Wenn sich Mieter ihre Wohnung nicht mehr leisten können

Wenn sich Mieter ihre Wohnung nicht mehr leisten können
Wer nicht zahlt, wird delogiert. Damit es nicht so weit kommt, hilft die „Fawos“, eine Einrichtung der Volkshilfe, beim Papierkram und beim Erstellen von Sparplänen.

Es kann jeden treffen. Vor dem Büro von Renate Kitzman warten Menschen aus allen Bildungs- und Einkommensschichten. „Passiert etwas Unerwartetes wie Jobverlust oder Scheidung, können sich viele ihre Wohnung nicht mehr leisten“, sagt die Leiterin der Fachstelle für Wohnungssicherung, kurz „Fawos“. Wer rechtzeitig zur Beratung kommt, kann den Verlust der Wohnung oft abwenden. Allein in Wien gibt es rund 22.000 Räumungsverfahren pro Jahr, in ganz Österreich sind es etwa 45.000. In Wien ist der Anteil an Mietwohnungen höher, daher das Ungleichgewicht. Erst wenn es ein rechtskräftiges Urteil gibt, kann der Vermieter einen Exekutionsantrag stellen. Knapp 7300 solcher Anträge wurden im Vorjahr eingebracht, rund 2500 Wohnungen und Geschäftslokale wurden tatsächlich geräumt. „Diese Zahlen zeigen, dass unsere Arbeit etwas bewirkt. Nur zwölf Prozent der Räumungsverfahren werden am Ende wirklich exekutiert“, sagt Kitzman. „Man darf aber eines nicht vergessen: Das sind 5000 bis 6000 Menschen, die auf der Straße stehen. Auch Kinder.“

Trotzdem seien die Vermieter keineswegs immer die Bösen. Bleibt die Miete aus, kann das nämlich auch den Eigentümer in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Viele vermieten eine Wohnung und zahlen mit den Einnahmen die Kreditraten. Sie haben oft keine andere Wahl, als eine Mietzins- und Räumungsklage einzubringen (siehe Kasten rechts).

Wenn ein Verfahren bei Gericht eingebracht wird, wird die Fawos darüber informiert. „Wir schreiben dann den Betroffenen einen Brief. Mieter von Gemeindewohnungen verweisen wir an die Sozialzentren der MA 40, Mietern von Privat- oder Genossenschaftswohnungen bieten wir Beratungstermine an. 800 Personen haben sich voriges Jahr von selbst gemeldet“, erzählt Kitzman. Ihnen können die Experten am besten helfen. Denn viele Wohnungsverluste können abgewendet werden, wenn die Betroffenen rechtzeitig aktiv werden. Eigentümer und Hausverwalter sind in der Regel froh, wenn sich säumige Mieter um eine Lösung bemühen. Man könnte etwa vereinbaren, dass die ausstehende Miete in Raten oder mit dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezahlt wird. Ein anderes Beispiel: Die Familienbeihilfe wird nur alle zwei Monate ausbezahlt. Man könnte also in diesen Monaten die fehlende Miete abstottern. Ist jedoch absehbar, dass die Wohnung auf Dauer einfach zu teuer ist, muss man sich nach einer günstigeren Bleibe umsehen.

die Wohnkosten sollten nicht mehr als 25 bis 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens verschlingen. „Wenn zwei Personen gut verdienen und 4000 Euro pro Monat zur Verfügung haben, kann die Wohnung auch 1500 oder sogar 2000 Euro kosten, da bleibt immer noch genug übrig. Bei einem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1000 und 2000 Euro darf die Wohnung aber nicht mehr als ein Drittel kosten“, betont Kitzman. Abzüglich der Fixkosten müssen pro Person mindestens 300 Euro pro Monat zum Leben – also für Essen, Kleidung und Freizeitgestaltung – bleiben. Geht sich das nicht aus, heißt die Devise: Mehr Einkommen oder weniger Ausgaben. Das Einkommen kann man vielleicht durch Beihilfen erhöhen. Viele wissen gar nicht, worauf sie Anspruch haben, die Fawos hilft bei der Recherche und beim Antragstellen. Auch Alimente zählen zum Einkommen. „Wird Unterhalt nicht oder nur unregelmäßig gezahlt, muss man das Geld einfordern. Das tun viele leider nicht“, sagt Kitzman. „Wenn Kinder eine Lehrlingsentschädigung bekommen, ist es durchaus fair, dass auch sie einen kleinen Beitrag leisten. Sie lernen dann auch gleich, dass eine Wohnung etwas kostet.“

