Lomomanie: Shops entstehen in Wien
Filmrollen kauft heute so gut wie niemand mehr. Und die Geduld, drei Tage zu warten, bis der Film entwickelt ist, bringen nur noch wenige auf. Ein Foto in den Händen zu halten, gehört mittlerweile zu den Dingen, denen etwas Nostalgisches anhaftet. Anstatt die Bilder in Alben zu kleben, werden sie auf Chipkarten und Festplatten gespeichert. So bleibt zwar die Farbe erhalten, aber die Erinnerung verblasst.
Lomo geht einen anderen Weg. Die Firma stellt ausschließlich analoge Film- und Fotokameras her und sieht Fotografie als Lebenseinstellung. Sie verkauft die Kameras in eigenen Shops, drapiert in Holzkisten, mit einer gehörigen Portion Retro-Charme. Wie die Fan-Community erstreckt sich das Filialnetz über die ganze Welt: Von Toronto über Sao Paulo nach Hongkong, von Amsterdam nach Los Angeles – um einige Standorte zu nennen. Geplant werden die Shops samt Interieur im Headquarter der Lomographischen Gesellschaft im 15. Wiener Gemeindebezirk. IMMO hat mit Lomography-Chefarchitekt Ludwig Slezak gesprochen und nachgefragt, wie und wieso ein internationales Konzept von Wien aus umgesetzt wird.
IMMO: Weltweit gibt es mittlerweile über 30 Lomography Gallery Stores. Was ist das Besondere an den Geschäften?
Ludwig Slezak: Zum einen bekommt man hier Kameras, Filme und Zubehör. Ein Store ist aber nicht nur Verkaufsraum, sondern auch Treffpunkt für Lomo-Community-Mitglieder. Es finden Veranstaltungen wie etwa Ausstellungen oder Workshops statt, bei denen mit den Kameras und Accessoires experimentiert wird. Manche Filialen haben sogar eine eigene Dunkelkammer, in der die Filme entwickelt werden.
Nach welchen Kriterien wird der Lomo-Shop gestaltet?
Die Architektur soll sich im Hintergrund halten. Wichtig ist Flexibilität, um die vielen Produkte optimal zu präsentieren. Zentrales Element und die größte Attraktion ist die Foto-Wand, die es in jedem Shop gibt. Sie entsteht im Zuge eines sogenannten "Rumble", bei dem unsere Kunden ihre Bilder zu einem bestimmten Thema einreichen. Sie zielt weniger auf das Produkt ab, sondern vermittelt den Spaß, die Freude und das Künstlerische dahinter. Interessierte sehen, was sie mit unserem Produkt machen können, dass sie an einer Community teilhaben und die Wand mitgestalten können. Ein weiterer Aspekt, der sich in vielen Shops findet, ist das Regal aus Metallrohren. Daran werden Holzboxen und gelochte Metallpaneele montiert. Das System ermöglicht es, die Einrichtung an die jeweilige Location anzupassen. Vom innenarchitektonischen Standpunkt her ist uns wichtig, dass das Geschäft überschaubar bleibt – für die Kunden und die Angestellten.
Die Grundausstattung ist also immer die gleiche. Unterscheiden sich die einzelnen Shops trotzdem?
Baugesetze in den einzelnen Ländern sehen unterschiedliche Auflagen vor. So muss das Logo an jeden Shop hinsichtlich Größe, Schrift und Beleuchtung angepasst werden. In anderen Fällen dürfen etwa die Mauern nicht angebohrt werden, dann muss im Inneren eine zweite Wand aufgestellt werden. Generell versuchen wir, regionale Produkte einzusetzen. Bei der Filiale in Sao Paulo etwa haben wir brasilianischen Bambus auf dem Fußboden verlegt. Zudem ist jeder Shop mit Sitzmöbeln ausgestattet, die aus Secondhand-Läden oder von Möbelsammlern stammen und gemeinsam mit den Shopbetreibern vor Ort ausgewählt werden.
Viele Unternehmen lagern die Architekturabteilung aus. Warum leistet sich Lomography ein eigenes Architekturbüro?
