Trend zum Alten: Vintagestücke sind gefragt wie nie zuvor

Trend zum Alten: Vintagestücke sind gefragt wie nie zuvor
Man findet sie am Dachboden oder am Flohmarkt: Fundstücke, die eine Geschichte erzählen. Und Wohnräume individueller machen.

Für die einen sind Fundstücke eine gute Alternative zur Massenware der Möbelfilialisten, für andere wiederum ist es die Abkehr von einem Leben als Konsument, der stetig kauft und wieder wegwirft. Egal ob Möbelstücke aus den 50ern, Arbeitsutensilien aus einer anderen Zeit oder alte Mauerziegel: Sie alle sind kostengünstig oder gratis zu haben und bringen besonderes Flair in Wohnräume. Es gibt viele Menschen, die immer wieder nach interessanten Dingen Ausschau halten, oder darauf stoßen.

Vintage

Oliver und Joanna Maclennan zeigen in ihrem Buch „Zuhause. Gefunden“, an welchen Orten man Fundstücke findet und wie diese in Szene gesetzt werden – 30 Sammler werden porträtiert. „Paradoxerweise sind es meist wunderschöne Sachen, die vergessen oder weggeworfen werden“, schreibt Oliver Maclennan. In verlassenen und verfallenen Fabriksanlagen oder am Recyclinghof finden sich Dinge aus einer anderen Zeit, denen Sammler neues Leben einhauchen. „Für viele steht die Geschichte des Fundstücks , die es mit seinen Beulen, Macken und Kratzern erzählt, im Mittelpunkt“, so der Autor.

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Küchenschrank

Die beiden Buchautoren suchen im Sperrmüll oder in Abrisshäusern

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Alt, aber gemütlich

Sitzgelegenheiten in einem Haus in Norwegen

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Chaiselongue

Chaiselongue ohne Überzug in einem Stadthaus in Frankreich

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Töpferwerkstatt in Oslo

„Ich mag es, wenn Dinge eine Geschichte haben“, sagt Ragnhild, die hier wohnt und töpfert 

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Buchtipp

„Zuhause. Gefunden. Mit  Fundstücken Atmosphäre schaffen“ von Oliver Maclennan (Text) und Joanna Maclennan (Fotos) ist im Sieveking Verlag erschienen, € 29,80

Eine, die regelmäßig auf der Suche nach schönen Stücken ist, ist Katharina Marchgraber, Inhaberin der Vintage-Designgalerie „Catrinette“ in der Porzellangasse in Wien Alsergrund. „Ich habe mir im Mai einen Lastwagen gemietet und bin zu zwei größeren Flohmärkten in Deutschland gefahren“, erzählt sie.

Gleichzeitig sei sie Insidertipps abgefahren. „Man wird ja weiterempfohlen an Zwischenhändler. Das ist dann immer schön, weil im Ausland gibt es andere Dinge.“ Eines der Stücke, die sie auf dieser Einkaufstour ergattert hat und nun in ihrem Geschäft steht, ist ein sehr gut erhaltener Servierwagen aus Bambus.

 

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Blick für die Dinge

„Mein Hauptaugenmerk ist, dass es mir persönlich gefällt und ich es mir in meine Wohnung stellen würde“, sagt sie. Aber auch die qualitative Verarbeitung sei wichtig. „Die Dinge, die damals teuer waren, sind es auch heute noch“, sagt sie und verweist auf einen besonders gut erhaltenen Esstisch aus Holz zum Ausziehen, der schlicht, aber auch detailverliebt gefertigt wurde.

Design als Qualitätsmerkmal

„Mir würde nicht ein Stück einfallen, dass von seiner Verarbeitung schlecht ist, aber von der Qualität gut“, führt sie aus und nennt ein Beispiel. Eine Dame hätte einen großen Spiegel gekauft. „Er war schlicht, elegant, mit einem dünnen goldenen eloxierten Aluminiumrahmen.“ Dezente Raffinesse. „Häufig kann man mit wenig eine besondere Eleganz erreichen“, ist Marchgraber überzeugt.

Manufakturstempel

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Bei ihrer Arbeit spielen Manufakturstempel, die häufig auf der Unterseite von Möbelstücken angebracht sind, eine Rolle. „Sie erleichtern die Preisbestimmung“, so Marchgraber. „Ich lege allerdings kein Hauptaugenmerk darauf, Dinge mit nachweisbarem Designer zu kaufen“, führt sie aus. „Ich bin keine puristische Designgalerie, es soll so sein, dass man es sich leisten kann, und mag.“

Hoch im Kurs: 50er und 60er Jahre

Die 50er und 60er würden von den Kunden verstärkt nachgefragt. „Ich liebe die 50er mit ihrer Eleganz und Beständigkeit“, so die Inhaberin der „Catrinette“. Zu ihren Kunden zählen vor allem Menschen, die ein originelles Interieur mit Alleinstellungsmerkmal suchen, das schlicht ist, ohne viel Schnickschnack.

Schäbig ist schick

Fundstücke dürfen eine gewisse Schäbigkeit haben. Ob das Teil des Programms ist? „Für mich schon“, so Katharina Marchgraber, „es mögen aber nicht alle. Ich schaue, dass ich die Dinge so kaufe, dass ich sie – wenn überhaupt – nur minimal restaurieren muss. Denn ich finde, diese Patina gehört zum Charme dazu.“ Die Dinge würden etwas ausstrahlen, eine Aura.

