Vienna Design Week: Auf Design-Tour im Neunten
Mitten im Neunten biegt Festivaldirektorin Lilli Hollein ums Eck des Franz-Josefs-Bahnhofs. Schwarzes Kleid, schwarze nicht zu hohe Stöckelschuhe. Während unseres Spaziergangs durch den diesjährigen Fokusbezirk der Vienna Design Week, den Alsergrund, verrät sie uns das Programm und die Spielstätten.
Festivalzentrale 2019: Das Althan Quartier
Mittelpunkt der Designfestwoche, die von 27. September bis 6. Oktober stattfinden wird, ist die Festivalzentrale. Dafür wird traditionell ein leer stehendes Gebäude zwischengenutzt, dessen Architektur ebenfalls präsentiert werden soll.
Das Althan Quartier über dem Franz-Josefs-Bahnhof ist eine Ikone der 70er Jahre. Es ist das perfekte Setting, um in eine Zeitkapsel einzusteigen“, sagt Hollein während sie die Treppen Richtung Innenhof hinauf geht.
Umgeben von begrünten Pflanzentrögen und der verspiegelten Fassade des Baus führt der Weg durch eine Drehtür in den Eingangsbereich des früheren Standorts der Bank Austria. Direkt dahinter steht das zurückgelassene achteckige Pult des Empfangs.
Daneben die Drehkreuze, durch die die Mitarbeiter bis vor einem Jahr in ihre Büros gekommen sind. „Diesen Bereich wird Designer Tero Kuitunen kuratieren und das Gastland Finnland unter dem Motto ,Wild at Heart’ präsentieren“, sagt Hollein.
Derzeit erinnert nur eine übriggebliebene Lounge mit Walter Knoll Möbeln an den früheren Betrieb im Gebäude.
In den vergangenen sechs Monaten wurde der 80.000 Quadratmeter große Bau fast komplett leer geräumt. Nur vereinzelt sind halb offene Schränke, verstaubte Regale und ein surrender Kühlschrank übrig geblieben.
In der derzeit verwaisten Kantine haben täglich bis zu 5.000 Mitarbeiter gegessen. "Hier wird unser Food-Schwerpunkt stattfinden", sagt Hollein. Habibi und Hawara sorgen für das Catering und für einen Beitrag dürfen sogar Hühner durch das Gebäude laufen.
5.000 Quatratmeter voller Design
Die Kreativen der Design Week bespielen 5.000 Quadratmeter des Gebäudes und setzen dabei unterschiedliche Schwerpunkte. „Einer davon ist das Thema Game-Design, das sich an mehreren Standorten im Haus – analog und digital – manifestiert“, erklärt die Festivaldirektorin auf dem Weg zum „War-Room mit Bunkerqualität“.
Früher wurde in diesem Konferenzzimmer die Währungsstabilität im Kriegsfall verhandelt – mit Direktverbindung zur Regierung. Autark organisiert und mit eigener Küchenzeile konnten die Verantwortlichen mehrere Tage darin verbringen.
Während der Vienna Design Week wird darin ein „Game-Jam“ stattfinden. Dabei können Besucher live zusehen, wie Computerspiele entwickelt, entworfen und umgesetzt werden.
"Größte Festivalzentrale, die wir je hatten"
Neben Gastland und Game-Schwerpunkt finden auch österreichische Künstler über dem Franz-Josefs-Bahnhof ausreichend Platz. Hollein: „Das Althan Quartier ist die größte Festivalzentrale, die wir je hatten.“
"Mehr Raum bedeutet zwar mehr Beiträge, aber wir bleiben unserem Prinzip treu und wollen Design im gesamten Fokusbezirk zeigen“, sagt die Festivaldirektorin. Sie geht die Treppen zum Julius Tandler Platz hinunter und steigt in die Straßenbahn Richtung Palais Liechtenstein ein.
„Hier hat alles begonnen“, sagt Hollein. Sie steht vor dem prunkvollen Bau des Palais Liechtenstein und hält das Tor, als würde sie die Gäste der ersten Design Week 2006 begrüßen.