Es hat sich bewährt bei der Gestaltung, der Entwicklung und der Produktion zusammenzuarbeiten. Die Kooperation mit den verschiedenen Abteilungen ist sehr inspirierend und außerdem ist es von logistischem Vorteil, wenn alle Teams in einem Haus untergebracht sind. Deshalb setzen wir auf ein achtköpfiges Team aus Architekten und Designern sowie auf eine Werkstatt, in der Prototypen und Produkte, wie etwa das Regalsystem, hergestellt werden.
Welche Schritte werden in Wien geplant und welche Teile werden vorproduziert?
Das gesamte Geschäftslokal und der Umbau werden in Wien entworfen und konzipiert – von der Außengestaltung bis zur Einrichtung. Wir versuchen, so viel wie möglich hier vorzubereiten: Dazu zählen Kassa- und Displaytische oder Accessoires, wie etwa die gelochten Paneele, die an den Regalen angebracht werden. Auch das Logo und die Foto-Wand werden hier produziert. Anschließend verpacken wir es bis zur letzten Schraube und schicken es los.
Wer koordiniert die Bauarbeiten vor Ort beziehungsweise wer führt sie durch?
Für die Umsetzung fliegen wir persönlich in die Städte. Unsere Aufgabe ist es, den Umbau zu leiten und dafür zu sorgen, dass das Budget eingehalten wird. So können wir bei Problemen rasch reagieren und auf Änderungen eingehen. Für die Bauarbeiten engagieren wir ansässige Handwerker. Obwohl in unserem Team alle Mitarbeiter Englisch sprechen, treten manchmal Probleme in der Kommunikation oder bei der Konvertierung von Maßen auf, etwa bei der Umrechnung von Inch auf Zentimeter. Oft ist auch die Zeitverschiebung eine Herausforderung. Hinzu kommt, dass die Arbeitseinstellung der Menschen in den jeweiligen Ländern unterschiedlich ist, oft ist sie gemütlicher als bei uns. Stereotype bestehen, werden generell aber schnell widerlegt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass regionale Arbeiter sehr hilfsbereit sind und sich im Zuge der Zusammenarbeit selbst für Lomography zu interessieren beginnen.
Ist es nicht langweilig, nur für einen Betrieb Shops zu entwerfen?
Jeder Shop ist anders und stellt uns vor neue Aufgaben: Man muss sich in die lokalen Baugesetze einlesen und arbeitet stets mit anderen Leuten zusammen. Außerdem planen wir Events, Messen und Ausstellungen, wie etwa in Hongkong im Einkaufszentrum Times Square. Das bringt jeden Tag neue Herausforderungen, bei denen man seine Kreativität ausleben und gleichzeitig von der Struktur und dem Know-how der Firma profitieren kann. Als Einzelner wäre so etwas nicht realisierbar. In einem herkömmlichen Architekturbüro zeichnet man sechs Monate an einem Ausführungsplan – das stelle ich mir persönlich langweiliger vor.
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Die Geschichte der Lomographie
1984 in Russland auf den Markt gebracht, wurde sie sieben Jahre später von Wiener Studenten bei einem Ausflug in Prag entdeckt: die Lomo Kompakt Automatikkamera "LC-A". Mit ihren Schnappschüssen – den Lomographien – schufen sie einen neuen Stil: Fotografiert wird in jeder Situation, spontan und aus ungewöhnlichen Perspektiven. Die "10 goldenen Lomo-Regeln" entstanden.
Was als Studentenprojekt begann, entwickelte sich rasch zu einer internationalen Bewegung. 1992 wurde in Wien die "Lomographische Gesellschaft International" gegründet, die fortan eigene Produkte entwickelte und vertrieb: Kameras (mit Multilinsen-Objektiven etc.) aber auch Kleidung, Bücher und Accessoires zählen zum Sortiment. Die erste LomoWall entstand und Aktivitäten wie Workshops, Partys oder Ausstellungen wurden organisiert. 1996 wurde die Website gelauncht, die heute die weltweit größte Community für analoge Fotografie ist.
Bis 2005 wurden die Kameras vom Original-Hersteller LOMO PLC in Russland produziert. Danach gingen die Rechte an die Lomographische Gesellschaft über. Seither werden die Neuauflagen unter dem Namen "LC-A+" in China produziert.
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