Das alte Bauernhaus im nördlichen Weinviertel wartet. Und es muss weiter warten. Schon vor Jahren hat sein neuer Eigentümer Umbauträume gesponnen, Pläne gezeichnet, sich mit Architekten beraten. Es wurde konkreter – aber dann kam die Corona-Pandemie und mit ihr eine schwierige Zeit für Bauvorhaben.
Für 2022 sah es eigentlich gut aus: die Baubewilligung ist da, die Reinzeichnungen sind auf Papier, der Kredit bewilligt. Und nun das: die Professionisten fehlen, die Baukosten schießen in die Höhe und sind zum Teil nicht einmal mehr berechenbar. Überhaupt sollte das Projekt unter den aktuellen Bedingungen gerade im Hinblick auf Energie neu gedacht werden. Wieder Bauverzögerung – diesmal auf unbestimmte Zeit.
Weniger Baubewilligungen
Aus der Traum vom Eigenheim, heißt es derzeit für viele. Das zeigt sich auch an den Zahlen: Wurde in den vergangenen Jahren noch viel neu gebaut, ändert sich das nun. Denn die Zahl der Baubewilligungen sinkt. Im ersten Quartal 2022 wurden 13.871 neue Wohnungen bewilligt: Das ist einem deutlichen Rückgang zum ersten Quartal des Vorjahres, damals wurden 19.103 Wohnungen bewilligt.
Generell wird die Neubauleistung in Österreich abnehmen, das ist bei den Baubewilligungen ersichtlich. Hinzu kommt, dass sich die Konjunktur eintrübt: Der Bau und vor allem die Industrie dürften der Einschätzung der Bank Austria zufolge keine Wachstumsstütze mehr sein.
Teure Baustoffe
Die Baupreise sind ein Grund: Laut österreichischem Baupreisindex stiegen sie in den vergangenen fünf Jahren um über 30 Prozent. Alleine im ersten Quartal 2022 hat der Baupreisindex im Vergleich zum Vorjahresquartal um 8,7 Prozent zugelegt. Zwar ist die Preisrallye bei den Baumaterialien mittlerweile etwas abgeflacht, doch die Verfügbarkeit von Baustoffen ist nach wie vor schwierig, so Gerald Gollenz, stellvertretender Fachverbandsobmann der Immobilientreuhänder. „Seit Montag kommen bis auf Weiteres keine Stahllieferungen nach Österreich.“
Energiekosten treiben Preise
Zudem verteuert die Energie, die Kosten für Gas und Strom sind massiv in die Höhe geschnellt, die Produktion von Baustoffen. Wie sich das auswirkt, zeigt sich an gebrannten Ziegeln: 40 Prozent der Preise sind aktuell durch Energiekosten bedingt. „Die Energiekosten wirken sich dramatisch auf den Preis von Baumaterialien aus, da die meisten sehr energieintensiv hergestellt werden“, so Hans Jörg Ulreich, Sprecher der österreichischen Bauträger in der Wirtschaftskammer. „Die Kosten für Styropor und Zement bestehen zur Hälfte aus Energiekosten.“
Noch gute Auslastung
Noch ist die Auslastung gut: „Die gute Auftragslage aus 2021 sorgte für eine stabile Entwicklung unserer Betriebe im ersten Halbjahr dieses Jahres. Steigende Rohstoff und Energiepreise werden jedoch bis Jahresende zu einer Abflachung der Baukonjunktur führen“, sagt Franz Josef Eder, Präsident des Verbands österreichischer Beton- und Fertigteile. Fast die Hälfte der befragten Beton- und Fertigteilwerke rechnet mit fallenden Umsätzen. „Im Moment sind die Baufirmen ausgelastet und die meisten Projekte werden wohl auch fertig gebaut werden“, so Ulreich in Bezug auf die gewerblichen Bauträger: „Aber künftig, ab 2023, werden sicher viele Kapazitäten frei werden, denn es kommen keine Projekte nach.“
Das bestätigt Christian Murhammer, Geschäftsführer des Österreichischen Fertighausverbands: „Die Geschäftslage ist aus der Vergangenheit heraus gut. Wir gehen aber von einem Rückgang der Aufträge aus.“ Die Fixpreisgarantie der Fertighaushersteller wurde vom Verband „vorübergehend ausgesetzt“. Auch das zeigt, wie schwierig es geworden ist, seriös zu kalkulieren und Bauleistungen auszuschreiben. „Viele Projekte werden derzeit auf die lange Bank geschoben, weil die Baupreise zu hoch sind oder gar keine Angebote abgegeben werden“, sagt Ulreich. Und: „Manche Projekte rechnen sich einfach nicht mehr.“
Weniger Kredite
Auch die Finanzierung stockt: Mit 1. August sind neue Kredit-Richtlinien in Kraft getreten. Sie sehen vor, dass Käufer 20 Prozent des Kaufpreises in Form von Eigenkapital nachweisen müssen, die monatliche Kreditrate höchstens 40 Prozent des monatlich verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmacht und die Laufzeit der Finanzierung maximal 35 Jahre beträgt. „Die geänderten Kreditrichtlinien in Kombination mit einer kräftigen Zinserhöhung führen dazu, dass bis zu 50 Prozent der Kunden keine Kredite mehr bekommen“, so der Bauträgersprecher.
Wie sich das auswirkt? „Es kommt natürlich auf das Preissegment des Wohnbaus an. Im oberen Preisbereich ändert sich wenig, im niedrigeren hingegen kommt bestimmt ein massiver Einbruch.“ Ulreich: „Gerade Jungfamilien sind mit den neuen Regelungen vom Eigentumserwerb regelrecht abgeschnitten. Viele von den jetzt ausgeschlossenen Eigenheimnutzern hätten sich gern Eigentum geleistet, schaffen aber die neuen Rahmenbedingungen nicht.“
Michael Pisecky, stellvertretender Obmann des Fachverbands der Immobilientreuhänder, sieht ein anderes Problem: Familien, die ihre Wohnsituation verbessern wollen, werden sich künftig schwertun. Denn bis die Wohnung verkauft ist und mit dem Erlös zum Beispiel die Hälfte der neuen Immobilie finanziert werden kann, müsse die gesamte Summe zwischenfinanziert werden – das gehe sich finanziell einfach nicht aus.
Eigenleistung spart Geld
Was Häuslbauer und Sanierer jetzt tun können, um ihren Traum vom Haus trotz gestiegener Baukosten, Lieferengpässen und fehlenden Professionisten umzusetzen? Eine Möglichkeit sind Eigenleistungen: Wer selbst anpacken kann oder Familie, Freunde und Nachbarn hat, die mithelfen, kann sich einiges sparen. Bauherren und Sanierer, die bereit sind, Kompromisse einzugehen, steigen besser aus: Es ist besser, ein wenig von den Vorstellungen abzuweichen, als dass sich das gesamte Projekt verzögert und weiter verteuert – zum Beispiel, weil die Fenster nach Wahl auf sich warten lassen.
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