sind Sie bisher?
Sehr, wir konnten bereits 40 Vermittlungen abschließen. Die Resonanz ist groß. Derzeit bearbeiten wir 250 Anmeldungen. Im Juni hatten wir 80 und im Juli 90 Interessenten. Der August läuft gerade erst an und 40 Anfragen sind bereits eingegangen. 50 Prozent der WG-Anmeldungen kommen aus Wien. Im Schnitt erhalten wir drei Anmeldungen pro Woche.

Wohngemeinschaft mit Flüchtlingen
Die Initiative wird vorwiegend von Privatpersonen unterstützt. Wie kann man sich engagieren?
Wer ein freies Zimmer anbieten möchte, kann dies über unsere Homepage www.fluechtlinge-willkommen.attun. Der erste Schritt ist, sich als Familie oder Wohngemeinschaft auf der Seite zu registrieren. Vorab werden dann Fragen zur Wohnsituation, zum Beispiel zur Anzahl der Mitbewohner und der Sprachen, die sie sprechen geklärt. Dann setzen wir uns mit verschiedenen Anlaufstellen für Flüchtlinge in Verbindung und stellen den Kontakt zu einem geflüchteten Menschen her. Für die Finanzierung gibt es mehrere Möglichkeiten. Einzige Voraussetzung ist, dass die Unterkunft für mindestens sechs Monate zur Verfügung steht und ein Einzelzimmer ist.

Wer übernimmt die Kosten bzw. wie finanziert sich das Projekt?
Asylwerber erhalten ein gewisses Budget, dieses variiert, je nach Aufenthaltsstatus. Anspruch auf Mindestsicherung haben Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte. Das sind Asylwerber, deren Antrag zwar abgewiesen wurde, die in ihrem Herkunftsland aber um ihr Leben fürchten müssen. Alles was nicht im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Flüchtlings liegt, kann über Crowdfunding finanziert werden.

Wie funktioniert das genau?
Über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter etwa. Man postet, dass eine WG jemanden aufnehmen möchte, aber ein gewisser Betrag noch aufzubringen ist. Mithilfe von Mikrospenden von Verwandten und Freunden kann dann ein Zimmer für eine gewisse Zeit finanziert werden. Unserer Erfahrung nach sind die meisten WGs sehr schnell ausfinanziert. Ein Zimmer kostet im Schnitt zwischen 250 bis 500 Euro.

Es gibt auch die Möglichkeit, Bezugsperson eines Flüchtlings zu werden. Wie funktioniert das?
Das Patenmodell befindet sich gerade im Aufbau. In Zukunft wollen wir Paten als zusätzliche Unterstützung sowie Ansprechperson für Wohngemeinschaften und neuen Mitbewohner anbieten.

Was sind die Aufgaben eines Paten?
Eine unmittelbare Vertrauensperson zu sein. Wir würden uns wünschen, dass man Zeit miteinander verbringt. Egal, ob man nun zusammen Deutsch lernt, oder andere Unternehmungen macht. Man übernimmt eine große Verantwortung für die Menschen, die man aufnimmt.

Wohngemeinschaft mit Flüchtlingen
Brown suitcase isolated on white background
Worauf muss man achten?
Ein gewisses Feingefühl ist natürlich notwendig, doch vor allem sind soziale Interaktion und Zuwendung wichtig. Ich denke, es ist ein aktiver Beitrag gegen menschenunwürdige Unterbringungen und ein Zeichen dafür, wie wichtig es ist, dass Flüchtlinge und Österreicher unter gleichen Bedingungen wohnen können. Außerdem lernt man andere Perspektiven kennen. Kaum jemand kann sich vorstellen, wie das ist, fliehen und sich in einem fremden Land seine Existenz neu aufbauen zu müssen.

Mit welchen Organisationen arbeiten Sie noch zusammen?
Wir arbeiten mit verschiedenen NGOs (non-governmental organization) zusammen, die Flüchtlinge an uns vermitteln. Dazu gehören Prosa (Projekt Schule für alle), die Diakonie, das Ute-Bock- Haus, die Caritas, das Integrationshaus, das Don-Bosco-Flüchtlingswerk und Interface. Wir bemühen uns, eine gute Mischung zu finden. Es wird aber immer auf die Situation der Betroffenen eingegangen.
Es gibt sehr viele Leute die Hilfe benötigen, diejenigen die aber kurz vor der Obdachlosigkeit stehen, werden hier bevorzugt. Wir vermitteln auch Wohnungen, diese werden vorzugsweise an Familien vergeben. Kinder vermitteln wir nicht, da unbegleitete Minderjährige eine spezielle Betreuung brauchen.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Probleme der Asylpolitik?
Menschen, die sich in einem Asylverfahren befinden, stehen unter großem Druck. Sie haben oft keinen Kontakt zu ihren Familien, sie sind alleine und haben kaum Perspektiven. In den Erstaufnahmezentren leben sie isoliert auf engstem Raum und haben keinen Zugang zu Bildung. Da sind Konflikte vorprogrammiert.