„Damals wurden uns die glamourösesten Räume für die Eröffnungsfeier zur Verfügung gestellt“, erinnert sie sich an die Anfänge der Vienna Design Week. 13 Jahre später kehrt sie zu ihren Wurzeln zurück und erklärt den Alsergrund zum Fokusbezirk.
Neun Tage Kunst und Handwerk im Alsergrund
Für neun Tage wird Handwerk, Kunst und Design „Made im Neunten“ eine Bühne geboten. Einer dieser Handwerksbetriebe ist Glas Bauer in der Pramergasse.
Die Tür steht weit offen. Der rund zehn Quadratmeter große Geschäftsraum ist vollgestellt mit Glasfiguren. An den Wänden hängen Urkunden und Auszeichnungen. Von der Decke baumeln an die 15 Lampenschirme aus Glas. Zwei Meter neben der Eingangstür befindet sich die Werkstatt.
Ein Mitarbeiter Reinhard Bauers, der den Familienbetrieb in dritter Generation führt, beklebt gerade den Rand einer Glasplatte, um sie späten zu einer Tür zusammenzusetzen.
„Für die Glasteile in 3-D-Format verwenden wir die Tiffany-Technik. Dabei werden Glasteile zugeschnitten, die Kanten minimal geschliffen und gesäumt“, erklärt Bauer.
Glas Bauer arbeitet mit dem Finnen Teemu Salonen
Im Rahmen der Vienna Design Week nimmt Glas Bauer in Zusammenarbeit mit dem Finnen Teemu Salonen an den Passionswegen teil. In diesem Format arbeitet ein Designer mit einem Handwerkerbetrieb des Fokusbezirks zusammen. Gemeinsam entwerfen sie ein Designerstück. „Ursprünglich war ein Regal mit Glaspalme geplant, aber Teemu Salonen hat sich für eine Lampe entschieden. Daran tüfteln wir gerade“, erzählt Bauer.
Stadtarbeitprojekt zu Ehren Sigmund Freuds
Über die Servitengasse führt der Spaziergang weiter in die Berggasse und damit in die Wohnstraße Sigmund Freuds.
„Ihm zu Ehren wird eines unserer Stadtprojekte ,To Couch in Public’ stattfinden. Es beschäftigt sich mit dem Freudschen Diwan als sozialem Ort“, erklärt Hollein.
Aufgestellt an fünf verschiedenen Plätzen im Alsergrund soll die Wandercouch einladen, Platz zu nehmen. In der Gesprächsreihe „Dialog im Liegen“ können Besucher zudem mit lokalen Akteuren über Erfahrungen und Wahrnehmungen im urbanen Raum reflektieren.
Letzter Stop: Tischlerei Bretschneider
Der letzte Stopp des Spaziergangs liegt fast ums Eck in der Sensengasse. Vorbei an blühenden Blumenkisten steht auch hier die Werkstatttür der Tischlerei Bretschneider weit offen. Tischlerin Maria-Theresia Bretschneider ist gerade mit der Restaurierung eines Stuhls beschäftigt.
Gemeinsam mit Studio Tut nimmt auch sie an den Passionswegen teil. Mit ihrem Projekt lassen sie alte Möbel hochleben und erzählen die Geschichte von fünf Stühlen. Darunter auch ein uralter Bauernsessel aus dem Fundus der Tischlerin.
„Ich habe die technischen Details zusammengetragen und die Künstlerinnen schreiben gerade die Texte dazu“, sagt Bretschneider. Dieser wird im Anschluss von fünf Menschen eingesprochen und mit den Sesseln in der Werkstatt in Szene gesetzt.
Orte im Alsergrund erzählen Geschichten
Eine andere Geschichte erzählt das Format „Spürensuche“. Das Stadtentwicklungsprojekt bietet akustische Eindrücke ausgewählter Orte im Alsergrund. „Dabei können QR Codes an bestimmten Stellen im Neunten gescannt und eine Geschichte mit Originaltönen angehört werden“, erklärt Hollein.
Der Fokusbezirk soll helfen, den Blick auf die Stadt zu verändern. Lilli Hollein: „Durch die Vienna Design Week lernen die Besucher den Alsergrund neu kennen und erobern sich die Stadt auf komplett neue Weise.
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