Smart Buildings: Häuser, die mitdenken

Smart Buildings: Häuser, die mitdenken
Smart Buildings speichern die Verhaltensweisen der Bewohner und reagieren selbstständig darauf.

36 Grad und endlich daheim. Ein angenehmer Luftstoß empfängt mich, bis ich abgekühlt bin – dem selbstlernenden Haus und der automatisch eingestellten Klimaanlage sei Dank. Im Stiegenhaus hängt statt eines Schwarzen Bretts ein digitaler Monitor, der in Echtzeit jede Quelle von Stromgewinn und -verbrauch wiedergibt. Die Klingel an der Tür kann, wenn gewünscht, umgeleitet werden – und zwar auf das Smartphone. Es klingelt also nicht mehr im Vorraum der Wohnung, sondern in der Hosen- oder Handtasche. E-Autos stehen vor der Tür und tanken ihre Akkus an der Ladestation ums Eck. Gespeist wird die elektrische Tankstelle durch die Fotovoltaikanlage am Dach, deren Energiegewinn das Haus mit Strom versorgt sowie eine Heizungsanlage betreibt.

Für die Bewohner im „Haus der Energiezukunft“ am Winzerweg in Eisenstadt gehört vieles davon seit zwei Monaten zum Alltag. „Das Haus ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich Wohnen in den kommenden Jahren verändern wird. Der Konsument wird zum Stromproduzenten grüner Energie“, sagt Michael Gerbavsits, Vorstandsvorsitzender der Energie Burgenland. Die Zusatzkosten für die Energieanlage betragen rund 25.000 Euro. Durch den Energiegewinn sparen die Bewohner allerdings langfristig. Sie generieren nämlich auch Daten. „Der Smart Meter übernimmt die digitale Aufzeichnung der Messdaten und löst den Stromzähler ab“, erklärt Walter Holzer, Gruppenleiter der Energiekonzepte bei Energie Burgenland. Dieser bietet eine neue Energiedienstleistung. Holzer: „Die Energieversorgung kann besser an den Kunden angepasst werden.“

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Perfektes Klima ohne Maschinen

Den Energieaufwand reduzieren, das war auch Dietmar Eberles Ziel. Mit seinem Unternehmen „Baumschlager Eberle Architekten“ plante und errichtete der Österreicher das „Bürogebäude 2226“ in Lustenau. Laut eigenen Angaben, weist das Haus den niedrigsten Energieverbrauch in ganz Europa auf. Die Umsetzung war außerdem um 22 Prozent günstiger als ein traditioneller Bau. Gelungen ist ihm das durch eine ausgeklügelte Konstruktion, in dem er auf Lüftung, Heizung und Klima-Anlage verzichtete. „Stattdessen sind im ganzen Haus Sensoren angebracht, die die Temperatur und den - Gehalt aufzeichnen“, so Eberle. Wenn die Werte unter einen von ihm programmierten Grenzwert fallen, reagiert das Haus von selbst. Fenster schließen oder öffnen sich und Lichter werden an- oder ausgeschaltet. „In unserer Klimazone ist die Frischluftregulierung meist ausreichend“, so Eberle weiter.

Die intelligentesten Gebäude

Den Entwicklern der sogenannten Smart Buildings war das nicht genug. Für Bauten wie beispielsweise „ The Edge“ von OVG Real Estate, das 2014 in Amsterdam fertiggestellt wurde, und für den „cube“, dessen Türen sich im Dezember 2019 in Berlin automatisch öffnen sollen, wurden andere Maßstäbe gesetzt. Das erklärte Ziel: Das intelligenteste Gebäude der Welt zu realisieren. Smarte Häuser müssen die Fähigkeit besitzen, selbstständig zu lernen und dazu müssen sie vollständig digitalisiert sein. Mit „The Edge“ ist das bereits gelungen. Das Gebäude gilt nicht nur als eines der smartesten, sondern auch als eines der nachhaltigsten Bauten. Solarzellen am Dach und an der Fassade machen das möglich. Sie erzeugen mehr Energie, als das Haus und seine Nutzer verbrauchen. Der Bau ist außerdem so gestaltet, dass so wenig künstliches Licht wie möglich gebraucht wird. Die digitale Vernetzung im Gebäude spart ebenfalls Ressourcen. So hat beispielsweise kein Mitarbeiter einen fixen Arbeitsplatz. Diese werden täglich zugeteilt.