Ausgaben senken ist die zweite Strategie: „Zu uns kommen viele ältere Männer, die nach der Scheidung täglich im Gasthaus essen. Das verstehe ich schon, aber wenn man sich die Miete nicht mehr leisten kann, muss man das anders lösen“, sagt Kitzman. Bevor man auf der Straße steht, muss man auch das geliebte Auto verkaufen und das Sky-Abo kündigen. Man sollte den Handy-Tarif überprüfen und auf einen günstigeren umsteigen. Auch eine Kontrolle der Versicherungen zahlt sich aus. Vielleicht kann man bei der einen oder anderen die Zahlungen vorübergehend stilllegen. Für Kitzman sind die Prioritäten klar: „Miete, Energiekosten, Alimente und Polizeistrafen müssen bezahlt werden.“ Wer letzteres nicht begleicht, muss ins Gefängnis. Wer keine Wohnung mehr hat, verliert irgendwann auch den Job. „Leider verschließen viele vor ihren Problemen die Augen und holen zum Beispiel Schreiben vom Gericht nicht ab. Dabei gibt es Fristen, die man einhalten muss“, erklärt Kitzman. Wer eine Kündigung bekommt und keine rechtlichen Schritte dagegen unternimmt, muss ausziehen. Bringt der Vermieter eine Räumungsklage ein, sollte der Mieter bei Gericht erscheinen. Denn ist das Urteil einmal rechtskräftig, ist die Wohnung weg.

Mietzinsklage: Soll der Vertrag mit dem Mieter bestehen bleiben, kann der Vermieter diesen auf Zahlung des fehlenden Mietzinses klagen.

Kündigung: Die Nichtbezahlung der Miete berechtigt den Vermieter auch zur Beendigung des Mietvertrages. Unterliegt das Mietverhältnis den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes, kann der Vermieter nur gerichtlich kündigen. Voraussetzung für eine gerichtliche Aufkündigung ist neben dem Mietzinsrückstand die vorherige Abmahnung des Mieters unter Setzung einer Nachfrist. Gegen die Aufkündigung kann der Mieter binnen vier Wochen Einwendungen erheben. Verstreicht diese Frist ungenützt, wird die Aufkündigung rechtskräftig und der Vermieter kann die Räumung der Wohnung im Exekutionsweg durchsetzen. Den rückständigen Mietzins müsste der Vermieter in diesem Fall gesondert mit einer zusätzlichen Zahlungsklage geltend machen.

Räumungsklage: Alternativ kann der Vermieter die sofortige Auflösung des Mietvertrages aus wichtigem Grund begehren und diesen Anspruch mit einer Räumungsklage durchsetzen. Mit dieser kann auch eine Zahlungsklage verbunden werden. So kann der Vermieter mit nur einer Klage zwei Begehren durchsetzen und ist dabei an keinerlei Fristen oder Termine gebunden.

Ein weiterer Vorteil der kombinierten Mietzins- und Räumungsklage besteht darin, dass der Vermieter damit den Antrag auf pfandweise Beschreibung durch den Gerichtsvollzieher verbinden kann und so sein Vermieterpfandrecht an den vom Mieter eingebrachten Gegenständen ausüben kann. Diese werden zur Deckung des rückständigen Mietzinses gesichert. Sowohl im Falle der Aufkündigung als auch der Mietzins- und Räumungsklage kann der Mieter den Verlust der Wohnung durch Zahlung der ausständigen Miete – sofern ihn kein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand trifft – noch abwenden.

Exekution: Die tatsächliche Einbringung der Miete bzw. die faktische Räumung der Wohnung ist – sofern der Mieter dem Gerichtsauftrag nicht von selbst nachkommt – im Exekutionswege durchzusetzen. Von der Antragstellung bis zur tatsächlichen Zahlung bzw. Räumung kann sich das Verfahren über viele Monate ziehen.

Zudem ist mit weiteren Kosten zu rechnen. Selbstverständlich sind diese vom Mieter zu ersetzen. Aber: Was will man jemand wegnehmen, der ohnehin nichts mehr hat.

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