Aussteigen: Wohnen in und mit der Natur
„Wir fühlten uns ein bisschen wie zwei Kinder, die von zu Hause ausgerissen sind und im Wald ein großes Abenteuer erleben“, erinnert sich Franziska Jebens an ihre Anfangszeiten nach dem Umzug aus Hamburg. Mit ihrem Mann Carsten hat sie vor zehn Jahren „entgegen jeder Vernunft“ ein verfallenes Forsthaus ohne Wasseranschluss und Heizung mitten im Wald gekauft. Ursprünglich als „romantisches Hideaway“ geplant, wurde das Haus im Laufe der Jahre zum festen Wohnsitz.
Forsthaus
Alleinlage war bei ihrer Suche das ausschlaggebende Kriterium. Carsten Jebens, Handwerker und Möbelbauer, entkernte das Haus. Während sich das Forsthaus mit den blauen Fensterläden von außen traditionell präsentiert, besticht das Innere mit loftartigen Weite mit stylischen, selbst gebauten Möbeln im Bauhaus-Stil. Zentraler Mittelpunkt ist die Küche mit dem stylischen Bar-Schild und der italienischen Kaffeemaschine. „Mein persönliches Ritual ist es, jeden Morgen meinen Kaffee im Grünen zu genießen. Lange Zeit war dabei ein Käuzchen unser treuer Besucher.“
Natur-Aussteiger
Neben Wildtieren gehören Hündin Schmiddie und Kater Clint zur Familie. Ihre schicken Kleider hat die frühere Modejournalistin gegen Funktionskleidung und feste Schuhe getauscht. Künftigen Naturaussteigern raten die beiden, sich Zeit zu lassen: „Vielleicht zuerst das Landleben im Urlaub ausprobieren und für ein paar Wochen eine Hütte am Berg oder im Wald mieten.“ Neben einer starken Vision bei der Besichtigung, wie das Haus künftig aussehen kann und einem guten Bauchgefühl, findet Franziska es gut, wenn man als Paar an einem Strang zieht. Carsten fügt hinzu: „Wichtig ist ein dichtes Dach, alles andere lässt sich richten.“
Hof mit Reetdach
Ein 200 Jahre alter Natursteinhof mit Reetdach in der Bretagne und einem Garten am Waldrand, fünf Hühnern, drei Katzen und zwei Hunden: Das ist das Zuhause von Regine Rompa und ihrem Freund Anton Karsten. Vor zwei Jahren lebte das Paar noch in Berlin in einer Zwei-Zimmer-Wohnung mit gut bezahlten Jobs, einem großen Freundeskreis und vielen Partys. Doch an einem Abend in ihrer Lieblingspizzeria gestanden sich die beiden, vom immer „höher, schneller, weiter“ des Großstadtlebens erschöpft zu sein. Sie sehnten sich nach Ruhe und Natur. Sie kündigten ihre Arbeit, verkauften die Wohnung und machten sich im Campingbus auf in Richtung Abenteuer.
Romantischer Hof in Alleinlage
„Wir hatten zuvor ein paar Höfe in Süddeutschland besichtigt, die weit über unserem Budget lagen“, erzählt Regine. Sie steuerten ihr Wohnmobil weiter nach Westen, bis sie in der Bretagne landeten. Nach einer stürmischen Nacht in den Dünen vor der Atlantikküste klickten sie sich „aus reiner Neugierde“ durch französische Immobilienseiten. So fanden sie ihren persönlichen Glückstreffer: Ein romantischer Hof in Alleinlage, abgeschieden mit 13.000 Quadratmeter Land. Und das Anwesen war unter dem Preis ihrer Berliner Wohnung zu haben.
Gutachten über Bausubstanz
Als sie den abgelegenen Hof mit Steinbrunnen davor besichtigten, trauten sie ihrem Glück kaum. Zwar mussten das Dach repariert und das Bad erneuert werden, aber sonst war das Haus bezugsfertig. Verkäufer in Frankreich müssen unabhängige Gutachten über die Bausubstanz erstellen lassen. So wird geprüft, ob Asbest verwendet wurde oder sich ein Holzwurm durch das Gebälk frisst. „Es erleichtert die Kaufentscheidung, wenn man Gewissheit über solche Dinge hat“, findet Regine. Der nächste Ort Pontivy liegt eine Viertelstunde mit dem Auto entfernt. Dort gibt es Geschäfte, Bäckereien, Restaurants und eine Créperie.
Leben im Einklang mit der Natur
„In unserem Mini-Dorf Kerjégu wohnen ganzjährig nur noch Agnès, Anton und ich. Unsere nächste Nachbarin Mado ist leider vor kurzem verstorben“, so Regine. Im Sommer sind fünf weitere Bewohner vor Ort, Engländer und Franzosen, die in ihren Ferienhäusern Urlaub machen. Die mit dem Auto in 45 Minuten erreichbaren Strandorte Guidel-Plage und Larmor-Plage erwachen im Sommer zum Leben. An ihrem Sehnsuchtsort konnten sie ihr Ziel – ein einfaches aber sinnvolles Leben im Einklang mit der Natur – umsetzen.
Nahrung selbst anbauen
Sie bauen ihre Nahrung weitgehend selbst an, kaufen nur das Nötigste im Supermarkt. Der Frühling ist die Lieblingsjahreszeit von Regine und Anton: „Momentan ist der Waldboden mit blauen Glockenblumen übersät, die Himbeersträucher blühen, was die Bienen sehr freut.“ Wer von einem Leben in der Natur träumt, dem rät Regine, es zu wagen: „Sicher kann ein finanzielles Polster den Start erleichtern. Den Traum sollte man aber nicht zu lange aufschieben.“ Sie weiß: Hauspreise am Land sind niedriger als in der Stadt. Verlockungen zum Geldausgeben wie Kinos, Cafés, Restaurants und Geschäfte gibt es kaum. „Viele Freizeitangebote sind hier kostenlos, wie der Waldspaziergang, Tiere beobachten und im Fluss baden.“
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