Ab und zu erhält die Inhaberin der „Catrinette“ Möbelstücke und Accessoires von älteren Damen, die von einer großen Wohnung in ein Altersheim ziehen und dorthin nur einen Teil ihrer Möbel mitnehmen können. „Eine über 80-Jährige kommt auch immer wieder ins Geschäft und fragt nach, dann sage ich auch, jetzt habe ich wieder etwas verkauft.“ Es sei auch beim Verkauf wichtig, zu wissen, dass der Besitz in sympathische Hände komme und die Möbelstücke geschätzt würden.

Die IMMO-Redakteure zeigen ihre eigenen Vintage-Stücke

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Bücherregal aus alten Ziegeln

Historische Mauerziegel, von Hand gefertigt,  mit verschiedenen Aufdrucken wie Wappen und Buchstaben finden sich in vielen alten Häusern, wenn zum Beispiel Wände entfernt werden. Sie sind ein Stück Geschichte, hat sich hier doch der Produzent für immer verewigt.

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Ulla Grünbacher

"Ich hatte das Glück, dass solche Ziegel bei einem Wohnungsumbau in der Mariahilfer Straße zum Vorschein kamen und ich sie der Besitzerin um wenig Geld abkaufen konnte", so die IMMO-Redakteurin Ulla Grünbacher. Gereinigt wurden sie mit ein wenig Beton und Holzbrettern zu einem Regal, das einerseits Bücher, andererseits – in den kleinen Öffnungen – Platz für CDs bietet. "Auf meiner Bücherwand hat sich vor allem ein Ziegelhersteller mit den Initialen H. D. verewigt, aber auch einige Ziegel mit den Initialen  E. S. sind dabei. Mit farblosem Lack wurden sie für die Ewigkeit haltbar gemacht."

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Kaffeehaustradition im Vorzimmer

Seit 120 Jahren sind meine Thonet-Sessel im Einsatz. Das verrät der Brandstempel unter der Sitzfläche. "Sie sind ein Stück Wiener Geschichte – und für mich als Exil-Tirolerin besonders schön und wertvoll", so IMMO-Redakteurin Julia Beirer. "Der Thonetstuhl symbolisiert für mich neben Wiener Kaffeehaustradition auch den Beginn einer großen Leidenschaft. Zugegeben, es klingt pathetisch– wahr ist es trotzdem."

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Julia Beirer

"Die Geschichte beginnt am 22. Jänner 2018 mit meinem ersten KURIER-Arbeitstag", verrät IMMO-Redakteurin Julia Beirer. "Chefin Sandra Baierl wollte, dass ich den Thonet-Sessel porträtiere und ich lernte alles über das um 1830 erstmals durchgeführte Bugholzverfahren von Michael Thonet." Der Sessel verkörpert auch heute noch alles, wofür gutes Design steht: eine einfache Idee, ausgeklügelt umgesetzt, schlicht gestaltet aus qualitativ hochwertigen Materialien, die auch nach 120 Jahren Stabilität und Komfort bieten – "es war um mich geschehen".

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Ein Krauthobel, 100 Jahre alt

Es ist ein  Hingucker unserer modernen Küche im Weinviertler Landhaus: "ein alter Krauthobel, den wir als Deko-Objekt an die Wand gehängt haben, verrät IMMO-Chefin Sandra Baierl. Das interessante Objekt, etwa einen Meter hoch und  30 Zentimeter breit, fanden wir am Dachboden in einer Ecke, verstaubt und Jahrzehnte unbeachtet.

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Sandra Baierl

Schon beim Reinigen zeigte sich seine Schönheit, ein bisschen Holzpflegemittel ließ die Maserung des Eichenholzes noch intensiver leuchten. "Das Messer, es muss einmal sehr viel Kraut gehobelt haben, ist stark mitgenommen und verformt. Irgendjemand hat vor vielen Jahren  mit Keilen die genaue Schnittbreite eingestellt", sagt IMMO-Chefin Sandra Baierl. Das ist immer noch erhalten und  macht den Krauthobel  authentisch und  einzigartig. Eine Erinnerung an eine alte Zeit, "wir schätzen, das schöne Stück ist gute hundert Jahre alt."

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Plattenspieler aus den 60ern

Ich liebe Musik und  meine kleine Plattensammlung –  Klassiker wie Leonhard Cohen und Miles Davis zählen zu meinen Heiligtümern. "Als mein Plattenspieler vor ein paar Jahren den Geist aufgab, traf es sich gut, dass eine Freundin meiner Mutter umzog und mir ihren alten Grundig-Plattenspieler vermachte, so IMMO-Redakteurin Barbara Nothegger.

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Barbara Nothegger

"Das Stück ist Baujahr 1963, aber der Sound ist dank zweier großer Boxen tadellos, verrät IMMO-Redakteurin Barbara Nothegger über ihr Vintagestück. Auch wenn es in Zeiten von Musikstreaming unmodern und furchtbar aufwendig wirken mag: Das vorsichtige Herausnehmen der Schallplatte aus dem Cover, das Auflegen auf den Plattenteller und das Warten, bis das Kratzen der Nadel durch Musik abgelöst wird, ist purer Genuss, so Nothegger. "Ich nehme die Musik viel intensiver und achtsamer wahr. So ist mein Plattenspieler eine Erinnerung daran, dass die Langsamkeit in einem  ansonsten durchgetakteten Alltag nicht zu kurz kommen sollte."

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