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The Edge in Amsterdam

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The Edge in Amsterdam

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The Edge in Amsterdam

Weniger Energieverbrauch

Im „cube“ wird ebenfalls mit einer Energieersparnis von bis zu 25 Prozent, verglichen mit derzeitigen Standards in Bürogebäuden, gerechnet. Der Fortschritt kommt allerdings nicht umsonst: Hundert Millionen Euro investiert der Immobilienentwickler CA Immo in den Bau. Die Digitalisierungskosten machen dabei rund drei Prozent der Gesamtsumme aus.

Wie beim niederländischen Vorbild öffnet auch im „cube“ eine App am Smartphone automatisch Türen und speichert jeden einzelnen Schritt der Person, die es in Händen hält. Durch insgesamt 3750 Sensoren, die im gesamten Gebäude verteilt sind und im zentralen Gehirn zusammenlaufen, wird die Verfolgung von allen Vorgängen im Haus möglich. Das Haus lernt die Interaktionen der Nutzer und passt sich ihren Bedürfnissen an. Die Suche nach einem Kollegen erledigt eine App. Sie navigiert auch den Weg zum jeweiligen Arbeitsplatz. Die Sensoren an der Decke zeichnen zusätzliche Hitzekarten, anhand derer die Temperatur im Raum geregelt wird. Auch die individuelle Arbeitsplatz-Konfiguration ist in der App voreingestellt und überträgt sich automatisch, sobald die jeweilige Person Platz nimmt. Künstliche Intelligenz (KI) macht all das möglich.

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Daten sammeln und schützen

Der Gesetzgeber schränkt die scheinbar unendlichen Möglichkeiten der KI und der damit einhergehenden Datensammlung allerdings ein. Die DSGVO (Datenschutz Grundverordnung), die seit Mai 2018 in Kraft ist, schützt die Daten der Nutzer. „Die Sensoren an der Decke zeichnen nicht die konkreten Personen auf, sondern nur ihre Körpertemperatur. Der Mensch dahinter bleibt anonym“, erklärt Klaus Dederichs, Leiter der Informations- und Kommunikationstechnik bei Drees & Sommer, die das Digitalisierungskonzept im „cube“ umsetzen. Wer, wann, wie lange am Computer sitzt und arbeitet, oder in der Küche einen Kaffee trinkt und Pause macht, darf genauso wenig gespeichert werden, wie die Anzahl der Toilettengänge und die Wahl des Menüs fürs Mittagessen. „Die persönlichen Daten werden an einem anderen Ort (Server) gespeichert, als die Daten, die der Optimierung des Gebäudes dienen. So sind die Mitarbeiter geschützt“, erklärt Dederichs weiter. Der „cube“ sei vollkommen an die Datenschutzverordnung angepasst. „Eine Tatsache, die die meisten Immobilien, die derzeit gebaut werden noch nicht erfüllen“, weiß Dederichs.

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Wenn der „cube“ 2019 öffnet, wurden seine Software-Systeme bereits zwei Jahre lang im Demozentrum am RWTH-Aachen Campus getestet und aufeinander abgestimmt. „Viele Softwareanbieter versprechen Dinge, die sie in dem Ausmaß dann doch nicht halten können“, erklärt Markus Kluck, technischer Leiter des „cube“. Um sicherzugehen, dass ab Inbetriebnahme alles funktioniert, testet Kluck jedes mögliche Szenario. Penetration-Tests nennt sich dieses Verfahren, bei dem nicht nur Fehler ausgebessert, sondern auch Hacker-Angriffe simuliert werden. Nur so könne das System und seine Daten geschützt werden.

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Und wenn der Strom ausfällt? Auch für diesen Fall ist gesorgt. „Das Gebäude ist mit Notstromaggregaten ausgestattet. Wird die Stromversorgung gekappt, kann der Betrieb für weitere 36 Stunden fortgeführt werden. Dem Schutz der Daten kann ein Stromausfall übrigens nichts anhaben.

Wie smart und selbstlernend das eigene Wohnhaus sein kann, wird derzeit in Baden-Württemberg getestet. Dort steht das HUF Haus, das sich permanent weiterentwickelt und lernt – und zwar von selbst. Es verfügt über ähnliche Sensoren wie „The Edge“ und „cube“. Nur eben an den Wohnraum angepasst. Das Haus speichert die Interaktionen der Bewohner und passt die einzelnen Zimmer an ihre Bedürfnisse an.

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Interessierte können dort einen Rundgang machen. Wer nicht so weit reisen, aber trotzdem einmal Smart-Home-Flair erleben möchte, kann im oberösterreichischen Kollerschlag eine Nacht im Showhome von Loxone verbringen. Dort wird die Temperatur ebenfalls automatisch geregelt und das Licht nach Wunsch gedimmt.

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