Architektur auf Instagram: Bauen fürs Bild

Architektur auf Instagram: Bauen fürs Bild
Tausende Fotos von Bauten werden täglich ins Internet gestellt. Wie die Bilderflut die Arbeit von Architekten verändert.

Wenn Erfolg in Klicks gemessen wird, dann waren die Architekten des Schweizer Nobelhotels Bürgenstock am Vierwaldstättersee sehr erfolgreich. Sogar ein wenig zu erfolgreich. Bei der Neugestaltung des Spa-Bereichs planten sie ein Infinity Edge-Pool, das seit der Wiedereröffnung aber nicht nur zum Baden, sondern vor allem zum Fotografieren genutzt wurde. 20.000 Mal wurde seitdem das Bürgenstock im Internet auf Instagram gezeigt – vor allem mit halb nackten Gästen im Pool. Bald aber fühlten sich andere Besucher gestört und die Hotelleitung bremste: Seit Dezember sind Instagram-Schnappschüsse nur zu gewissen Zeiten erlaubt.

Architektur auf Instagram: Bauen fürs Bild

Das Pool des Nobelhotels Bürgenstock (Schweiz) war so beliebt für Schnappschüsse, dass die Hotelleitung das Fotografieren einschränkte

Täglich werden tausende Fotos von Bauwerken ins Internet geladen und erreichen über die Sozialen Netzwerke Facebook, Instagram und Pinterest ein Millionenpublikum. Alleine vom Eiffelturm gibt es 5,4 Millionen Bilder auf Instagram, vom Schloss Schönbrunn sind es immerhin 340.000. Das Massenmedium Internet wird dabei zum Kommunikationskanal für Architektur, beeinflusst aber auch die Arbeit von Architekten. „Manche Bauherren wünschen sich mittlerweile gezielt Plätze, wo Bilder für Selfies gemacht werden können“, sagt Stephan Ferenczy, Miteigentümer des Wiener Architekturbüros BEHF.

Welche Bilder gehen im Netz ab?

Die Kunst der Architekten besteht darin, Orte überschaubar und wiedererkennbar zu gestalten. Ein Platz muss schnell erfassbar sein. „Es funktioniert nicht, eine Art Bilderrahmen um einen Ort zu machen und darauf hinzuweisen, dass hier Fotos gemacht werden können“, sagt BEHF-Chef Stephan Ferenczy, „Plätze müssen so inszeniert sein, dass das Massenpublikum das Gefühl hat, schöne Fotomotive individuell zu entdecken.“

Geschichtlich gesehen wurde die Fotografie in der Architektur immer schon strategisch eingesetzt. Weil Gebäude nicht mobil sind und nur über Bilder verbreitet werden können. Star-Architekten engagierten seit jeher berühmte Architekturfotografen, um ihre Bauwerke ikonenhaft ablichten zu lassen. „Nur die Intensität hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Instagram beispielsweise ist ein wichtiges Kommunikationsmittel für Architektur geworden“, so Angelika Fitz, Leiterin des Architekturzentrum Wien (AzW).

Schwarmintelligenz gefragt

Für das AzW eröffnet das Internet neue Kanäle: Fotowettbewerbewickelt das Museum nur mehr über Instagram ab und nutzt die Nähe zu den Followern für kuratorische Recherche. Angelika Fitz: „Im Vorfeld zur Ausstellung SOS Brutalismus haben wir unsere Follower dazu aufgerufen, Bauten des Brutalismus abzulichten, um so auf akut vom Abriss bedrohte Gebäude zu stoßen.“

Doch auch Architekten selbst setzten die Neuen Medien gezielt ein, um ihre Arbeit zu präsentieren. Dem britischen Stararchitekten Norman Foster folgen fast 400.000 Menschen auf Instagram, sein französischer Kollege Jean Nouvel bringt es auf 200.000 Fans. Auch österreichische Architekten sind auf Instagram aktiv, wenn auch in viel kleinerem Maße. Eines dieser Büros ist Franz & Sue in Wien. „Unser Instagram-Kanal erreicht die Architekturcommunity und junge Kollegen, die wir irgendwann vielleicht als Mitarbeiter gewinnen wollen“, sagt Franz & Sue-Chef Michael Anhammer.

Nutzen versus Ästhetik?

Doch was, wenn der Hype um Instagram und die anderen Sozialen Medien dazu führt, dass nur mehr für Bilder und nicht mehr für die Nutzer gebaut wird? So abwegig ist die Überlegung nicht, wie andere beliebte Foto-Motive veranschaulichen: Manche Köche etwa geben unumwunden zu, dass es egal ist, wie eine Speise schmecke, Hauptsache sie schaue gut aus und ließe sich gut fotografieren.

Die zwei Pole aus Funktionalität und Ästhetik sind auch in der Architektur altbekannt. Die Frage ist, welcher Teil überwiegt oder wie beide am besten in Einklang gebracht werden. BEHF-Chef Stephan Ferenczy: „Wenn ein Gebäude nur mehr gut aussieht ohne für die Nutzer zu funktionieren, wäre es eine Enttäuschung.“ Franz & Sue-Chef Michael Anhammer pflichtet bei: „Es geht nicht nur um einen Wow-Effekt, der kurzfristig wirkt. Eine Gebäude muss langfristig funktionieren und da zählen ganz andere Dinge, nämlich Geborgenheit und die Möglichkeit zu realen Begegnungen“. Und ist das Reale nicht das einzig wirklich Relevante im Leben?

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