Wie kann man das gewährleisten?
Im Herbst wollen wir eine Kampagne starten und 1000 WG-Plätze fordern. Wir sind davon überzeugt, wenn jede Gemeinde drei Flüchtlinge aufnehmen würde, könnte dies die Situation erheblich verbessern und entlasten. Dies setzt natürlich auch voraus, dass man das bestehende Netzwerk von Sozialarbeitern ausbaut.

Was wünschen Sie sich für Zukunft?
Noch mehr Helfer, Menschen die Patenschaften übernehmen und vor allem finanziellen Halt für die Organisation. Damit wir auch weiterhin Flüchtlingen ein Zuhause vermitteln können.

Die schönsten Momente ...?
Da gibt es viele. Es ist schön zu sehen, wie sich die Leute solidarisieren und wie Vorurteile auf beiden Seiten abgebaut werden. Einem Flüchtling wurde sogar ein Theaterbesuch ermöglicht, das ist einer von vielen schönen Momenten.

Welchen Aufenthaltstitel muss ein Flüchtling haben, damit ich meine Immobilie an ihn vermieten darf?

Mietrechtlich bedarf es keines speziellen Aufenthaltstitels. Selbstverständlich dürfen Sie sich aber nicht durch bewusste Zusammenarbeit zum Komplizen von Schleppern machen.

Darf ich eine Wohnung anmieten, ohne selbst darin zu wohnen und diese dann Flüchtlingen als Unterkunft zur Verfügung stellen?

Das sollte nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Vermieters erfolgen – andernfalls setzen Sie sich der Gefahr einer Aufkündigung oder auch Unterlassungsklage des Vermieters aus.

Ich besitze eine Eigentumswohnung bzw. einen Zweitwohnsitz und diese/r steht leer. Darf ich diese/n weitervermieten?

Wohngemeinschaft mit Flüchtlingen
Röhsner Georg Immo Relaunch 2015
Wenn Sie Eigentümer sind, dürfen Sie die Wohnung selbstverständlich vermieten, solange dadurch keine ungebührliche Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer im Haus entsteht (also etwa dadurch, dass dann 15–20 Personen in einer Drei-Zimmer-Wohnung leben). Streng zu unterscheiden ist zwischen einer unentgeltlichen Zur-Verfügung-Stellung und einer entgeltlichen Vermietung. Wird die Wohnung unentgeltlich (oder maximal gegen Ersatz der tatsächlichen Betriebskosten) und gegen jederzeitigen Widerruf zur Verfügung gestellt („Prekarium“), gelten keine mietrechtlichen Beschränkungen. Bezahlt der Mieter (Flüchtling) allerdings Miete (auch wenn diese weit unter dem üblichen Markt-Mietzins liegt), fällt das Mietverhältnis (ausgenommen Ein- und Zweifamilienhäuser) unter das Mietrechtsgesetz und es gelten auch in diesem Fall alle gesetzlichen Mieterschutzbestimmungen

Wenn ich meine Immobilie vermiete, welche Pflichten muss ich in diesem Fall erfüllen bzw. was muss ich dabei berücksichtigen?

Wenn es sich nicht um ein Ein- oder Zweifamilienhaus handelt, fällt das Mietverhältnis – auch wenn der Mieter Flüchtling ist – in gleichem Maße unter das Mietrechtsgesetz wie bei jedem anderen Mieter. Auch hier gelten die Kündigungsbeschränkungen und Mietzinsobergrenzen des Gesetzes. Wenn Ihnen also bei der Vermietung ein Formalfehler unterläuft, besteht die Gefahr, dass ein unbefristetes Mietverhältnis entsteht und Sie den (ehemaligen) Flüchtling, wenn dieser einen dauernden Aufenthaltstitel erworben hat, möglicherweise jahrzehntelang nicht mehr kündigen können und auch keine Möglichkeit haben, den unter Umständen extrem niedrigen Mietzins auf ein marktadäquates Ausmaß anzuheben. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass befristete Mietverträge auf zumindest drei Jahre abgeschlossen werden müssen, da bei kürzerer Befristung dieselbe gerichtlich nicht durchsetzbar ist und somit de facto ein unbefristeter Vertrag entsteht. Holen Sie daher vor einer solchen Vermietung/Zur-Verfügung-Stellung unbedingt fachlichen Rat ein.

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