Ein großes Sofa, auf dem viele Leute Platz haben, ein Essplatz mit vielen Stühlen: All das können Hinweise darauf sein, dass hier ein geselliger Typ wohnt, der gerne Menschen um sich hat. Lässt sich dagegen wenig Persönliches wie Fotos finden, deutet dies eher auf eine Person hin, die Distanz wahren möchte. „All diese Rückschlüsse brauchen immer ein ,vielleicht’“, räumt Wohnpsychologin Barbara Perfahl ein. „Minimalismus spiegelt oft auch ein Ruhebedürfnis wider: Reizüberflutung hindert manche am Denken, deshalb verzichten diese Menschen dann auf viele Bilder und Deko.“ Hinzu kommt, dass die Menschen oft auch nicht alleine hier leben, das bedeutet, dass in solchen Wohnungen auch mehrere Bedürfnisse abgebildet sind.
Eine Frage der Bedürfnisse
Um sich daheim wohlzufühlen, ist es wichtig, seine Bedürfnisse zu kennen, so die Psychologin: „Es gibt verschiedene Ausprägungen an Wohnbedürfnissen – etwa nach Rückzug, Geselligkeit, Anerkennung, Ästhetik und Selbstverwirklichung. Die Gewichtung ist bei jedem Menschen unterschiedlich und verändert sich auch im Laufe des Lebens.“ Um also authentisch zu wohnen, sollte man sich zunächst fragen: Was soll meine Wohnung für mich sein? Oase der Ruhe im Lärm des Alltags? Sichere Höhle und Rückzugsort? Oder der Mittelpunkt des sozialen Lebens?
Das Bild vom Wohnen
Haben wir erkannt, wer wir sind und was wir zum Wohlfühlen brauchen, wird sich dies auch in unseren Räumen widerspiegeln, sind sich die beide Expertinnen einig. Perfahl: „Wenn wir den Mut haben, uns zu zeigen, wie wir wirklich sind, dann bringen wir das nach außen und transportieren dies in unsere Wohnräume. Ein bisschen ist Wohnen so wie ein Gemälde, das viele Schichten von Farbe verträgt. Da kommt immer mehr dazu, manchmal auch von anderen Menschen. Wir füllen die Leinwand mit unseren Lieblingsfarben, benutzen Wohlfühlmaterialien und erschaffen dadurch ein individuelles Motiv.“
So wohnt Österreich
Bei aller Individualität gibt es dennoch so etwas wie die typische Wohnung der Österreicherinnen und Österreicher: „Das klassische Wohnzimmer mit Fernseher und dem Sofa als Zentrum des Wohnens gibt es heute so wie in den Siebzigerjahren. Nur ist es nicht mehr getrennt von der Küche, sondern geht ineinander über. Schlafräume werden kleiner, dafür sind Außenbereiche in den Fokus gerückt. Das Badezimmer, das heute als Erholungsraum dient, wurde aufgewertet,“ erklärt Perfahl.
Was die Einrichtung betrifft, so beobachtet Kollegin Vogler-Kautz einen „Stilmix aus Möbelhaus, Ikea und Designermöbel – je nach Budget, Alter und Lebenssituation.“ Dies würde wiederum die Analyse der Wohnung erschweren, wie Vogler-Kautz erzählt: „Häufig begegne ich Wohnungen, die aussehen wie Einrichtungshäuser. Da fehlt die Authentizität. Die gemütlichsten Wohnungen sind jene, die eine Geschichte erzählen. Es muss nicht perfekt sein, darf sich ändern und wachsen.“
Die Visitenkarte der Wohnung
Dennoch erhält man schon beim Betreten der Wohnung ein gutes Bild vom Charakter der Bewohner, bestätigen beide Expertinnen: „Der Eingangsbereich ist der ‘öffentlichste’ Ort der Wohnung, also das Aushängeschild. Ist er einladend und persönlich gestaltet, fühlt man sich willkommen und das lässt auf offene Bewohner schließen“, erläutert die Architektin. Viel Charakter lasse sich auch etwa am Bücherregal ablesen, so die Wohnpsychologin Perfahl: „Das Bücherregal ist ein sehr emotionaler Ort und steht für bestimmte Lebensabschnitte, oft wird es zum gestalterischen Element. Letztlich sind die Emotionen, die vermittelt werden, das Spannende in jedem Wohnraum. Seien es Fotos und Bildern an der Wand oder Mitbringseln aus aller Welt. Da erzählen Menschen ihre Geschichte.“
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